Online-Vorlesungen an Unis immer beliebter

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POTSDAM. Wissenschaftliche Seminare im Internet finden teilweise enormes Interesse. Mitunter sind es Zehntausende, die einzelne Kurse im Netz verfolgenBislang werden aber nur wenige Seminare von europäischen Hochschulen als Leistungsnachweis anerkannt. Die 28-jährige Medienwissenschaftlerin Christina Maria Schollerer führt für die Fachhochschule (FH) Potsdam durch das englischsprachige Seminar «The Future of Storytelling», mit rund 80.000 Teilnehmern eine der größten Online-Vorlesungen.

Ihr Online-Kurs zur Zukunft des Erzählens dauert acht Wochen. Schalten viele Studenten da nicht irgendwann ab?

Das ist eine Herausforderung, denn die Aufmerksamkeitsspanne im Internet ist tatsächlich sehr kurz. Deshalb haben wir mehr Spaß in die Lehre gebracht. Unser MOOC (Massive Open Online Course) besteht aus Videoclips, Quizfragen und Diskussionsforen. Die Filme sind jeweils nur ein paar Minuten lang – das wird angenommen. Eine 90-minütige Vorlesung würde online nicht gesehen.

Sind leere Hörsääle die Zukunft der Lehre? Online-Seminare bieten jedenfalls einige Vorteile. Foto: Reingestalter / Flickr (CC BY-NC 2.0)
Sind leere Hörsääle die Zukunft der Lehre? Online-Seminare bieten jedenfalls einige Vorteile. Foto: Reingestalter / Flickr (CC BY-NC 2.0)

Wie viele der 82 500 Teilnehmer beteiligen sich aktiv an dem Kurs?

Exakt lässt sich das nicht erfassen. Unsere 40 Videos wurden aber bislang eine Million Mal angesehen, bei Facebook verfolgen 20 000 Menschen unsere Mitteilungen. Rund 1000 Teilnehmer erledigen auch die kreativen Aufgaben, drehen Videos und schreiben Texte. Das ist der Kern, der dem Seminar regelmäßig folgt.

Was ist der größte Unterschied zwischen einem Präsenzseminar und einem MOOC?

Die Wiederholbarkeit. Einen Online-Kurs kann ich mehrmals hintereinander schauen, wenn ich den Inhalt nicht sofort verstehe. Ich kann das Wissen aber auch in drei Jahren noch mit ein paar Klicks wieder auffrischen. Passe ich im Hörsaal mal nicht richtig auf, ist die Chance vertan und der Vortrag geht weiter.

Welche Auswirkungen hat das neue Format auf die Lehre?

Unser Ziel ist es, die Leute dazu zu animieren, selbst aktiv zu werden. Die Dozenten sind nicht mehr die Wächter des Wissens, sondern liefern Anregungen, die die fachliche Diskussion mit den Studenten aus aller Welt antreiben sollen. Für mich als Wissenschaftlerin ist dieser Austausch ein unfassbar wertvoller Schatz.

In den USA sind MOOCs bereits etabliert. Hat Deutschland Nachholbedarf?

Ja, aber die Gründe dafür sind zwiespältig: Einerseits haben viele Institute in den USA finanziell und personell größere Kapazitäten. Andererseits sind MOOCs in Deutschland auch deshalb weniger nachgefragt, weil die Zugangshürden zur Bildung ohnehin geringer sind.

Ihr Kurs erreicht allein mehr als 20 Mal so viele Menschen wie alle Präsenzkurse der FH Potsdam zusammen. Sind MOOCs für kleinere Institute eine Chance, sich gegen namhafte Universitäten durchzusetzen?

Wir haben den Kurs nicht gemacht, um die Reichweite der Hochschule zu vergrößern und so groß wie Stanford zu werden. Es ist aber wichtig, dass die Wissensvermittlung nicht monopolisiert wird. Dazu können MOOCs beitragen.

(Interview: Christopher Weckwerth, dpa)

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