Also doch: Seehofer hat Streichungen von Lehrerstellen seit Längerem geplant

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MÜNCHEN. Der bayerische Kultusminister Spaenle zog sich vergangene Woche den Zorn seines Chefs Seehofer, zu – weil Spaenle Stellenstreichungen offen zugab. Doch Bayerns Ministerpräsident ist an der «Kommunikationskatastrophe» maßgeblich beteiligt.

Die Staatsregierung hatte Streichungen schon lange fest eingeplant, bevor Seehofer versprach, dass es keine solchen Kürzungen geben werde. Foto: blu-news.org / flickr (CC BY-SA 2.0)
Die Staatsregierung hatte Streichungen schon lange fest eingeplant, bevor Seehofer versprach, dass es keine solchen Kürzungen geben werde. Foto: blu-news.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

Es sind vermutlich die bisher unglücklichsten Tage in der sechsjährigen Amtszeit von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Ministerpräsident Horst Seehofer hat den Münchner CSU-Bezirksvorsitzenden einer «Kommunikationskatastrophe» beschuldigt. Denn Spaenle gab die geplante Streichung von Stellen in der Lehrerschaft offen zu – statt die großen Mehrinvestitionen der vergangenen Jahre in Schulen und Hochschulen herauszustellen.

Doch ein Blick in den Stellenplan des Kultusministeriums legt nahe, dass Seehofer an der «Kommunikationskatastrophe» maßgeblich beteiligt ist. Denn Seehofer sagte im Wahlkampf nicht die ganze Wahrheit. Das CSU-Wahlprogramm war von vornherein irreführend formuliert. Der gescholtene Kultusminister zahlt dafür nun die Zeche.

Im Wahlkampf betonte Seehofer mehr als einmal, dass auch bei sinkenden Schülerzahlen frei werdende Lehrerstellen erhalten bleiben sollten. Im CSU-Wahlprogramm «Bayernplan» hieß es: «Wir garantieren vielmehr den bayerischen Schulen, dass auch bei sinkenden Schülerzahlen die frei werdenden Lehrerstellen vollständig im Bildungssystem verbleiben.»

Der Doppelhaushalt 2013/14 zeigt aber: Die Staatsregierung hatte Streichungen schon lange fest eingeplant, bevor Seehofer versprach, dass es keine solchen Kürzungen geben werde. Denn das Budget für 2013/14 verabschiedete der Landtag bereits im Dezember 2012.

Dort ist auf Seite 383 des Spaenle-Etats nachzulesen, dass die Zahl der Lehrerplanstellen von 87.402 im Jahr 2014 auf 86.626 zurückgehen sollte – ein Minus von 776 Stellen. Aufgestockt wurde zwar andererseits das sogenannte «Personalsoll B» für Lehrer mit Zeitverträgen ohne volle Planstelle – aber auch nur um 360 Pädagogen. Ein Lehrerminus war also von vornherein eingeplant. «Da war die CSU nicht ehrlich, weil sie die Dinge bewusst schöner gefärbt hat, als sie sind», wirft Grünen-Bildungsexperte Thomas Gehring der CSU vor.

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Auch neuere Zahlen zeigen, dass an einen vollständigen Erhalt der Lehrerstellen nicht gedacht ist. In einer Antwort des Finanzministeriums vom 10. Januar auf eine Anfrage der Landtags-SPD ergibt sich ein Nettominus von 401 Lehrern.

Die Staatsregierung setzt nun mit mehreren Jahren Verspätung einen Plan aus der Stoiber-Ära um: die allmähliche Verschiebung von Lehrerstellen an die Hochschulen. Denn schon damals war absehbar, dass die Schülerzahlen stark sinken, die Studentenzahlen hingegen stark steigen würden. Dieser Plan wurde vom Finanzministerium auch niemals beerdigt, lediglich Jahr um Jahr verschoben. Aber Seehofer tat im Wahlkampf so, als wolle er die Lehrerstellen voll erhalten.

Wie viele Lehrerstellen nun tatsächlich wegfallen werden, ist nach wie vor unklar. «Wir fordern eine Offenlegung, in welchen Schulbereichen bis wann welche Lehrerstellen gestrichen, verlagert, im Ministerium hin und her geschoben oder auf Eis gelegt werden sollen», sagt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. «Wir wollen die Entwicklung bis zum Jahr 2020 wissen.»

Spaenle sprach vor einer Woche von 830 Stellenstreichungen, Finanzminister Markus Söder dagegen nur von 196. Tatsächlich würde gemessen an der Gesamtzahl der über 86.000 Lehrerstellen in Bayern sogar ein Minus von 800 Lehrerstellen eher gering ins Gewicht fallen. Aber jeder Schüler weiß, dass im Mathematikunterricht «fast vollständig richtig» nicht das Gleiche ist wie «vollständig richtig». Und geringfügige Kürzungen sind nicht das Gleiche wie der vollständige Verzicht auf Stellenstreichungen. dpa

Zum Bericht: Seehofer rüffelt Spaenle: Kein Wahlbetrug – sondern Kommunikationsproblem

 

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DMB Dresden
10 Jahre zuvor

Wundert sich tatsächlich noch jemand über Seehofer und seine Lügen?
Ich glaube, das würde sogar ihn selbst wundern.