Deutschland diskutiert die Inklusion – „Fall Henri“ bei Günther Jauch

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BERLIN. Bei Umfragen noch aus jüngster Zeit wusste eine überwältigende Mehrheit der Bürger in Deutschland mit dem Begriff „Inklusion“ nichts anzufangen – dies dürfte sich jetzt ändern: Nachdem bereits „stern tv“ über den „Fall Henri“ berichtet hatte, machte nun auch Günther Jauch den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Schülern zum Thema. Aus der Fachdebatte ist ein bildungspolitisches Großthema geworden. 

Die Grundschule Langbargheide in Hamburg wurde für ihre inklusive Arbeit mit dem Jakob-Muth-Preis 2012 ausgezeichnet. Foto: Bertelsmann Stiftung / Ulfert Engelkes
Die Grundschule Langbargheide in Hamburg wurde für ihre inklusive Arbeit mit dem Jakob-Muth-Preis 2012 ausgezeichnet. Foto: Bertelsmann Stiftung / Ulfert Engelkes

Es klinge ja zunächst ganz einfach, meinte Jauch zur Einleitung, nämlich behinderte und nicht-behinderte Schüler gemeinsam zu unterrichten. Aber: „Ist dies ein politischer Wunsch, der an der Wirklichkeit grandios scheitern kann?“ Für Kirsten Ehrhard, Mutter des elfjährigen Henri mit Down-Syndrom, dessen Fall bundesweit Schlagzeilen machte, ist das Scheitern gerade Realität geworden: Ihr Wunsch, ihren Sohn nach der Grundschule auf einem Gymnasium beschulen zu lassen, wurde vom baden-württembergischen Kultusminister Andreas Stoch (SPD) gerade abgelehnt – mit der (in der Sendung eingeblendeten Erklärung):  Eine erfolgreiche Inklusion sei darauf angewiesen, dass auch die Lehrer diesen Wunsch tragen – doch in diesem Fall bestehe die Bereitschaft, auch weil Unsicherheit herrsche. Die Lehrer fühlten sich nicht gut vorbereitet.

Henris Mutter, so machte sie in der Sendung deutlich, fühlt sich hingegen vom Kultusminister nicht gut vertreten: Sie habe doch nur erreichen wollen, was ohnehin in Baden-Württemberg bald Gesetz werden soll – nämlich das Recht von behinderten Kindern auf einen Platz in der Regelschule. Heißt das aber auch: aufs Gymnasium? Um es vorwegzunehmen: Diese doch entscheidende Frage klärte auch die Talkrunde nicht. Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, lobte ihr Bundesland für einen hohen Anteil gemeinsamen Unterrichts in sogenannten Schwerpunktschulen, räumte aber ein: Einen Jungen mit Down-Syndrom auf einem Gymnasium unterzubringen, sei auch in Mainz oder Kaiserslautern „schwierig“. Dreyer bekannte sich zum Ziel, allen Kindern gleiche Chancen auf Abschlusse zukommen zu lassen. Sie sagte aber auch: „Inklusion muss man mit Augenmaß gestalten. Die Gesellschaft muss mitgenommen werden.“

Doch: Will die Gesellschaft mitgenommen werden? Mutter  Kirsten Ehrhard zeigte sich skeptisch: Viele Eltern hätten panische Angst, dass die Kinder ihre Erwartungen nicht erfüllten – dafür müsse jetzt Henri herhalten. Behinderte Menschen könne nur jemand akzeptieren, der sie erlebe. Doch das geschehe nicht, wenn sie in einem Sondersystem leben und lernen müssten. Sie warf Josef Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, eine „defizitäre Sicht“ und eine „Abschiebehaltung“ vor. Der gemeinsame Unterricht sei eine Bereicherung.

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Kraus hatte davor gewarnt, Kinder „auf dem Altar der Inklusion zu opfern“. Im Mittelpunkt müsse stets das Kindeswohl stehen. Deutschland verfüge über ein hochdifferenziertes Schulsystem; an Förderschulen gebe es eine Betreuungsrelation von einem Lehrer auf fünf Schüler – von der eine Regelschule nur träumen könne. Zudem:  Rund die Hälfte der Förderschüler sei nicht inkludierbar. Schon deshalb müsse das Förderschulsystem erhalten bleiben. Kraus: „Die Rahmenbedingungen sind nicht da. Ich habe das Gefühlt, die Politik macht zweiten und dritten Schritt vor dem ersten.“

Ministerpräsidentin Dreyer räumte ein: „Der Staat hat nicht das Geld, dass an jeder Schule Inklusion perfekt praktiziert werden kann.“

Wie stark der Erfolg der Inklusion von den Ressourcen abhängt, machte Jan-Martin Klinge deutlich , ein Gesamtschullehrer, der behinderte und nicht-behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet. Er sei „ein völliger Verfechter der Inklusion“, sehe sich aber auch mit seinem Anspruch, allen Kindern immer gerecht werden zu wollen, scheitern. Er könne nun mal nicht auf alle Bedürfnisse eingehen – bei 30 Schülern in der Klasse. Fazit von Günther Jauch, und damit hat er zweifellos recht: „Das Thema wird uns erhalten bleiben.“

Und es wird an Hitzigkeit zunehmen, weil es nun ein mediales Großthema geworden ist – mit offenem Ausgang. Mal zur Erinnerung: Das Thema G8 war ein kaum umstrittenes Thema in Deutschland. Erst  nachdem der Fernsehmoderator Reinhold Beckmann (als Vater) in Talkshows gegen die Schulzeitverkürzung am Gymnasium zu Felde zog, kam die Kontroverse bundesweit auf. News4teachers

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Kinderfreund
9 Jahre zuvor

Grottenschlecht, schlecht recherchiert und polarisierend und wieder dabei : Henris Mutter, die kennen wir ja schon aus Funk, anderen Sendern und Presse. Auf die eigentliche Problematik wurde gar nicht eingegangen. Wo bitte schöne besteht ein Problem ein Kind mit Glasknochenkrankheit und normaler Intelligenz im gemeinsamen Unterricht zu beschulen?

