Lehrerverbands-Chef Kraus stellt PISA schon vor Erscheinen infrage

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MÜNCHEN. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Josef Kraus, hat den aktuellen PISA-Test bereits im Vorfeld als „ziemlich nichtssagend“ bezeichnet und die deutschen Länder aufgefordert, die „Inflation an fragwürdigen OECD-Tests“ zu stoppen. Die Millionengelder, die dadurch eingespart würden, seien als Personal- und Sachzuwendungen für soziale Brennpunktschulen besser angelegt, so Kraus.

Hält nicht viel von internationalen Vergleichsstudien wie PISA: Josef Kraus. Foto: Deutscher Lehrerverband
Hält nicht viel von internationalen Vergleichsstudien wie PISA: Josef Kraus. Foto: Deutscher Lehrerverband

Wörtlich sagte der Lehrerverbandschef: „In typisch deutscher Manier wurden PISA und Co. über zwölf Jahre hinweg zum Selbstzweck und zur Beschäftigungsmaßnahme für Testempiriker. Das Verständnis von Bildung in Deutschland hat darunter gelitten. Es scheint bis hinauf in die hohe Politik und große Teile der Bildungsforschung nur noch um Rangplätze und Quoten zu gehen. Dabei erfasst PISA nur einen minimalen Ausschnitt aus dem schulischen Lerngeschehen. Was umfassende Bildung ausmacht, kommt bei PISA nicht vor: sprachliches Ausdrucksvermögen, literarisches Wissen, historisches, geographisches, politisches und wirtschaftliches Wissen, religiöse und ethische Grundbildung, ästhetische Grundbildung. Mit dieser Verengung muss Schluss ein. PISA und Co. dürfen nicht noch mehr normative Wirkung auf das Bildungswesen ausüben.“

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Kraus stellte zudem die Repräsentativität der Ergebnisse von OECD-Studien in Frage. Beispielsweise könne es nicht sein, dass ein und dieselben Länder binnen weniger Jahre auf OECD-Rankings gewaltige Sprünge nach oben oder unten machten. News4teachers

 

 

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Reinhard
10 Jahre zuvor

Herr Kraus hat Recht. Ich habe nicht den Eindruck, dass der ganze PISA-Aufruhr (außer schlechtem Gewissen bei Lehrern und permanenter Revolution bei den Bildungpolitikern) irgendetwas gebracht hat. Besser ist jedenfalls nichts geworden. Man hörte auch all die Jahre nichts, dass andere Staaten PISA so ernst nähmen wie Deutschland.

Konfuzius
10 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

wenn man mit voller Inbrunst in einem Kommentar seine Meinung sagt, heißt es noch lange nicht, dass diese weise formuliert ist oder durch eigenes Nachdenken erzeugt wurde.
Natürlich „hat der ganze PISA-Aufruhr“ „etwas gebracht“!! Man sollte sich unsere ach so tolle „alte“ Bildungslandschaft aus den 80er und 90er Jahren doch einmal anschauen – der TIMSS- und PISA-Schock (98 und 2000) war für die Selbstherrlichkeit der deutschen Bildungsverantwortlichen – und Praktiker sprich Lehrer – ja so heilsam, dass sie sich nicht zurücklehnen konnten und eine Parole „Weiter so“ ausgeben konnten. Glücklicherweise wurde der „Literacy-Begriff“ bei aller dikussionswürdigkeit Ernst genommen, integrated science Ansätze wurden in allen Ländern mehr oder weniger auf den Weg gebracht und frühkindliche Nawi-Bildungsangebote setzten sich immer mehr durch. Und daneben die neu aufgebauten Strukturen der Fobis für Lehrer (denn die muss man ja am dringesten erreichen – PISA sollte hier einmal testen!!).

Vielleicht sollte man nicht immer nur mit der „Schwanitz-Brille“ auf Bildung schauen – ein Tipp!

Ursula Prasuhn
10 Jahre zuvor

@Konfuzius
Ich stimme Josef Kraus und folglich auch Reinhard zu, obwohl Ihr Pseudonym Ehrfurcht gebietet.
Begründung: Ich misstraue der OECD und ihren Ergebnissen, die m. E. wesentlich dazu dienen, in den Ländern Politik von außen zu machen. Auch mir erscheint seltsam, „dass ein und dieselben Länder binnen weniger Jahre auf OECD-Rankings gewaltige Sprünge nach oben oder unten machten.“
Im Übrigen kommt mir Ihr Kommentar im Gegensatz zu Reinhards geradezu nüchternen Worten „inbrünstig“ vor, wenn auch in objektiviertem Gewand. Sie sagen es zwar nicht ausdrücklich, suggerieren aber, dass Sie im Unterschied zu anderen weise formulieren und eigenes Nachdenken pflegen.
Mir fällt überdies auf, dass Sie die Ich-Form in Ihrem Kommentar scheuen, die doch die aufrichtigste und bescheidenste ist, die wir kennen. Sie besagt, dass es sich um persönliche Meinung ohne Wahrheitsanspruch handelt.
Sie treten gegenteilig auf und steigern Ihren Anspruch auf Rechthaben zusätzlich mit Respekt einflößenden Begriffen wie “Literacy-Begriff” oder „integrated science Ansätze“, die kaum einer versteht, darum aber umso besser geeignet sind, um sich als Kenner der Materie darzustellen und den eigenen Standpunkt als unumstößliche Wahrheit zu verkaufen.
Nein, Konfuzius, so wie Sie argumentieren und auftreten, ist nicht die Art, die mich überzeugen könnte.

