Braunschweiger Lehrer hat Fußballregeln erfunden

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BRAUNSCHWEIG. Vor 140 Jahren warf Konrad Koch seinen Schülern zum ersten Mal das runde Leder zu. Der Braunschweiger Lehrer gilt als Wegbereiter des Fußballs in Deutschland. Auf seinen Spuren sind Fans genauso wie internationale Fernsehteams unterwegs.

  Im Ruhrpott ist die Fußball-Begeisterung womöglich am größten, in Frankfurt am Main hat der DFB seinen Sitz, aber die Geburtsstunde des Lieblingssports der Deutschen schlug in Niedersachsen. Zumindest nennt sich die Stadt Braunschweig im Internet selbstbewusst Wiege des deutschen Fußballs. Vor 140 Jahren ließ der Braunschweiger Gymnasiallehrer Konrad Koch seine Schüler zum ersten Mal auf einem Exerzierplatz kicken, ein Jahr später formulierte er das bundesweit erste Regelwerk für das als «englische Krankheit» verpönte Spiel und gründete den «Fußball-Verein der mittleren Klassen des Martino-Catharineums».

Fußball-Feste feiern könnte für Schüler (und Lehrer) bei der kommenden WM schwierig werden. Foto (vom World-Cup 2006): Arne Müseler / www.arne-mueseler.de / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)
Fußball-Spiele sind heute häufig Feste für die Fans. Foto (vom World-Cup 2006): Arne Müseler / www.arne-mueseler.de / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Am Gymnasium Martino-Katharineum wird heute noch auf dem Schulhof gebolzt und vor jeder WM steigt das Interesse an dem 1911 gestorbenen Pädagogen, der Fußball populär machen wollte. Fernsehteams aus Japan und den USA drehten an Kochs ehemaliger Wirkungsstätte, vor kurzem war Renato Ribeiro vom brasilianischen TV Globo zu Gast. Auf Koch aufmerksam geworden sei er während der WM in Deutschland 2006, erzählt der Reporter, außerdem habe er den Spielfilm «Der ganz große Traum» mit Daniel Brühl als Konrad Koch gesehen. «In meinem Beitrag will ich die Geschichte des deutschen Fußballs von Braunschweig bis zur heutigen Mannschaft erzählen», sagt Ribeiro.

Kochs Fußball war stark am Rugby orientiert. Einige Regeln wirken bizarr: «Es wird bei der Einrichtung des Spielplatzes dafür Sorge getragen, dass kein Schüler gegen den Ostwind anzulaufen hat», lautet eine Vorschrift. Die Regel «Auf dem Platz darf niemand sich hinlegen oder müßig stehen» würde dagegen sicherlich auch Bundestrainer Joachim Löw unterschreiben. Der sportbegeisterte Professor für Deutsch und Alte Sprachen führte in seinen Schriften die bis heute gebräuchlichen Begriffe wie Abseits oder Abstoß ein.

Eine Konrad-Koch-Straße gibt es in Braunschweig zwar noch nicht, aber die Stadt versucht, den Wegbereiter des Lieblingssports der Deutschen als Werbeträger zu vermarkten. Vor allem Fußball-Fans buchen die Stadtführung von Thomas Ostwald, der im schwarzen Anzug mit Hut den ehrwürdigen Professor verkörpert. Ostwald erzählt dann zum Beispiel, dass der Pädagoge Fußball lediglich als Bewegungsspiel für die Jugend im Herbst und Winter etablieren wollte. Als Sommeraktivität bevorzugte er Cricket.

Der DFB würdigt Konrad Koch zwar als einen der großen Pioniere des neuen Spiels. «Er war aber gewiss nicht der einzige, der Fußball nach Deutschland brachte», betont Nils Havemann, Sporthistoriker an der Uni Stuttgart. Das Spiel habe sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fast zeitgleich in größeren deutschen Städten wie Hamburg, Dresden, Karlsruhe, Berlin, Braunschweig oder München ausgebreitet.

«Der Dresden English Football Club gilt derzeit gemeinhin als erster deutscher Fußballverein. Er wurde 1874 von Engländern gegründet, die in Dresden arbeiteten», berichtet Historiker Havemann. Möglicherweise habe es aber schon vorher andere Vereine gegeben, deren Gründungsdokumente verschollen sind. Den Braunschweiger Fußball-Anhängern ist das egal. Sie verehrten Konrad Koch genauso wie sie ihren gerade in die Zweite Liga abgestiegenen Verein Eintracht Braunschweig lieben. Als Stadtführer Ostwald im Kostüm vor einem Sportplatz steht, hält ein Radfahrer im gelb-blauen T-Shirt an und fragt: «Darf ich ein Foto mit Ihnen machen? Sie sind doch Konrad Koch!» Christina Sticht

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