Die junge Frau mit Downsyndrom eine absolute Ausnahme unter den Menschen mit dieser Behinderung ( wird hier beispielhaft vorgeführt und weckt Hoffnungen)
Es fehlten mir Eltern und Schüler, die mit dem Förderschulsystem zufrieden sind und keinesfalls auf die Regelschule zurück wollen.
Es fehlten mir Schüler, die erfolgreich eine Förderschule besucht haben und über ihren beruflichen Werdegang berichtet hätten.
Es fehlten Lehrerverbände, die mal Licht in die Machenschaften der Schulpolitik gebracht hätten, was alles für die Beschleunigung der Schließung von Förderschulen getan wird, wie die Regelschulen unter Druck gestetzt werden Inklusion umzusetzen.

Tatsache ist, dass die zwei Mütter der Elterninitiativen in Niedersachen und NRW erst ein- und dann kurzfristig wieder ausgeladen wurden:

https://www.openpetition.de/petition/blo…n-niedersachsen
https://www.openpetition.de/petition/blo…-foerderschulen

Das passte wohl nicht ins politische Meinungsbild und hätte vlt. die Zuschauerzahlen nach unten bewegt. 🙁 🙁 Dabei hatten die Mütter die großen Hoffnung endlich „Auf der großen Bühne“ Gehör zu finden.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kinderfreund

Ja, Kinderfreund, so wird nicht nur in diesem Fall von den Medien Meinungsmache betrieben.

So nebenbei, G. Jauch passt gut zu „Wer wird Millionär?“, aber für politische Diskussionen und allemal für so ein politisch sensibles Thema scheint er mir eine absolute Fehlbesetzung und total überfordert zu sein!!

Klardenker
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kinderfreund

Schön endlich Kommentare von Leuten zu lesen, die mit denken. Als der Kampf dieser Ego-Mutter in Ba-Wü losging, konnte man nur Texte lesen, die sich auf ein einziges Muster bezogen. Niemand traute sich seine eigene Meinung zu veröffentlichen. Die Sendung von Günther Jauch war eine Farce. Herr Kraus wurde als Bösewicht in die Ecke gedrängt. Keiner scheint zu begreifen, dass die UN-Resolution für Inklusion in erster Linie an Staaten gerichtet war, in denen Behinderte jeder Art von Teilhabe am Leben gänzlich ausgeschlossen sind und in der Regel in überhaupt keine Schule gehen dürfen. Das Verhalten von Frau Erhardt gegenüber ihren Mitmenschen, insbesondere der Mitschüler ihres Sohnes ist rücksichtslos und egoistisch. Sie nutzt die Angst der Menschen sich bloß nicht als Behindertenfeind zu präsentieren für ihre Zwecke und will partout für ihren Sohn einen Schulabschluss durch Wohlfühlnoten wie dies bei der jungen Berlinerin mit Down-Syndrom zum Hauptschulabschluss gekommen ist. Wenn eine Geistig-Behinderte einen Abschluss mit angeblich 2,3 und einer 1 in Englisch hat, die nicht mal auf die einfachsten Fragen folgerichtig antworten kann, ist das eine Beleidigung für alle Menschen mit Hauptschulabschluss. Sprich: Der Wert dieses Abschlusses geht gegen Null. Genauso wird es in absehbarer Zeit mit dem Abitur kommen, wenn diesem Inklusionsirrsinn nicht Einhalt geboten wird. Der Mainstream der 70er Jahre war auch nicht gerade angenehm, was beispielsweise das Thema Pädophilie angeht, und doch hat man es mit Verspätung begriffen. Ich hoffe die Inklusion ist schneller Geschichte. Siehe auch hier: https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=8772595122395064460#editor/target=post;postID=8372666047486033453;onPublishedMenu=allposts;onClosedMenu=allposts;postNum=0;src=postname

petersmoody
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kinderfreund

Super Stellungnahme. Leider kommen die Förderschulpädagogen auch sehr wenig zu Wort. Die Tatsache, dass wir ohne Arbeitsplatzbeschreibung (nicht vorhanden) für Vertretungsunterricht eingesetzt werden und unsere GU Stunden oft nicht den Förderkindern zukommen, wird mit keinem Wort erwähnt. Dass wir Spezialisten für studierte Fachrichtungen sind, ist vielen auch nicht klar. Uns werden Kinder mit emotional sozialen Schwierigkeiten und Förderschwerpunkt Sprache (also Regelschulcurricula) mit Kindern im Förderschwerpunkt Lernen, geistige Behinderung u.a.(eigene Förderschulcurricula) in Gruppen zusammen gefasst. Derzeit haben wir wieder viele Rückläufer aus dem GU an unserer Schule, da Eltern keine ausreichende Förderung an der Regelschule für ihre Kinder sehen. Gerade im Bereich der Berufsvorbereitung, technischem Werken und Hauswirtschaft leisten wir die bessere Arbeit. Oder kennen Sie ein Gymnasium, dass diese Bereiche im Stundenplan über Jahre manifestiert hat?