Bernd
10 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Die Sache wird aber auch nicht besser, wenn man – offenbar ohne sich ernsthaft mit dem wissenschaftlichen Aufbau der PISA-Studie beschäftigt zu haben – Verschwörungstheorien streut. Wenn Sie der OECD „misstrauen“, dann misstrauen Sie auch der Bundesregierung – die (und 33 weitere demokratische Regierungen von Staaten wie Japan, Frankreich, den Niederlanden usw.) trägt und kontrolliert nämlich die Organisation. Mitunter ist es schon sinnvoll, sich mit Zusammenhängen zu beschäftigen, bevor man sich mit Kommentaren zu Wort meldet. Sonst ist die Erde weiter eine Scheibe.

Laura
10 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Gut, dass Sie sich laut indirekter Selbstdarstellung erst mit Zusammenhängen beschäftigen, bevor Sie einen Kommentar abgeben. Umso enttäuschender ist, dass Sie dann so gut wie nichts zur Sache sagen, sondern Ihre ganze Energie darauf verwenden, einem Meinungsgegner den Mund zu verbieten mit der Behauptung: Du hast sowieso keine Ahnung, halt also den Mund.
Wie wäre es eigentlich gewesen, wenn Frau Prasuhn in einem Pauschalsatz dem Kommentar von Konfuzius zugestimmt hätte? Hätten Sie dann auch so bissig und überheblich reagiert mit der Zurechtweisung , „sich mit Zusammenhängen zu beschäftigen, bevor man sich mit Kommentaren zu Wort meldet.“

Bernd
10 Jahre zuvor
Antwortet  Laura

Zu welcher Sache soll ich denn was sagen? Dass Frau Prasuhn etwas seltsam erscheint an der PISA-Studie? Das kann schon sein – ich vermag es nicht zu widerlegen. Der Anlass, weshalb Frau Prasuhn etwas seltsam erscheint an der PISA-Studie, müsste allerdings zur tieferen Erörterung mal konkretisiert werden: Wann hat welches Land innerhalb weniger Jahre in OECD-Rankings Sprünge gemacht? Dazu ließe sich dann bestimmt etwas sagen.

Laura
10 Jahre zuvor

Wenn Sie so viel Wert legen auf gutes Informiertsein, bevor man sich zu Wort meldet, müssten Sie doch um Finnlands deutliches Abrutschen und Schwedens Absturz im aktuellen Pisa-Ranking wissen. Nicht nur Finnland, sondern auch Schweden erlebte als Siegerland noch vor wenigen Jahren Besucheranstürme aus Deutschland, die hier ihre Lobgesänge auslösten, die bis heute wiederholt werden, auch wenn Schweden im aktuellen Ranking weit hinter Deutschland zurückgefallen ist und Finnland nur noch wenig besser ist.
Haben Sie sich mit diesen konkreten Beispielen etwa noch nicht beschäftigt?
Viel mehr interessiert mich jedoch eine andere Frage, die ich in meinem vorherigen Kommentar bereits gestellt habe, auf die Sie aber nicht eingegangen sind. Darum wiederhole ich sie:
„Wie wäre es eigentlich gewesen, wenn Frau Prasuhn in einem Pauschalsatz dem Kommentar von Konfuzius zugestimmt hätte? Hätten Sie dann auch so bissig und überheblich reagiert mit der Zurechtweisung , “sich mit Zusammenhängen zu beschäftigen, bevor man sich mit Kommentaren zu Wort meldet.” ?

Bernd
10 Jahre zuvor
Antwortet  Laura

Was ist denn an solchen Veränderungen so seltsam, dass deshalb die PISA-Studie nicht richtig sein kann? Die Finnen selber haben durchaus Erklärungen für ihren Absturz. Muss man nur googeln. So berichtet „Die Presse“:

„In allen drei getesteten Bereichen fiel das ehemalige Musterland zurück. Schulexperte Pasi Sahlberg begründet die Entwicklung damit, dass sich das Land untätig auf alten Lorbeeren ausgeruht habe: ‚Wir haben in den letzten zwölf Jahren keine systematische Führung oder Verbesserung der Schulen erlebt. Wir waren zu sehr beschäftigt, anderen zu erklären, warum wir so gut sind.

