Verbesserte Lage oder Schönfärberei? Streit um Unterrichtsversorgung in Baden-Württemberg

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STUTTGART. Die Unterrichtsversorgung in Baden-Württemberg schlägt erneut hohe Wellen: Nach der jüngsten Bilanz werfen sich Regierung und Opposition gegenseitig vor, die Lage falsch einzuschätzen. Kultusminister Stoch will nicht „in Hellbau oder Rosa malen“.

Die Unterrichtsversorgung an den Südwest-Schulen sorgt einmal mehr für Zündstoff: Kultusminister Andreas Stoch (SPD) sprach in Stuttgart von einer deutlich verbesserten Lage. Der Lehrer-Verband VBE, die CDU und die FDP im Landtag werfen ihm dagegen Schönfärberei vor. Die Versorgung sei an den Grund-, Haupt-, Real-, Werkreal- und Sonderschulen keinesfalls zufriedenstellend.

Nennt die Zahl von 11.600 bis 2020 zu streichenden Lehrerstellen «schwierig: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch. Foto: Ra Boe / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)
Nennt die Zahl von 11.600 bis 2020 zu streichenden Lehrerstellen «schwierig: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch. Foto: Ra Boe / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Dagegen lobte Stoch, dass das bereits im Stundenplan einkalkulierte sogenannte strukturelle Defizit an den beruflichen Schulen auf einen historischen Wert gesunken sei. Der Unterrichtsausfall an dieser Schulart reduzierte sich von 4,4 Prozent im Schuljahr 2010/2011 wegen einer Rekordeinstellung auf derzeit 2,2 Prozent.

Auch an den Sonderschulen sei das Defizit geringer geworden, sie seien aber immer noch das «Sorgenkind» und die «eigentliche Herausforderung». Dort würden derzeit noch 300 bis 500 Lehrer gebraucht. Die CDU warf Stoch statistische Tricks vor, um das Defizit kleinzurechnen. Dagegen freute sich Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle über zusätzliche Stellen an den beruflichen Schulen; sie zeigten, dass Grün-Rot die allgemeine und berufliche Bildung endlich als gleichwertig betrachte.

Stoch betonte: «Einsparungen im Bildungsbereich dürfen auch künftig nicht zulasten der Qualität gehen.» Deshalb sei auch die von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) genannte Zahl von 11.600 bis 2020 zu streichenden Lehrerstellen «schwierig». Die daraus resultierenden Abbauschritte entsprächen nicht dem erwartbaren Schülerrückgang.

Die Ziele Haushaltskonsolidierung und gute Zukunft des Landes aufgrund hervorragender Bildung müssten sorgsam gegeneinander abgewogen werden. Zudem müssten der Ausbau der Ganztagsschule und die Einbeziehung behinderter Schüler in den Regelschulen gestemmt werden. Die Lehrergewerkschaft GEW hält die Versorgung mit Ausnahme der Grund- und Sonderschulen für ordentlich, aber verbesserungsfähig. Für diese würden die rechnerisch freiwerdenden Stellen gebraucht.

Der Minister erläuterte, dass eine im Schnitt flächendeckende Sicherung des Pflichtunterrichts an den Grund-, Haupt, Werkreal-, Realschulen und Gymnasien lokale und regionale Unterrichtsausfälle nicht ausschließe. «Ich möchte nicht in Hellblau oder Rosa malen.» Vor allem in ländlichen Regionen sei es schwer, Krankheitsvertreter zu finden.

Grund der positiven Entwicklung ist laut Stoch die Abordnung von mehr als 700 Lehrern aus Grund-, Haupt- und Werkrealschulen an Real-, Berufs- und Sonderschulen sowie an Gymnasien. Zudem sei die Zahl der Krankheitsvertreter seit 2011 um 400 auf derzeit 1700 erhöht worden. In den oft als Steinbruch für den Pflichtunterricht benutzten Ergänzungsbereich sind fünf Millionen Euro aus dem Haushalt für Krankheitsvertretungen geflossen. Diesen mit 65 Millionen Euro dotierten Topf für Krankheitsvertreter habe es unter der Vorgängerregierung nicht gegeben.

Die Schließung von Kleinklassen an beruflichen Schulen habe weitere 70 Deputate eingespart. Zeitgleich mit gestärkten Krankheitsvertretungen sei auch die Überstunden-Bugwelle der Lehrer an beruflichen Schulen und Gymnasien stark verringert worden.

Stoch verspricht sich von einer neuen Software schnellere Reaktionen auf Krankheitsfälle. Auch veränderte Schülerströme, etwa wegen Wegfalls der verbindlichen Grundschulempfehlung, seien jetzt besser abzusehen. Die Schülerprognose des Statistischen Landesamtes von 2010 bilde grün-rote Reformen nicht ab. So unterscheide sich die Vorhersage für 2013/14 von der realen Zahl 1.397.900 um 36.000 Schüler – dies entspreche einem Delta von 1800 Lehrerstellen. JULIA GIERTZ, dpa

 

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