FrauBe
9 Jahre zuvor

Ich kann mich den kritischen Kommentaren nur anschließen. Die Talkrunde war absolut unausgeglichen und Vertreter von Förderschulen (Lehrer, Eltern, Kinder) fehlten gänzlich und damit wurde Herrn Kraus die undankbare Aufgabe zuteil, als Einziger kritische Worte zu äußern.
Ich bin absolut für Inklusion, wenn sie bedeutet, dass behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam eine Schule besuchen, die ihren geistigen Fähigkeiten entspricht. Wenn ein Kind nicht die Voraussetzungen für ein Gymnasium oder eine Realschule erfüllt, kann es diese nicht besuchen. Das gilt für gesunde Kinder und wenn künftig für geistig behinderte Kinder etwas anderes gilt, dann ist es keine Gleichberechtigung oder Inklusion, sondern Bevorzugung.
Am meisten hat mich die Frage von Henris Mutter aufgeregt, warum es denn immer nur um Leistung gehen muss. Ich gebe ihr Recht, dass soziale Kompetenzen ebenso wichtig sind und diese sicherlich durch Inklusion geschult werden, ABER: Wenn ich mich in einem Betrieb oder an einer Hochschule bewerbe, geht es nun mal in erster Linie um Leistung. Deshalb ist Leistung so wichtig, besonders an einem Gymnasium.

Mathias Hörges
9 Jahre zuvor

Um der Diskussion einmal ein wenig Wind aus den Segeln zu nehmen.
Der Anteil geistig behinderter Kinder ist relativ konstant und so gering, dass eine Aufnahme von Henri am Gymnasium keinen Boom auslösen würde. Des weiteren haben Gymnasien so viele Schüler und ihre Schüler sind sozial so fit, dass sie einen kleinen Henri in ihrer Mitte mittragen könnten. Nur eben nicht als gleichrangigen Kameraden, sondern als eine Art kleinen Bruder.
Dies muss klar sein, und ebenso muss klar sein, dass Henri dann eine 1:1-Betreuung und zeitweise vielleicht auch einen eigenen Raum braucht.
Unter diesen Voraussetzungen kann ich mir das Ganze vorstellen, wobei ich mir dann auch vorstellen kann, dass Henris Mutter nach weiteren 4 Jahren eine Bildungsmöglichkeit sucht, in der ihr Sohn weniger von den allgemeinen Bildungsangeboten ausgegrenzt ist.

Ursula Prasuhn
9 Jahre zuvor

@Klardenker Dass die Inklusion möglichst bald Geschichte ist, hoffe ich auch. Mir ist sowieso schleierhaft, wie sie so viele Anhänger finden konnte. Eigentlich müsste doch verständlich sein, dass spezielle Einrichtungen gerade für geistig behinderte Menschen und deren Vorbereitung auf ihr späteres Leben viel besser sind als ein Absitzen der Schulzeit in einer Allgemeinschule – auch wenn in dieser nebenher eine Sonderförderung stattfindet.
Der Vorwurf einer Ausgrenzung überzeugt mich ebenfalls nicht. In Regelschulen merken die betroffenen Kinder doch auf Schritt und Tritt, dass sie nicht mithalten können und diesbezüglich Außenseiter sind. Wären sie unter sich und würden sie alle in ähnlicher Weise behandelt, wäre ein Zugehörigkeits- bzw. Gemeinschaftsempfinden viel leichter möglich. Außerdem hätten sie die Chance auf echte Erfolgserlebnisse innerhalb ihrer Gruppe, anstatt gefühltes unverdientes Lob angesichts viel leistungsstärkerer Mitschüler zu erhalten. Wissen wir, ob es von den Kindern nicht sogar als peinlich oder stigmatisierend empfunden wird?
Die Inklusion ist und bleibt für mich eine fragwürdige, sogar inhumane Sache, deren vielfältige Schwachstellen auch verbesserte Rahmenbedingungen nicht ausgleichen können. Außerdem steht die Frage im Raum, bis zu welchem Punkt sie überhaupt bezahlbar sind.

Kira-2
9 Jahre zuvor

Für mich steht bei der Inklusion das soziale Moment an erster Stelle. Ich kann leider nicht für die höheren Schulen reden, sehe aber die Inklusionsmöglichkeiten in Kindergarten und Grundschule. Vielleicht ist es der kindliche Charakter, der die Inklusion möglich macht. In dieser Altersstufe werden die Unterschiede nicht so wahrgenommen wie möglicherweise später. Bei den Kindern wird ein geistig behindertes Kind bei entsprechender Begleitung voll integriert, findet Freunde, die mit ihm spielen und Kinder, die mit ihm lernen – und zwar nicht nur innerhalb der Schule, sondern auch außerhalb.

