Albig boxt Schulreform durch – der Norden bekommt ein zweigliedriges System

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KIEL. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) pflügt die Schullandschaft in seinem Bundesland um. Das bekommt zum Schuljahr 2014/2015 nämlich ein zweigliedriges Schulsystem. Der Landtag beschloss mit den Stimmen von SPD, Grünen und SSW die umstrittene Schulreform. Nach der Grundschule folgen künftig nur noch Gymnasien und Gemeinschaftsschulen.

Sorgt für umfassende Schulreformen in Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Foto: Arne List / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Sorgt für umfassende Schulreformen in Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Foto: Arne List / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die Schulreform in Schleswig-Holstein tritt zum Beginn des Schuljahres 2014/2015 im August in Kraft. Das neue Schulgesetz werde die Chancengleichheit signifikant erhöhen, sagte Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos). Nie zuvor sei eine Bildungsreform in einem so umfassenden Dialog erfolgt. Kern der Schulreform ist die Einführung eines zweigliedrigen Schulsystems. Nach der Grundschule folgen Gymnasium oder Gemeinschaftsschule. Die bisherigen Regionalschulen im Land werden entweder in Gemeinschaftsschulen umgewandelt oder aufgelöst. Mehr Entscheidungsfreiheit erhalten die Eltern. Die verbindliche Schulartempfehlung nach Klasse vier wird durch ein Beratungsgespräch ersetzt.

«Mit dem neuen Schulgesetz haben wir nach nur anderthalb Jahren Regierungszeit einen Meilenstein gesetzt», sagte Wende. Die Änderungen seien im Interesse der Schüler erfolgt. «Wir werden künftig eine klar strukturierte Schullandschaft haben. Damit führen drei gleichwertige, aber nicht gleichartige Wege zum Abitur.» Gemeint sind Gemeinschaftschulen, klassische und berufliche Gymnasien. Sie wünsche sich künftig Stabilität in den Schulstrukturen. Wende verteidigte die Abschaffung der Regionalschule. «Die Eltern haben längst mit ihren Füßen abgestimmt. Regionalschulen sind bis auf wenige Ausnahmen nicht angenommen worden», sagte die Bildungsministerin.

Die Opposition lehnte das Gesetz in der namentlichen Abstimmung geschlossen ab. «Dieses Schulgesetz ist das Ergebnis eines monatelangen Pseudodialoges», kritisierte CDU-Fraktionschef Johannes Callsen. Die Bildungsministerin rede vom Schulfrieden, greife tatsächlich aber tief in die Schulstrukturen ein. Schüler und Lehrer würden zu mehr gemeinsamem Lernen verdonnert. Erreicht werde damit einzig eine Absenkung des Bildungsniveaus. Callsen sprach von «menschenverachtender Bildungspolitik».

CDU und auch FDP fürchten, dass die Gymnasien im Land in ihrer Existenz bedroht sind. «In Wahrheit ist dieses Schulgesetz darauf ausgelegt, möglichst lautlos die Einheitsschule in Schleswig-Holstein einzuführen», sagte Callsen. Jedes Kind brauche andere Förderung, das könne keine Einheitsschule leisten. «Sie wollen Gleichmacherei statt Leistung, sie wollen die Gymnasien schwächen.» Die FDP-Abgeordnete Anita Klahn warf der Koalition vor, die Schulen in ein starres Korsett zu zwängen. Die Abschaffung der Wahlfreiheit der Gymnasien zwischen G8 und G9 belege die Angst der Regierungsfraktionen, dass Gemeinschaftsschulen nicht besucht würden, wenn es G9-Gymnasien in ihrer Nähe gebe, sagte Klahn.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner sieht in den Änderungen dagegen die Grundlage für einen Schulfrieden im Land. «Dieses Schulgesetz ist etwas ganz Besonderes», sagte er. So viel Konsens wie bei dieser Gesetzesänderung habe es nie gegeben. «Eltern und Schüler wissen wir auf unserer Seite.» Ziel sei es, dass künftig mehr Kinder Abitur machen. Deshalb gebe es mehr Oberstufen. Die Vorwürfe der Opposition wies er zurück: «Das ist keine Anti-Gymnasium-Politik.»

Die Grünen-Bildungspolitikerin Anke Erdmann betonte, «in der großen Linie ist dieses Schulgesetz breit getragen». Das belegten die im Vergleich zur Schulreform von Wendes Vorgänger Ekkehard Klug (FDP) verhaltenen Reaktionen, sagte sie und verteidigte den ebenfalls umstrittenen Wegfall der Schulartenempfehlung nach Klasse vier. Schon jetzt hätten 80 Prozent der Kinder eine Real- oder Gymnasial-Empfehlung. Lehrer müssten sich besonders um Kinder kümmern, die keine Gymnasial-Empfehlung hätten. dpa

Zum Bericht: Philologen: „Das Ende des Gymnasiums wird eingeläutet“

 

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