Erstmals nachgewiesen – wie der Ex-Diktator Rumäniens Braunbären für die Jagd züchtete

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GELNHAUSEN/FRANKFURT. Eine genetische Studie an Braunbären im Balkangebirge und in den Rhodopen in Bulgarien zeigt, dass hier Bären vorkommen, deren Vorfahren aus den Karpaten stammen. Offenbar hatte der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu (1918-1989) sie einfliegen lassen, wie eine Legende erzählt. Wissenschaftler haben jetzt genetische Belege für diese Theorie gefunden.

Zur Zeit des Sozialismus waren einige der osteuropäischen Regierungschefs besessene Bärenjäger. Der rumänische Diktator Nicolae Ceausescu (1918-1989) soll weit über 1000 Bären erlegt haben, die ihm von Helfern regelrecht vor die Flinte getrieben wurden. Ceausescus Bären wurden zu Jagdzwecken auch in Zuchtgehegen gepäppelt, um immer Nachschub für die Jagdleidenschaft des Staatschefs zu haben.
Die Tiere wurden angeblich sogar für die internationalen Beziehungen zu befreundeten Machthabern genutzt. So wird in Rumänien und Bulgarien erzählt, dass die mächtigen Karpatenbären zur Blutauffrischung des dortigen, kleineren Bärenbestandes von Militärflugzeugen nach Bulgarien gebracht und dort in eigens errichteten Stationen bis zur Aussetzung gehalten wurden. Tatsächlich konnte die Existenz einer dieser Stationen jetzt belegt werden. Passenderweise liegt diese exakt in einer Gegend, in der Forscher mehrere genetische Karpatenbären gefunden wurden.

Seit 2009 haben die Wissenschaftler über 200 Kot- und Haarproben von Bären gesammelt und über genetische Analysen die Individuenanzahl in einem Gebiet sowie den regionalen Isolationsgrad bestimmt. Bei den Verwandtschaftsanalysen fiel den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein ungewöhnliches Muster auf: In drei Regionen im nördlichen Balkangebirge sowie den südlicheren Rhodopen fanden sie Material, das genetisch nicht zu den übrigen Proben passte. Einige Bären wiesen scheinbar keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Bären im Land auf. Woher kommen diese Bären oder woher stammen ihre Vorfahren?

Die Lösung des Rätsels fand das Team, als sie die „Ausreißer“ mit DNA-Profilen von Bären aus weiter entfernten Regionen verglichen: Alle Proben passten statistisch zur Bärenpopulation in den rumänischen Karpaten. Dazwischen liegen mehrere hundert Kilometer.

Bären können tatsächlich sehr weit wandern. Aber: „Wir können zwar die Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen, dass ein Wanderkorridor zwischen den Karpaten und der Balkanregion und somit eine natürliche Ausbreitung auf dieser langen Strecke möglich ist“, erläutert Forschungsleiter Carsten Nowak, „aber die geografische Entfernung der genetischen „Ausreißer“ zum einzigen möglichen Wanderkorridor machen den Luftweg sehr viel wahrscheinlicher.“

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Im Kormisosh-Auswilderungs-gehege in Bulgarien werden auch heute noch Bären gehalten. © Aleksandar Dutsov, Balkani Wildlife Society.
Im Kormisosh-Auswilderungs-gehege in Bulgarien werden auch heute noch Bären gehalten.
© Aleksandar Dutsov, Balkani Wildlife Society.

Damit ist eine kuriose Legende über zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa bestätigt: „Luftverbreitung“ kommt nicht nur bei Pflanzen, Insekten und Vögeln, sondern gelegentlich auch bei Bären, den größten Landraubtieren der Erde, vor.
Im Übrigen konnte trotz intensiver Recherche bis heute kein einziges schriftliches Dokument über die Bärentranslokation gefunden werden, die nach Angaben von Zeitzeugen unter strenger Geheimhaltung erfolgte. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Senckenberg Fachgebietes Naturschutzgenetik veröffentlichten in der Zeitschrift „Conservation Genetics“ gemeinsam mit rumänischen und bulgarischen Naturschutzorganisationen sowie der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt damit den ersten Beleg für die legendäre Geschichte.

Der Braunbär ist in Europa eine stark bedrohte Art. Während die großen Beutegreifer im Westen des Kontinents bereits weitgehend ausgerottet wurden, existieren in Russland, den Karpaten und in den Gebirgsregionen auf dem Balkan noch größere Populationen. nin

Publikation

Nowak, C.; Domokos, C.; Dustov, A.; Frosch, C.: Molecular evidence for historic long-distance translocations of brown bears in the Balkan region; 2014, Conservation Genetics.
dx.doi.org/10.1007/s10592-014-0570-7

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Antonietta
10 Jahre zuvor

– Die Jagd schadet dem Gleichgewicht der Natur
– Durch die Jagd steigt die Überpopulation der Wildscheine & andere Waldtiere immer weiter:
– Familienverbände werden auseinandergerissen, worauf die Wildschweine mit vermehrter Fortpflanzung reagieren
– Durch das Ausstreuen von Nahrung werden die Waldtiere angeregt sich noch mehr zu vermehren
– Die Bejagung des Fuchses führt zur Flucht und damit zur Ausbreitung von Tollwut
– Alle wesentlichen von der Jägerschaft genannten Gründe für die Jagd sind heute wissenschaftlich widerlegt
– Der Jagd fallen jährlich zusätzlich ca. 400.000 Katzen und ca. 65.000 Hunde zum Opfer