Wie hoch die Zahl der Förderkinder ist, weiß ich nicht – ich nehme aber an, dass die Herrschaften, die von einer gleichbleibend niedrigen Zahl schreiben, wissen, wo von sie reden. Und da setzt in meinen Augen auch das Problem der Beschulung in Förderschulen an – ohne die wertvolle Arbeit der Förderschulen schmälern zu wollen. In der Regel haben aber diese Schulen ein enorm großes Einzugsgebiet. Kinder kommen aus den unterschiedlichsten Orten in diese Schulen und sind oftmals die einzigen in ihrem Jahrgang aus ihrem Dorf / aus ihrem Wohngebiet. Spielkameraden finden sie oftmals nur während der Schulzeit, weil sie außerhalb der Schule kaum jemanden kennen bzw. weil außerhalb der Schule kaum jemand SIE kennt und mit ihnen spielen will.

Ich will nicht schönreden, dass an der Inklusion noch seeeeeeeeeeeeeeehr viel verbessert werden muss und dass heute noch seeeeeeeeeeeeeeehr viel nicht richtig läuft – aber die Idee hinter der Inklusion ist meiner Meinung nach richtig! Dazu stehe ich!

Ich habe heute noch mit einem Förderschullehrer gesprochen, der erzählte, dass gerade in der 7./8. Klasse viele Rückläufer kommen, weil eben während der Pubertät die Probleme in den Regelschulklassen auftreten. Allerdings, so sein Einwand, wären das oft Kinder, die in der 5. Klasse sich neu irgendwo integrieren müssten. Kinder, die ihre „Sandkasten-Kameraden“ in die höheren Schulen begleiten könnten, hätten viel weniger Probleme, in das neue System integriert zu werden.
Insofern kann ich Henris Mutter durchaus verstehen – bin aber (wie Frau B.) ebenfalls der Ansicht, dass die Erlaubnis, einem geistig behinderten Jungen auf ein Gymnasium zu schicken und den Hauptschülern dieses zu verwehren, äußerst ungerecht wäre. Und wenn es in Henris Wohnort nur die Realschule und das Gymnasium als wohnortnahe Schulen gibt, dann kann ich den Einsatz der Mutter total nachvollziehen. Darin zeigt sich nur wieder einmal, dass auf dem Feld der Inklusion noch seeeeeeeeeeeehr viel zu leisten ansteht.

Ursula Prasuhn: „Der Vorwurf einer Ausgrenzung überzeugt mich ebenfalls nicht. In Regelschulen merken die betroffenen Kinder doch auf Schritt und Tritt, dass sie nicht mithalten können und diesbezüglich Außenseiter sind.“

Allerdings ist das unabhängig von ihrem „geistligen Status“. Auch in so genannten „Normklassen“ gibt es die Guten und die Schlechten, Kinder, die gut und einfach lernen und Kinder, die nur schwer dem Unterricht folgen können, die sich anstrengen können wie sie wollen, aber doch nur auf mit Müh und Not eine 4 halten können. Auch diese Kinder leiden unter dem Schlechter-Sein – aber deswesen werden sie ja nicht gleich aussortiert.

Ursula Prasuhn: „Außerdem hätten sie die Chance auf echte Erfolgserlebnisse innerhalb ihrer Gruppe, anstatt gefühltes unverdientes Lob angesichts viel leistungsstärkerer Mitschüler zu erhalten. “

Warum muss es immer „gefühlt unverdient“ sein? Werden nur vergleichende Fortschritte gelobt?
Möglicherweise kommen wir aus unterschiedlichen Schulsystemen – wie gesagt, an den höheren Schulen kenne ich mich nicht aus. Aber an der Grundschule wird jedes Kind für individuelle Fortschritte gelobt. Ein Kind, das stets nur wenige Fehler in einer Mathearbeit macht, bekommt ein Lob, wenn es endlich mal 0 Fehler geschafft hat. Kinder, die stets nur die Hälfte von dem richtig haben, was sie haben müssten, werden gelobt, wenn sie zwei Drittel richtig haben. Es ist für dieses Kind doch ein riesiger Fortschritt, wenn es sich so verbessert hat. (Und dabei muss es sich nicht einmal um ein geisitg behindertes Kind handeln!) Dabei muss es doch gar nicht zu den Besten der Klasse gehören – und vielleicht bekommt es beim nächsten Mal doch wieder eine schlechte Zensur, aber der Fortschritt wird ja nicht nur in Klassenarbeiten erkannt und vermittelt – auch mal zwischendurch in kleinen Tests oder in Klassengesprächen – ohne, dass dann sofort eine Note dranhängt.
Genauso ist bei den Inklusionskindern. Auch diese machen (zwar langsam) aber deutliche Fortschritte. Und diese dürfen durchaus gelobt werden – da ist nichts unverdient oder „gefühlt unverdient“!

Ursula Prasuhn: „Wissen wir, ob es von den Kindern nicht sogar als peinlich oder stigmatisierend empfunden wird?“

Kann man die Kinder mal fragen? Kann man sie beobachten? (Ich muss gestehen, diese Frage verwirrt mich und lässt mich vermuten, dass sie nicht unbedingt über viel Erfahrung mit Inklusion verfügen… Ist aber eine reine Vermutung und Sie dürfen mich gerne eine besseren belehren, wenn Sie möchten.)

