Abstimmung mit den Füßen spaltet die Regierung – Run auf G9–Züge im Südwesten

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STUTTGART. An 44 Modellschulen können Eltern in Baden-Württemberg zwischen dem Abitur nach 12 oder nach 13 Jahren wählen. Über 90 Prozent entscheiden sich für den längeren Weg. Die Landesregierung will aber noch mindestens bis 2016 an G8 festhalten und ist innerlich gespalten.

Der Run auf neunjährige Gymnasialzüge im Südwesten verstärkt sich. Nach einer Sondererhebung an den 44 G9-Modellschulen wählten 92 Prozent der Schüler den längeren Weg zum Abitur. Insgesamt wurden 5738 Schüler angemeldet, davon 5261 für einen neunjährigen Zug, teilte das Kultusministerium am Freitag in Stuttgart mit. Nur 477 Kinder entschieden sich für einen parallel angebotenen achtjährigen Zug, der aus Sicht vieler Eltern die Schüler überfordert und ihnen zu wenig Freizeit lässt.

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Wo Eltern die Wahl haben entscheiden sie sich mit überwältigender Mehrheit für die längere Abiturzeit. Foto: twicepix / flickr (CC BY-SA 2.0)

Damit hat der Anteil der Eltern, die ihre Kinder an 44 Schulen für G9 angemeldet haben, nochmals zugenommen: Im Jahr 2013 betrug er 90 Prozent. Die SPD ist für eine Ausweitung des Modellversuchs, die Grünen sind dagegen. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hatte die Zahl von 120 G9-Modellschulen ins Gespräch gebracht. Das wären mehr als ein Viertel aller Gymnasien.

Zuletzt hatte Grün-Rot sich auf den Kompromiss geeinigt, bis zum Ende der Legislatur am achtjährigen Gymnasium festzuhalten, ab 2016 aber möglicherweise Korrekturen anzubringen. Der Städtetag plädierte für die Wiedereinführung von G9, auch wenn der Verband ursprünglich nicht für ein Abweichen von den einmal eingeführten achtjährigen Gymnasien gewesen sei. Wenn das Land bei der partiellen Rückkehr zu G9 aber mit dem Elternwillen argumentiere, sei es nicht konsequent, diesem nur an bestimmten Standorten gerecht zu werden, meinte Städtetagspräsidentin Barbara Bosch.

Dagegen sprach sich der Landkreistag gegen mehr neunjährige Züge aus. Verbandspräsident Joachim Walter erinnerte daran, dass mit den beruflichen Gymnasien an 220 Standorten im Land der längere Weg zum Abitur möglich sei. Diese Schulen seien auch von Grün-Rot in den vergangenen beiden Schuljahren um 150 Eingangsklassen ausgebaut worden.

Die neuen Zahlen zum Übergang auf die neunjährigen Gymnasien fallen in die Zeit bundesweiter Diskussionen über das sogenannte Turbo-Abitur. Niedersachsen hatte kürzlich als erstes Bundesland erklärt, das Abitur in acht Jahren (G8) wieder abschaffen zu wollen. Auch in Bayern wurde ein Flexi-Jahr eingeführt, das einen Weg für 13 Jahre zum Abitur ebnet.

An acht der 44 Gymnasien meldete sich bei dieser Runde kein einziger G8-Interessent. An zahlreichen anderen waren die Zahlen so gering, dass die Mindestschülerzahl pro Klasse von 16 deutlich unterschritten wird.

Das Ministerium teilte mit, zum jetzigen Zeitpunkt stehe noch nicht fest, wie viele G9- und G8-Klassen letztlich jeweils an den 44 Modellschulen im kommenden Schuljahr eingerichtet würden. Die Gymnasien prüften nun gemeinsam mit der Schulverwaltung die Möglichkeiten. Es zeichne sich jedoch ab, dass erneut einige Standorte komplett auf G9 umstellen werden. Dies stelle kein Problem dar. Bei anderen Gymnasien mit sehr wenigen Anmeldungen für G8 sei noch nicht entschieden, ob sie im kommenden Schuljahr für die 5. Klasse nur G9 anbieten oder ob sie auch eine G8-Klasse einrichten werden. (dpa)

zum Bericht: Zurück in die Zukunft: Kultusministerin Heiligenstadt beerdigt G8 in Niedersachsen bis 2015/2016

zum Bericht: Wie G8 die Spaltung der deutschen Schullandschaft vertieft

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