Die Schulverwaltung habe in den vergangenen fünf Jahren Verschlechterungen in Mathematik registriert – und nichts getan. Die guten Ergebnisse hatten stets damit zu tun, dass es im sozial ausgewogenen Land nur sehr wenige auffällig leistungsschwache Schulen gab. Wirtschaftlich geht es dem Land nun schlechter, der Sozialstaat wird beschnitten. ‚Steigende Einkommensunterschiede und finanzielle Engpässe in einigen Kommunen‘ wirken sich nun aus, so Sahlberg.“

Laura
10 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Wo bleibt Ihre Antwort auf meine Frage, die ich extra als als mir besonders wichtig bezeichnet habe? Sie ist mit einem einfachen JA oder NEIN zu beantworten, macht also keinen Arbeitsaufwand.
Erwartungsgemäß sind Sie ansonsten nur auf Finnland eingegangen und nicht auf den eklatanteren Fall Schweden.
Außerdem kenne ich ganz andere Erklärungen für das finnische Absacken, verstehe aber, dass Sie diese beiseite lassen. Würde mir an Ihrer Stelle vermutlich genauso gehen. Lassen wir also diese Sache.
Wie gesagt fehlt mir nur noch Ihre Antwort auf meine wichtigste Frage, die mit einem einzigen Wort zu beantworten ist. Ich denke, eine erneute Wiederholung des Wortlauts ist nicht nötig.

Aufmüpfer
10 Jahre zuvor

@Bernd vom 4. Dezember 2013 um 08:13
Sich misstrauisch zu Pisa bzw. der OECD zu äußern, läuft für Sie also auf mangelnde Informiertheit sowie das Streuen einer Verschwörungstheorie hinaus, von der angeblich auch unsere Bundesregierung betroffen ist.
Da fragt man sich doch, wer hier wohl der wissensarme Verschwörungstheoretiker ist.
Vielleicht erregt Sie dieser Ausschnitt aus einem österreichischem Kommentar etwas weniger:
„PISA liefert uns wenige Antworten, aber es ermöglicht Fragen“, hat Schwarz seinen Leitartikel betitelt. Der erste Teil des Satzes stimmt. Weder über die Qualität des Unterrichts noch über die Brauchbarkeit der Schulorganisation kann man aus den PISA-Resultaten Rückschlüsse ziehen. Einst war das „Gesamtschulland“ Finnland das von PISA gepriesene Paradies, jetzt ist es die Schweiz, bei der ein „differenziertes Schulsystem“ vorherrscht.
Umso putziger klang in diesem Zusammenhang das mindestens dreifach wiederholte Lob des PISA-Papstes Andreas Schleicher für die Neue Mittelschule, die seiner Meinung nach Österreichs PISA-Erfolg beförderte. Nichts gegen die Idee der Neuen Mittelschule, aber eine solche Aussage ist unglaubwürdige Propaganda. Mit ihr diskreditiert Andreas Schleicher sein eigenes Projekt.“

http://diepresse.com/home/meinung/quergeschrieben/rudolftaschner/1494364/Mehr-als-einen-Laendervergleich-liefern-die-PISAErgebnisse-nicht

Bernd
10 Jahre zuvor
Antwortet  Aufmüpfer

Natürlich darf man sich kritisch zu PISA äußern – aber ernst zu nehmen ist solche Kritik nur, wenn sie begründet wird. Kein Schüler kommt in einer Analyse damit durch, nur mal irgendwas zum „meinen“. Hier aber wird fröhlich drauflosgesülzt. Das kann ich auch: Sie, sehr geehrter Herr Aufmüpfer, sind in Wirklichkeit ein Alien-Spion vom Planeten X2D3, auf die Erde gesandt, um Zwietracht zu säen. Beweisen Sie mir mal das Gegenteil.

Bernd
10 Jahre zuvor
Antwortet  Aufmüpfer

Ergänzung noch zum Kommentar eben: Das, was Sie wiedergeben, Herr Aufmüpfer, ist doch keine Kritik an der PISA-Studie, sondern nur eine Kritik der Interpretation der PISA-Ergebnisse.

Ursula Prasuhn
10 Jahre zuvor

Andreas Schleicher als sog. „Pisa-Papst“ der OECD macht sich seit eh und je stark für die Gesamtschule und wird nicht müde, diese Schulform in den Himmel zu heben. Sein Credo beruht angeblich auf Resultaten der Pisa-Tests.
Dazu sei angemerkt, dass die Neue Mittelschule Österreichs zwar Integrierte Gesamtschule ist, doch Österreichs Pisa-Erfolg unmöglich befördern konnte – wie behauptet – , weil diese Schulform erst seit Herbst 2012 als Regelschule existiert und die NMS-Schüler noch gar nicht das nötige Alter haben, um an Pisa-Tests teilzunehmen.
Außerdem fällt auf, dass Herr Schleicher regelmäßig die Ergebnisse der länger existierenden Gesamtschul-Formen unter den Tisch fallen lässt. Warum eigentlich, wenn sie so positiv sind und seinen Behauptungen noch mehr Gewicht verleihen könnten?
Pisa-Tests taugen m. E. bestenfalls zu Leistungsvergleichen der Schüler in verschiedenen Ländern. Weitergehende Interpretationen der OECD-Vertreter beruhen mehr auf Ideologie als auf Beweisen und dienen der Beeinflussung einzelner Länder hinsichtlich ihrer Bildungs- bzw. Schulsysteme.
Dass hier auf Biegen und Brechen den Gesamt- bzw. Gemeinschaftsschulen das Wort geredet wird, ist kaum zu übersehen.