Klardenker: „Genauso wird es in absehbarer Zeit mit dem Abitur kommen, wenn diesem Inklusionsirrsinn nicht Einhalt geboten wird. Der Mainstream der 70er Jahre war auch nicht gerade angenehm, was beispielsweise das Thema Pädophilie angeht, und doch hat man es mit Verspätung begriffen. Ich hoffe die Inklusion ist schneller Geschichte.“

Ich muss Ihnen gestehen, dass mir dieser Vergleicht total gegen den Strich geht! Ich will Ihnen mal unterstellen, dass der Schwerpunkt der Aussage auf dem „Abschaffen der Idee“ liegt, aber diese beiden Begriffe in einen Zusammenhang zu stellen, finde ich absolut ungeschickt und für Eltern mit behinderten Kindern, die eine Regelbeschulung anstreben, äußerst beleidigend! Vielleicht sollten Sie doch ein wenig vorsichtiger in Ihren Vergleichen sein!

Milch der frommen Denkungsart
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Mir schwant unterschwellig, daß es vielen der (augen)maßlosen Inklusionsverfechter latent
lediglich darum geht, ihren Urtraum von der sukzessiven Unterhöhlung bzw. schließlich
Abwrackung des Gymnasiums endlich auf diese Art und Weise wahrzumachen und das
langersehnte Paradies leistungsloser Gleichmacherei zu verwirklichen – wobei das freilich
(noch) niemand offen auszusprechen wagt.

Hier setze ich meine Hoffnung wiederum auf das ja so oft reflexartig als „Besitzstandswahrer“
diffamierte Bildungsbürgertum, diesem uniformierenden groben Unfug die Spitze zu nehmen.
Natürlich soll Inklusion praktiziert werden – aber gewiß nicht gemäß dem Goetheschen Gies-
kannenprinzip „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“

N.B.: Kritiker solcherlei Beliebigkeitsbeschulung sind nicht per se Eugeniker !

Kira-2
9 Jahre zuvor

@ Milch der frommen Denkungsart:
Ich vermute mal, dass Ihre Bemerkung zwar als Antwort auf meinen Beitrag formatiert ist, aber nicht direkt in Zusammenhang zu meinen Ausführungen steht… Zumindest kann ich keinen konkreten Bezug erkennen…
(Und da Sie mich genauso wenig kennen wie ich Sie, will ich Ihnen auch mal nicht unterstellen, dass Sie glauben zu wissen, was und wie ich denke… )

Birgit
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Haben Sie denn Erfahrung mit Inklusion?
Ich habe gute Freunde mit Schulkindern in Italien und Verwandte mit Kindern in Frankreich. Die schlagen die Hände überm Kopf zusammen, wenn sie hören, dass es unseren Förderschulen an den Kragen gehen soll.
„Um das gegliederte Schulsystem + Förderschulen wird Deutschland von bildungsinteressierten Leuten in anderen Ländern beneidet“, heißt es. „Ist Deutschland denn von allen guten Geistern verlassen, davon Abschied zu nehmen?“
Die beiden Kinder der Verwandten in Italien besuchen eine Privatschule, weil die öffentlichen Schulen angeblich mehr Bewahrungsanstalt als Bildungsstätte sind. Es gibt dort auch weitaus mehr Privatschulen als bei uns in Deutschland wegen der schon lange konstant hohen Nachfrage.
In Frankreich scheint es ähnlich zu sein. Dort herrscht sogar eine deutliche Zweiteilung bei den Hochschulen in öffentliche und private. Wer es sich leisten kann, besucht lieber eine Privatuni.
So sieht die Sache in anderen Ländern aus, die immer als Vorbild gepriesen werden und angeblich viel fortschrittlicher sind als Deutschland. Auch die Inklusion soll dort wie am Schnürchen funktionieren. Wir brauchen bloß nachzuahmen und schon ist alles bestens.
So jedenfalls lautet die penetrante offizielle Version, die nur von wenigen hinterfragt wird. Kritiker haben in den Medien kaum eine Chance, Befürworter dagegen jede Menge.
Was Schule anbelangt, ist das Wort „fortschrittlich“ für mich inzwischen zum Synonym geworden für „möglichst früh und schnell Zerschlagung unseres bisherigen Schulwesens betreiben. Je früher, desto fortschrittlicher.“

Kira-2
9 Jahre zuvor

Zitat: „Haben Sie denn Erfahrung mit Inklusion?“ – Kurz geantwortet: ja.

Zitat: „Die beiden Kinder der Verwandten in Italien besuchen eine Privatschule, weil die öffentlichen Schulen angeblich mehr Bewahrungsanstalt als Bildungsstätte sind. Es gibt dort auch weitaus mehr Privatschulen als bei uns in Deutschland wegen der schon lange konstant hohen Nachfrage.“
Auch in Deutschland haben die Privatschulen seit einigen Jahren immer mehr Zulauf – unabhängig von der Inklusionsdebatte. Ich glaube, die Inklusion hat daran – wenn überhaupt – nur wenig Anteil.

Es sind die geänderten Bildungserwartungen der Eltern und die Hoffnungen auf einen besseren Start ins Berufsleben. Vor einigen Jahrzehnten konnten die Eltern noch davon ausgehen, dass wenn ihr Kind erwachsen ist, sich schon irgendwas finden wird, womit ihr Kind Geld verdienen kann. Selbst Hauptschüler fanden irgendeinen Job, der ordentlich (nicht gut!) bezahlt wurde.
Heute gibt es gerade in Italien und Frankreich eine hohe Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen. Da haben Eltern natürlich Angst, dass ihr Kind später dazu gehören wird. Auch in Deutschland gibt es viele Jugendliche, die keine Arbeit finden oder die zur „Generation Praktikum“ gehören. Klar, dass die Eltern da einen guten Start für ihre Kinder wünschen. Aber wie gesagt, das hat rein gar nichts mit der Inklusion zu tun – die gibt es an vielen Schulen noch gar nicht und dennoch melden die Eltern ihre Kinder lieber an Privatschulen an.

