Auszubildende: Tim bekommt das Bewerbungsgespräch – Hakan hat es schwerer

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BERLIN. Jugendliche mit türkischem Vornamen haben schlechtere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt – auch wenn sie genauso gut qualifiziert sind wie deutsche Bewerber. Das belegt eine Studie. Die Autoren empfehlen anonyme Bewerbungen. Ob damit die Probleme gelöst werden?

Sie haben beide gute Noten, während eines Praktikums schon in den Beruf geschnuppert und machen bald denselben Abschluss – und doch wird der eine häufiger zu Bewerbungsgesprächen eingeladen als der andere. Der Grund liegt für die Autoren einer aktuellen Untersuchung auf der Hand: Der erfolgreichere Bewerber heißt Tim, der andere Hakan.

«Wir haben es in Deutschland mit einem ernsthaften Diskriminierungsproblem zu tun», sagte Studienleiter Jan Schneider vom Forschungsbereich beim Sachverständigenrat Deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Jetzt stellte die Einrichtung ihre Studie, die von der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wurde, in Berlin vor.

Die Wissenschaftler wollten herausfinden, ob es für Jugendliche mit türkischem Namen schwieriger ist einen Ausbildungsplatz zu finden als für Jugendliche mit deutschem Namen. Sie verschickten mehr als 3500 Bewerbungen an gut 1750 Unternehmen. Jede Firma bekam zwei Versionen: Ein Jugendlicher hatte einen türkischen, der andere einen deutschen Namen.

Außerdem beschränkten sich die Forscher auf zwei Berufe: Automechaniker und Bankkaufmann. Für den Büro-Job erfanden sie die Bewerber Lukas Heumann und Ahmet Aydin. Für die Mechaniker-Stellen schickten sie Tim Schultheiß und Hakan Yilmaz ins Rennen.

Das Ergebnis: Automechaniker Hakan musste sieben Bewerbungen verschicken, bis er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde – bei seinem Konkurrenten Tim waren es nur vier. Bürokaufmann Lukas erhielt nach sechs Bewerbungen eine Einladung, Ahmet nach sieben.

Auszubildende sollten die gleichen Chancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft, fordern die Forscher. (Foto: ME-Arbeitgeber/Flickr CC BY 2.0)
Auszubildende sollten die gleichen Chancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft, fordern die Forscher. (Foto: ME-Arbeitgeber/Flickr CC BY 2.0)

Dabei bringen Lukas und Ahmet beziehungsweise Tim und Hakan dieselben Voraussetzungen mit. Sie sind 16 Jahre alt, deutsche Staatsangehörige, machen demnächst den Realschulabschluss und können ein Praktikum in der jeweiligen Branche vorweisen. Die Anschreiben waren nicht vollkommen identisch, aber gemeinsam mit Berufsberatern so formuliert, dass kein Bewerber einen erkennbaren Vorteil hatte.

«Die Studie belegt: Menschen mit Migrationshintergrund werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt nachweislich benachteiligt», resümiert die Leiterin des Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders.

Die Autoren der Studie befürworten daher die anonyme Bewerbung. Sie sei ein sehr gutes Mittel gegen Benachteiligung, betont auch ADS-Leiterin Lüders. Bereits 2011 testeten acht Arbeitgeber, darunter Deutsche Post und Telekom, in einem Pilotprojekt der ADS diese Art von Bewerbung. Die Anschreiben und Lebensläufe enthielten keine Fotos oder Angaben wie Name, Alter, Geschlecht. So sollte verhindert werden, dass Ausländer, Alte und Mütter kleiner Kinder vorzeitig ausschieden.

Ob allein die anonyme Bewerbung der ungleichen Auswahl ein Ende setzt, ist jedoch fraglich. Ein Blick in die Ausbildungsstatistik zeigt: Nicht einmal 30 Prozent der ausländischen Bewerber mit mittlerem Schulabschluss konnten 2011 einen Ausbildungsplatz ergattern – unter den deutschen Bewerbern waren es fast 50 Prozent.

Studienleiter Schneider kennt das Problem. «Wir haben die Diskriminierungsbaustelle und die Bildungsbaustelle», sagt er und warnt: In Zukunft werde es immer weniger Bewerber auf Ausbildungsplätze geben. «Die deutschen Betriebe können es sich gar nicht leisten, zu diskriminieren.» Anita Hirschbeck/dpa

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