Chemie: Mittel in Pkw-Klimaanlagen kann hochgiftige Stoffe freisetzen

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MÜNCHEN. Der Streit um das neue Kältemittel R123yf geht in die nächste Runde: Chemiker berichten über einen zweiten hochgiftigen Stoff, den das Kältemittel beim Verbrennen freigibt.

Ein umstrittenes neues Kältemittel für Auto-Klimaanlagen setzt im Brandfall den hochgiftigen Stoff Carbonylfluorid frei. Das berichten Chemiker um Prof. Andreas Kornath von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) in der «Zeitschrift für Naturforschung». Carbonylfluorid ist demnach ein Abkömmling des Kampfstoffs Phosgen, das im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Werde es eingeatmet, könne es schlimmstenfalls die Lungenbläschen verätzen, in den Blutkreislauf gelangen und zum Tod führen, teilte die Universität mit.

In Deutschland ist das neue Kältemittel R1234yf bereits seit längerem umstritten: Tests hatten gezeigt, dass es sich bei Unfällen entzünden kann und Fluorwasserstoff (Flusssäure) freisetzt, heißt es in einer Mitteilung der LMU. Dieser Stoff sei so giftig, dass eine handtellergroße Verätzung tödlich enden könne. Nun fand das Team um Kornath heraus, dass 20 Prozent der Brandgase aus dem noch giftigeren Carbonylfluorid bestehen.

Kornath sieht das Risiko durchaus gegeben, dass die Gifte freigesetzt werden: «Es gibt 40 000 Autobrände pro Jahr in Deutschland», sagte der Chemiker. Es gebe keinen anderen Stoff, der so leicht erhältlich sei und dabei auf so einfache Weise hochgefährlich sein könne.

Der Hersteller des Kältemittels, Honeywell, teilte dagegen mit, dass Kornaths Ergebnisse keinesfalls neu seien: Carbonylfluorid sei ein längst bekanntes Abbauprodukt von R1234yf. Untersuchungen hätten gezeigt, dass das Kältemittel sicher in Autoklimaanlagen eingesetzt werden könne. Bilde sich Carbonylfluorid, existiere es nur für den Bruchteil einer Sekunde – und damit nicht lange genug, um Menschen zu gefährden, so Honeywell.

Vorgaben der Europäischen Union verpflichten Autohersteller, neue Kältemittel für PKW-Klimaanlagen zu verwenden. Das bisher benutzte Mittel R134a soll abgelöst werden, weil es zur Klimaerwärmung beiträgt.

Bis 2017 gelte noch eine Übergangsregelung, erklärt Eckehart Rotter vom Verband der Automobilindustrie (VDA). Erst dann müssen alle neuzugelassenen Fahrzeuge in der EU den neuen Grenzwert für das sogenannte Global Warming Potential (GWP) – das Treibhauspotenzial – beim Kältemittel einhalten. Diese Übergangsregelung gilt aber nicht für Autos, die ihre Typgenehmigung nach dem 1. Januar 2011 erhalten haben: Nach der EU-Richtlinie müssen sie bereits ein weniger klimaschädliches Kältemittel verwenden.

Im Moment werde bei den allermeisten deutschen Neufahrzeugen noch das alte Kältemittel verwendet, sagt Rotter. Es gebe nur wenige Modelle deutscher Hersteller, die bereits R1234yf benutzen. Nach Informationen des Kraftfahrtbundesamtes waren im Februar in Deutschland 120 097 Pkw mit R1234yf als Kältemittel zugelassen, teilte das Umweltbundesamt mit. Momentan wird außerdem an einer Alternative zu R1234yf gearbeitet: das Kältemittel CO2. Noch sei das aber nicht serienreif, erklärt Rotter.

Der Autohersteller Daimler hatte entgegen der EU-Richtlinie auch bei Typgenehmigungen noch das alte Kältemittel verwendet – trotz möglicher Sanktionen der EU. «Wir sehen darin eine erneute Bestätigung für unsere Entscheidung, die CO2-Klimaanlage mit Hochdruck zu entwickeln und schnellstmöglich zur Serienreife zu bringen», kommentierte Daimler die neue Studie. dpa

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