Birgit
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Weiter oben sagen Sie: „Für mich steht bei der Inklusion das soziale Moment an erster Stelle.“ Und was steht Ihrer Meinung nach bei den Inklusionsgegnern an erster Stelle?
Zum riesigen Privatschulbereich in Italien und Frankreich meinen Sie: „Heute gibt es gerade in Italien und Frankreich eine hohe Arbeitslosigkeit unter den jungen Menschen. Da haben Eltern natürlich Angst, dass ihr Kind später dazu gehören wird. Auch in Deutschland gibt es viele Jugendliche, die keine Arbeit finden oder die zur “Generation Praktikum” gehören. Klar, dass die Eltern da einen guten Start für ihre Kinder wünschen.“
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es in Italien und Frankreich nicht erst heute so viele Privatschulen gibt, sondern bereits seit Jahrzehnten? Das Phänomen kann also mit der aktuell hohen Arbeitslosigkeit nichts zu tun haben.
Es hat allerdings mit dem Gesamtschulsystem (ohne Förderschulen) zu tun, das in Italien und Frankreich schon vor Jahrzehnten verbindlich eingeführt wurde. Ihm misstrauen die Eltern und bringen erhebliche Opfer für das nötige Geld, das ein Privatschulplatz kostet.
Wie Sie ganz richtig bemerken, ist es klar, dass sich Eltern für ihre Kinder einen guten Start ins Berufsleben wünschen und darum eine Privatschule für ihre Kinder wählen, besonders dann, wenn die Wirtschaft lahmt und Arbeitsplätze fehlen. Absolut Recht gebe ich Ihnen auch in dem implizierten Werturteil über staatliche Schulen einerseits und private Schulen andererseits.

Kira-2
9 Jahre zuvor
Antwortet  Birgit

Da haben Sie mich missverstanden – ich habe kein Urteil über staatliche und private Schulen abgegeben – das haben Sie hineininterpretiert…

Ich vermute, dass Eltern in den Privatschulen eine bessere Chance für ihre Kinder sehen… Damit habe ich nicht gesagt, dass sie mit dieser Einstellung Recht haben.
Ich kann verstehen, dass sie sich dadurch bessere Chancen ERHOFFEN – ich kann aber weder bestätigen noch dementieren, dass dem so ist – dazu habe ich viel zu wenig Informationen über Erfolg und Misserfolg von privaten Schulen im Vergleich zu staatlichen Schulen.

Und was noch hinzu kommt: Sicherlich kann man weder die staatlichen Schulen (mit und ohne Inklusion) über einen Kamm scheren wie auch die Privatschulen. Jede Schule steht und fällt mit dem LehrerInnenkollegieum und der Schulleitung. Und da wird es sicherlich bessere Privatschulen wie auch schlechtere als auch bessere wie auch schlechtere staatliche Schulen geben.
Insofern werde mich schön hüten, über irgendeine Schule eine Bewertung abzugeben – weder über Privatschulen als auch über staatliche Schulen.
Also bitte niemals etwas implizieren, was nicht auch gesagt wurde – lieber nochmals nachfragen, wenn es genhem ist!!!

Birgit
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Ja, es gibt bessere und schlechtere staatliche Schulen. Sie alle leben vom Geld des Steuerzahlers und verschwinden nicht von der Bildfläche, auch wenn sie noch so schlecht sind.
Ganz anders die Privatschulen. Sie stehen im Wettbewerb mit den staatlichen Schulen und zusätzlich noch untereinander. Mangelnde Qualität bedeutet da schnell das Aus. Darum stimme ich Ihnen nur sehr bedingt zu, wenn Sie auch bei den Privatschulen von besseren und schlechteren reden, denn Privatschulen, die noch schlechter sind als die staatlichen Gesamtschulen, haben keine Überlebenschance.
Wettbewerb trennt nun mal die Spreu vom Weizen, allerdings nur bei den privaten und nicht den staatlichen Schulen.

Ich möchte Sie noch einmal an meine Eingangsfrage im vorigen Kommentar erinnern. Ihre Antwort interessiert mich nämlich sehr.

Kira-2
9 Jahre zuvor

Okay – Zitat: „Und was steht Ihrer Meinung nach bei den Inklusionsgegnern an erster Stelle?“
Keine Ahnung!
Da ich mich dauernd beschwere, dass mir hier Wünsche oder Intentionen untergeschoben werden, die ich niemals geäußet habe, werde ich mich hüten, anderen etwas zu unterstellen, was sie vielleicht denken könnten.
Ich habe weiter oben geschrieben: „Für mich steht bei der Inklusion das soziale Moment an erster Stelle.“
Damit sage ich lediglich aus, dass für mich an erster Stelle eben das Miteinander steht. Nicht mehr und nicht weniger. Wie könnte ich auch über Absichten urteilen von Leuten, die ich überhaupt nicht kenne?
Und da diese Antwort Sie vermutlich nicht wirklich zufrieden stellen wird, habe ich zunächst keine Antwort auf Ihre Frage gegeben. Da Sie aber großes Interesse daran geäußert haben, haben Sie somit jetzt meine äußerst nichts-sagende Antwort erhalten 🙂

