Zusatzfutter für Hochbegabte: Das Kinder-College in Neuwied

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NEUWIED. Es ist Samstagvormittag, dennoch herrscht auf dem Gelände der Carmen-Sylva-Schule in Neuwied-Niederbieber reges Treiben. Kinder und Eltern strömen zum Eingang des Gebäudes. Wie jeden zweiten Samstag bietet das Kinder-College in Wochenendkursen hochbegabten Kindern und Jugendlichen eine Förderung ergänzend zu Schule und Kindergarten an. Auch Familiennachmittage, Vorträge sowie Seminare für Eltern oder Beratungen für Schulen gibt es hier.

Das Projekt zählt in Rheinland-Pfalz zu einem der ersten, was die Förderung hochbegabter Kinder anbelangt. Im Jahr 2000 gründete Helga Thieroff das Kinder-College, nach wie vor ist sie die Leiterin. «Wir sind sehr frei in unserem Angebot für die Schüler und wollen kein Schubladendenken oder strukturiertes Lernen wie in der Schule», erklärt Thieroff, die mittlerweile mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Förderung und Diagnose hochbegabter Kinder hat.

Zurzeit sind etwa 700 Schüler angemeldet, aus einem Einzugsgebiet von Aachen im Norden bis Worms im Süden. Kürzlich wurde der 15 000. Teilnehmer gezählt. Für Thieroff ist klar erkennbar, dass der Bedarf an Hochbegabtenförderung in den vergangenen Jahren zugenommen hat. «Das Thema wird in der Öffentlichkeit und auch politisch breiter diskutiert, sodass auch mehr Leute angesprochen werden», sagt sie.

Auch im rheinland-pfälzischen Bildungsministerium weiß man die Arbeit in Neuwied zu schätzen. Das Kinder-College sei eine wertvolle Ergänzung des Bildungsangebots für besonders begabte Kinder und Jugendliche und werde daher seit mehr als zehn Jahren auch mit Landesmitteln gefördert. In den letzten Jahren seien aber auch viele weitere Einrichtungen für die Hochbegabtenförderung entstanden.

Hinzugekommen seien etwa vier Schulen für die Hochbegabtenförderung an rheinland-pfälzischen Gymnasien sowie die Angebote der Kinder-Uni. Zudem schreite der Ausbau der «Entdeckertag-Grundschulen» mit Sonderangeboten für hochbegabte Kinder voran. Dadurch habe sich die landesweite politische Bedeutung des Neuwieder Kinder-Colleges verändert, in seiner Art sei es aber nach wie vor einmalig.

Die Hochbegabtenförderung wird allerdings nicht nur positiv bewertet. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Klaus-Peter Hammer, sieht Verbesserungsbedarf. «Durch die Förderung hochbegabter Kinder in der Schule, wie es zum Beispiel an vier Gymnasien in Rheinland-Pfalz der Fall ist, wird quasi zwischen den Kindern eine Extra-Klasse aufgemacht», sagt er. «Die dadurch entstehende und für alle sichtbare Untergliederung in „Begabt“ und „Hochbegabt“ ist jedoch kritisch zu betrachten.» Bei einer außerschulischen Förderung hingegen, wie beim Kinder-College, sei dies weniger der Fall.

Unterrichtsmaterialien, Dozentenhonorare und sonstige Kosten finanziert das Kinder-College über Gebühren für Kurse. Dank der Unterstützung des Landes können für Kinder aus sozial bedürftigen oder kinderreichen Familien geringere Gebühren erhoben werden oder sie entfallen komplett. Für Thieroff ist bei einem guten Dozenten nicht der pädagogische Hintergrund allein entscheidend: «Viele der Dozenten kommen aus der Wissenschaft, Industrie oder Forschung.» Richtige Lehrer aus der Schule gebe es nur wenige. Über pädagogische Erfahrung verfügen die Dozenten aber gleichwohl.

Derzeit bietet das College rund 80 Kurse aus allen möglichen Fachbereichen an – von Astronomie bis Zoologie. Die Kinder können selbst wählen und entscheiden, ob sie gerne eine Sprache lernen, sich im Kunstatelier ausprobieren oder einen technischen Kurs besuchen möchten. Im Schnitt besucht ein Kind drei bis vier verschiedene Kurse im Semester. Passt es nicht, weil das Niveau im Kurs zu hoch oder niedrig erscheint, ist ein Wechsel kein Problem. Das weiß auch die zehnjährige Meij, die in diesem Semester das Kunstatelier ab neun Jahren besucht: «Ich war schon einmal in einem anderen Kunstkurs, aber der war mir zu einfach. Hier gefällt es mir jetzt besser.»

Weniger praktisch geht es in einem der fortgeschrittenen Philosophiekurse zu. Statt Frontal-Unterricht gleicht er eher einer Unterhaltung, durch die Dozent Eberhard Krumm führt. Schüler und Dozent sitzen in einem Kreis. Für Krumm ist das Besondere am Konzept des Kinder-College, dass Kinder an ihrem freien Tag freiwillig kommen und sich Kurse frei aussuchen können. «Die Begabung der Kinder liegt viel mehr in der Begeisterung, als in dem Wert ihres IQs.», sagt er. Von KATRIN HADAMIK, dpa

Hier geht es zur Seite des Kinder-Colleges.

 

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