Internet-Broschüre für Jugendliche, finanziert von der EU – und Google

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BERLIN. Ein gelungenes Beispiel für eine „Public-Private-Partnership“ – oder eine mit öffentlichen Geldern geförderte Werbeaktion für einen Internet-Riesen? Ein neuer Leitfaden, der von der EU mitfinanziert wurde, soll Jugendliche anregen, über das richtige Verhalten im Netz nachzudenken. Angeblich jedenfalls. Unterstützt wird die Broschüre ausgerechnet von Google.

Seriöse Informationsquelle? Die Suchmaschine Google. Foto: Alexander Klaus / pixelio.de
Seriöse Informationsquelle? Die Suchmaschine Google. Foto: Alexander Klaus / pixelio.de

Was für ein Web wollen Jugendliche? Über diese Frage sollen sie angeblich diskutieren, und zwar mit Hilfe eines buntes Heftes im DIN-A4-Format. Der Leitfaden dreht sich um Datenschutz, Gesetze und Kreativität im Netz. In Übungen sollen Jugendliche überlegen, welche Fotos sie hochladen dürfen, Allgemeine Geschäftsbedingungen entziffern und über den Schutz ihrer Informationen im Netz diskutieren. Das Heft wurde von Bildungsministerien aus Europa und der EU-Initiative Klicksafe entwickelt und nun in den Räumen des Internetkonzerns Google in Berlin vorgestellt.

Dort zeigt sich, wie unterschiedlich Erwachsene und Jugendliche mit dem Internet umgehen. Die Erwachsenen auf dem Podium sind begeistert. Mit dem Heft könnten Eltern oder Lehrer mit Jugendlichen diskutieren, im Schulunterricht oder beim Abendbrot. Sie loben, dass die Broschüre gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt wurde. «Ich glaube, das muss ein richtiges Unterrichtsmaterial sein», sagt die Bundestagsabgeordnete Christina Schwarzer (CDU), die im Digital-Ausschuss sitzt.

Die Jugendlichen dämpfen später den Enthusiasmus. Mit Erwachsenen reden sie eigentlich nicht über das Internet, sagen sie. «Wir wissen viel mehr als die ältere Generation», sagt Alexandra. Jugendliche bewegen sich oft selbstverständlich durchs Netz, viele sind gar nicht mehr «offline», zeigte jüngst eine Studie. Die 18-jährige Frederieke mag die Vernetzung mit anderen über Blogs oder Mailinglisten. Ihre Eltern seien dagegen sehr vorsichtig gewesen, sagt sie. Dabei ist der Schutz ihrer persönlichen Daten den Jugendlichen durchaus wichtig. Ihre Adresse, ihr Geburtsdatum oder ihren Standort wollen sie nicht veröffentlichen. Der «Verbreitungswahn», jedes Foto sofort hochzuladen, gefalle ihm nicht, sagt der 15 Jahre alte David. In der Schule werde das Thema kaum besprochen. «Übers Internet habe ich noch nie eine Schulung bekommen», sagt Alexandra (16). «Ich lasse mir lieber was von Freunden erklären als von Lehrern.»

Ein schwerer Start also für einen Leitfaden, der nach Vorstellung seiner Macher von Lehrern und in Jugendclubs eingesetzt werden soll. Joachim Kind von Klicksafe meint dennoch, dass die Diskussion über das richtige Verhalten im Internet wichtig ist. «Bei Jugendlichen werden Informationen im Netz sehr stark für bare Münze genommen», sagt er. Das Heft rege zum Hinterfragen an, ein Abschnitt heißt «Information ist nicht Wissen». Dass Google ein Heft unterstützt, in dem sich ein ganzes Kapitel der Privatsphäre widmet, ist für ihn kein Widerspruch. Die Inhalte seien unabhängig von Google und dem zweiten Sponsor, Unitymedia Kabel BW, entstanden. Die Idee für das Heft geht auf ein Projekt von 30 europäischen Bildungsministerien zurück. Es wurde bereits in neun Sprachen übersetzt.

Als Google im vergangenen September erstmals Unterrichtsmaterial zum Thema Internet herausgab, zeigten sich deutsche Lehrerverbände allerdings skeptisch. «Das Problem ist, dass Lehrmaterial von Dritten und Unternehmen kommt, die wirtschaftliche Interessen verfolgen», sagte seinerzeit Ulf Rödde, Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die aktuellen Unterlagen von Google kenne er zwar noch nicht. Seiner Erfahrung nach ließen Unternehmen aber oft Aspekte aus. «Die Informationen sind im Kern korrekt, kritische Bereiche werden aber häufig ausgeblendet.» Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) sprach sich bereits zuvor für eine unabhängige und neutrale Vermittlung des Themas im Unterricht aus. News4teachers / mit Material der dpa

Hier lässt sich die Broschüre herunterladen.

Zum Bericht: Google bietet Unterrichtsmaterial an – Lehrerverbände sind kritisch

 

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