Milch der frommen Denkungsart
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

@Kira-2:

Auch mir lag es ferne, Ihnen mit einer wie auch immer gearteten Unterstellung zu begegnen.
Freilich sollte man – so meine ich zumindest – sich an einer Diskussion inhaltlich durchaus üppi-
ger beteiligen als mit einem derart wachsweichen Statement, wonach hinsichtlich der Inklu-
sion das „soziale Moment an erster Stelle stehe“ – mit Verlaub: meinen Schülern und Studen-
ten würde ich eine solch blutleere Einlassung verbal um die Ohren hauen, nichts für ungut !
Wenn man nämlich einem durchaus honorig motivierten schulischen „Miteinander“ das Wort
redet ohne sich tiefere Gedanken um die damit wohl einhergehenden Folgen zu machen, so
ist das doch das Gegenteil von klug und weise … und mithin tatsächlich wie auch buchstäb-
lich nichtssagend.

Kira-2
9 Jahre zuvor

@ Milch der frommen Denkungsart
Es tut mir Leid, irgendwie kann ich nie so richtig auf Ihre Äußerungen eingehen, weil ich meist gar nicht so richtig verstehe, wo Ihre Kritik konkret ansetzt…
Zitat: „Wenn man nämlich einem durchaus honorig motivierten schulischen “Miteinander” das Wort redet ohne sich tiefere Gedanken um die damit wohl einhergehenden Folgen zu machen, so ist das doch das Gegenteil von klug und weise … und mithin tatsächlich wie auch buchstäb-
lich nichtssagend.“
Von welchen Folgen sprechen Sie??? Selbst im Zusammenhang mit dem weiter oben stehenden Beitrag von Ihnen verstehe ich diesen Einwurf nicht. Welches Problem sollte es denn mit dem „Miteinander“ geben???
Vielleicht sind Sie bereit, etwas weiter auszuholen, damit ich Ihnen antworten kann, wenn Sie Wert darauf legen…

realo
9 Jahre zuvor

Sind diese honorigen, „wachsweichen Statements“ nicht ständig bei den Befürwortern der Inklusion zu finden? Jedenfalls kommt es mir so vor, als träfen die Argumente der Inklusionsskeptiker immer nur auf eine Wattemauer aus einseitiger Moral und verengter Interpretation von „sozial“ und „human“. Sie schluckt alles und schickt den Meinungsgegnern nur ein leises Lüftchen von Erhabenheit durch moralische Überlegenheit zurück.

Kira-2
9 Jahre zuvor
Antwortet  realo

*seufz*
Die freie Meinungsäußerung scheint nicht mehr gewünscht zu sein!

@ Realo:
Wenn Sie etwas zu kritisieren haben, dann bitte konkret ohne irgendwelche Unterstellungen. Falls Ihnen in meinem oben (ich finde recht langem) Statement irgednwas „wachsweich“ vorkam oder in einer anderen Antwort, könnten Sie ja mal konkret nachfragen, OHNE mir gleich wieder irgendwas zu unterstellen, was ich nicht denke!!!
(Ich habe wirklich den Eindruck, dass es einigen Menschen hier im Forum sehr schwer fällt, mal nicht von sich auf andere zu schließen.)
Grundsätzlich akzeptiere ich jede Meinung – auch die der Inklusionsgegner! Ich fühle mich keineswegs „besser“ oder „erhabener“, nur weil ich der Meinung bin, dass Inklusion etwas Gutes ist! Ich sehe aber auch nicht ein, mich deswegen „schlechter“ oder als „minderbemittelt“ fühlen zu müssen.
Ich bin am Austausch der Argumente interessiert – aber nicht an Beleidigungen oder Beschimpfungen. Ehrlich gesagt, finde ich solche Äußerungen wie Ihre, Realo, eher ärgerlich als weiterführend.
Das war jetzt meine Antwort auf Ihre Unterstellung – und wenn Sie keine konkreten Anhaltspunkte nennen können, wie Sie auf Ihre doch sehr diffamierenden Bemerkungen kommen, wäre ich Ihnen dankbar, solche Äußerungen in Zukunft zu unterlassen! Danke schon mal im Voraus!

Milch der frommen Denkungsart
9 Jahre zuvor

Nun, ich versuche es folgendermaßen:

Es ist eine Sache, das Hohelied auf ein inklusives soziales Miteinander in der Schule zu singen,
aber andererseits die Tatsache zu ignorieren, daß kein noch so gut ausgebildeter Lehrer es
vermag in einer Klasse einen auch nur ansatzweise anspruchs- wie sinnvollen Unterricht abzu-
halten (und dies muß nach meinem Verständnis zuvorderst das Primärziel sein), wenn er den
weitaus größten Teil seiner Aufmerksamkeit vielleicht auch nur einer Handvoll emotional oder
geistig gehandicapter Kinder zu widmen gezwungen ist, die gar nicht anders können, als ihm
in Kürze verhaltensauffällig bzw. intellektuell von der Fahne zu gehen; dies wird jeder Praktiker
ohne Umschweife bestätigen – natürlich unter Verletzung der heutzutage wie ein Damokles-
schwert über unser aller Köpfe schwebenden „political correctness“.
Eine solche Warnung will freilich von einer Masse an Theoretikern gar nicht gehört werden,
da sie deren egalitaristisches Wolkenkuckucksheim mit Einsturz bedroht.
Nochmals: auch ich bin für jede mögliche wie machbare Inklusionsform – allerdings darf es nie-
mals zu dem Fazit gelangen, daß dies zu einer Anspuchsnivellierung nach unten führt, indem
man sich im anderen Extrem nicht mehr um die starken Schüler kümmern kann und eine Klas-
se zu einem inklusiven, leistungsarmen Einheitsragout verkocht, in dem sich kein Schüler letzt-
lich mehr wohlfühlt und mithin jedes „soziale Miteinander“ zur Farce verkommt.

