Schule und Kindergarten auf Sylt schließen

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SYLT. Der demografische Wandel macht auch vor der Insel Sylt nicht halt. Immer weniger junge Familien leben auf der Insel, der Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen und die Schülerzahlen sinken.  Schulen und Kindergärten schließen. Lokalpolitiker machen auch die hohen Immobilienpreise verantwortlich.

Am Ende wird Andrea Ernst die Tür hinter sich zumachen und den Kindergarten Kampen auf Sylt abschließen. Ausräumen, nein, das macht sie nicht, «das könnte ich auch nicht», sagt die Leiterin der Betreuungseinrichtung. «Das ist mein zweites Zuhause.» 2015 werden es 25 Jahre sein, die sie im Kindergarten arbeitet – und es wird das letzte Jahr sein, in dem er existiert. Ende Juli ist Schluss – dann gehen auch die letzten Kampener Kindergartenkinder in die Schule.

Leben und Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Das können sich viele junge Familien auf Sylt nicht mehr leisten. Foto: paulwb / flickr  (CC BY-NC-SA 2.0)
Leben und Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Das können sich viele junge Familien auf Sylt nicht mehr leisten. Foto: paulwb / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Leer wäre das gemütliche Reetdachhaus am Rande des Sylter Nobelortes damit zwar nicht. Das pädagogische Konzept – familiär, keine wechselnden Bezugspersonen, Projekte, die mit dem Alltag der Kinder zu tun haben, Besuche bei Künstlern – schätzen Eltern aus anderen Inselgemeinden. Von derzeit 19 Kindern sind nur vier aus Kampen.

Doch da genug Plätze in den Heimatgemeinden der «Ortsfremden» frei sind – inselweit mehr als 100 -, gibt es keine Ausgleichszahlungen für Kampen. Mehr als drei Jahre habe sich die Gemeindevertretung mit dem Thema auseinandergesetzt, erinnert sich Bürgermeisterin Steffi Böhm. «Der lange Zeitraum, der für die Entscheidung benötigt wurde, spricht deutlich dafür, wie schwer es allen Bürgervertretern gefallen ist.»

«Von den Kindern haben wir das ferngehalten», sagt Ernst. «Aber die Eltern haben sehr emotional reagiert, auch enttäuscht.» 2013 wurde noch ein Förderverein der Eltern gegründet, um die Gemeinde finanziell zu unterstützen, berichtet die Kindergartenleiterin. «Aber das war utopisch.»

In dem Reetdachhaus sollen künftig Sylter Familien wohnen. «Das Gebäude des jetzigen Kindergartens wird umgebaut und erweitert, dort wird Dauerwohnraum entstehen, der auf unser Insel dringend benötigt wird!», betont Böhm und spricht damit ein Problem an, das viele wiederum für den Wegzug junger Familien verantwortlich machen – so dreht sich die Entwicklung im Kreis. Zum neuen Jahr wird eine Kindergartengruppe in Westerland geschlossen. In Morsum, einem Ortsteil der Gemeinde Sylt, macht zum Schuljahresende die Grundschule, das Primarhaus, dicht.

Das spiegele die Planungen des Kreises Nordfriesland angesichts der demografischen Entwicklung wider, sagt die Sylter Bürgermeisterin Petra Reiber. «Aber meine Vermutung ist, dass die enorm hohen Immobilienpreise einiges dazu beigetragen haben. Das hat sich potenziert.» Nun, da auch noch die Geburtshilfestation an der Nordseeklinik geschlossen wurde, sei es noch schwieriger, junge Leute für die Insel zu begeistern. Wenn Kindergarten und Schulen geschlossen werden, «dann können wir noch so viele Wohnungen bauen». Qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, werde zum Problem. «Wir laufen da schon in eine falsche Richtung.»

«Das ist natürlich bitter», sagt auch Hans-Peter Krebs, Leiter der Grundschule Am Nordkamp in Westerland, zu der das Primarhaus Morsum organisatorisch gehört. Für eine Außenstelle gebe das Schulgesetz aber nun einmal eine Mindestgröße von 44 Schülern vor – das Primarhaus schafft knapp die Hälfte. Die Kinder werden nun zur Nordkamp-Schule gehen, die ihrerseits an die Westerländer Nicolaischule angebunden wird. Der Standort werde dadurch gestärkt, sagt Krebs. Wenn zu wenig Kinder in eine Schule gingen, könne die Schule nun einmal nicht ordentlich geführt werden.

Auch er spricht das Wohnraumproblem auf Sylt an. Reiber erinnert an eine auf der Insel- und Halligkonferenz Anfang April verabschiedete Resolution, mit der Dauerwohnraum gesichert und die Umwandlung in Zweitwohnungen verhindert werden soll. «Wir haben Wohnungen, aber viele stehen leer», sagt Reiber – weil sie Zweitwohnungen sind, die nur von den Eigentümern und nur ein paar Wochen im Jahr genutzt werden. Aber auch der demografische Wandel schlägt zu: Überall in Schleswig-Holstein gibt es Zwergschulen, die um ihr Überleben bangen.

Der Masterplan Daseinsvorsorge des Kreises Nordfriesland verwies schon 2011 auf einen prognostizierten Rückgang der Schülerzahlen bis 2020 von bis zu 30 Prozent. Dennoch gäbe es Möglichkeiten, Schulen zur Stärkung des ländlichen Raums zu erhalten, sagt Reiber. Gerade eröffnet ein neuer Markttreff in Morsum. «Und die Schule schließt.» Die Schule sei erst vor wenigen Jahren umgebaut worden, habe Preise für ihr Konzept erhalten. «Den ländlichen Raum stärken und dann Schulen schließen – ich kann’s nicht verstehen.» (Martina Scheffler, dpa)

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