Kira-2
9 Jahre zuvor

Hmmm…
Ich stelle gerade fest, dass ich all das, was Sie ausgeführt haben, voll und ganz unterstützen kann!!! Ohne Einwände!!!

Dennoch bin ich Inklusionsbefürworter – und Sie Gegner (oder zumindest nach außen hin, denn Sie schreiben ja: „auch ich bin für jede mögliche wie machbare Inklusionsform“)

Nichts anderes habe ich bislang gesagt: Inklusion ist wichtig und richtig – aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen! Und ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen muss die Inklusion scheitern.

Ich bin bei der Inklusion niemals von einem einzigen Lehrer in der Klasse ausgegangen. Ein Team von mindestens zwei Personen (zumindest einer Integrationskraft) ist unerlässlich. Bei Kunst, Musik, Sport, vielleicht auch bei Religion mag es zumindest bei den lernbehinderten Kindern nicht ganz so notwendig sein – bei den Kindern mit emotional-sozialen Problemen bzw. bei geistig behinderten Kindern aber sehr wohl.

Ich weiß nicht, ob irgendein Inklusionsbefürworter die anderen Kinder ausbremsen möchte, damit auch die lernschwachen mitkommen, ich zumindest nicht. Es ist wichtig, dass jedes Kind gefordert wird – das sehe ich ganz genauso. Aber Unterricht ist doch ohnehin nur selten so aufgebaut, dass alle Kinder zu jeder Zeit das gleiche machen. Es gibt doch in jeder Klasse (auch in den „normalen“ Klassen) Kinder, die schneller und besser lernen und Kinder, die langsamer und schwieriger lernen. Da muss man doch auch ohne Inklusion Rücksicht drauf nehmen und alle irgendwie mitnehmen, soweit wie möglich. Auch da versucht man nicht, die Besseren auszubremsen und die Schlechteren vollkommen abzuhängen.

Und Kinder, die einem das Leben als Lehrer zur Hölle machen, gibt es auch ohne anerkannte emotionale-soziale Defizite, so dass auch in „normalen“ Klassen nicht immer der Unterricht stattfinden kann, den man sich vorstellt. All das ist doch ganz unabhängig von Inklusion!

Und, um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Ich bin sehr für Inklusion – aber nur mit entsprechenen Rahmenbedingungen. Ohne diese Bedingungen wird und muss Inklusion scheitern und werden die inklusiven Kinder im Regelschulsystem untergehen. Dennoch finde ich es wichtig, dass die Inklusion stattfindet. Solange aber die Politik alles stets zum Nulltarif erwartet, kann nichts klappen. Wie kann man erwarten, einen Porsche zu bekommen, aber nur den Preis für eine Ente zahlen zu wollen?

realo
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Die Karte „Rahmenbedingungen“ kommt mir ebenfalls zum Hals heraus. Auch sie wird von Inklusionsbefürwortern ständig aus der Tasche gezogen, um den Blick von der Inklusion ab- und zu den äußeren Bedingungen hinzulenken. Dabeil weiß m. E. jeder, dass die besten Rahmenbedingungen (im Übrigen unbezahlbar!) die Folgen anmaßender Ideen nicht beheben, höchstens retuschieren können. Und wenn die Inklusion dann doch ihr wahres Gesicht zeigt, hat man in den Rahmenbedingungen, die nie ausreichen werden und können, einen prächtigen Sündenbock.
Außerdem: Ein Miteinander gibt es auch in Fördereinrichtungen. Vielleicht sogar ein besseres. Oder ist es dort minderwertig?

@Milch der frommen Denkungsart
Danke für Ihre klaren, überaus einleuchtenden Worte, mit denen Sie allerdings auf jene typische Watte gestoßen sind, von der ich sprach.

Milch der frommen Denkungsart
9 Jahre zuvor
Antwortet  realo

Genau diese Bedenken trage ich auch mit mir: Niemals wird die Bildungspolitik,
sogar wenn sie von vermeintlich „progressiven“ moralingeschwängerten Ge-
sinnungsethikern verantwortet würde, nur ansatzweise die finanziellen wie in-
frastrukturellen Mittel zur Verfügung stellen, die für das inklusive Paradies auf
Erden vonnöten wären; wer dies tatsächlich meint, hängt in meinen Augen
leichtgläubig einem „Utopia“ nach. Tatsächlich wird das Problem wie so oft
großspurig der „Selbstverantwortung“ der Schulen zugeschoben, diese frei-
lich ansonsten völlig alleingelassen werden; und die Schwadroneure werden
ihre Hände in Unschuld waschen, wenn die totale Inklusion sich notwendi-
gerweise als Totgeburt entpuppt.