DPhV-Vorsitzender gegen Totalinklusion

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BERLIN. Eine Behinderung verstellt einem Kind nicht generell den Zugang zum Gymnasium. Voraussetzung sei allerdings in aller Regel, dass der Schüler das Bildungsziel dieser Schulform – das Abitur – auch erreichen könne. Das sagt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes (DPhV), Heinz-Peter Meidinger.

Die Gymnasien stellten sich selbstverständlich den Herausforderungen der Inklusion, so der Verbandsvorsitzende. An fast allen Gymnasien gebe es inzwischen einen wachsenden Anteil von Schülern mit Behinderungen. Sie würden trotz vielfach unzureichender personeller und finanzieller Zuweisungen mit viel Engagement von Gymnasiallehrkräften intensiv betreut und unterrichtet.

„Allein aber bei dieser Riesenaufgabe der Inklusion von Kindern mit körperlichen Behinderungen gibt es noch ein enormes Pensum an Hausaufgaben durch die Landesregierungen zu erledigen“, sagt der DPhV-Vorsitzende. So verfüge die große Mehrheit aller deutschen Gymnasien nach wie vor über keine behindertengerechten Aufzüge. Zudem fehle es häufig an zusätzlich erforderlichen personellen Ressourcen für eine erfolgreiche Inklusion. Die Anzahl der Inklusionsschüler mit körperlichen Behinderungen könne bei besserer Ausstattung der Gymnasien mit Sicherheit noch deutlich gesteigert werden, so der Verbandschef. Meidinger gibt aber auch zu bedenken, dass mit Sicherheit niemals jedes Gymnasium auf die Bedürfnisse aller Arten von körperlicher Behinderung in gleicher Weise vorbereitet sein könne wie eine darauf spezialisierte Schule. So erforderten die wünschenswerten Zusatzausstattungen und Umbauten allein für sehbehinderte Schüler pro Gymnasium Beträge im sechsstelligen Bereich.

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Gymnasien stehen in der Regel auch Kindern mit Behinderungen offen, sagt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes Heinz-Peter Meidinger. Foto: twicepix / flickr (CC BY-SA 2.0)

Meidinger warnt außerdem vor einem falschen vordergründigen Verständnis von Inklusion, das den Erfolg bei der Umsetzung der UN-Konvention an formal erreichten Quoten messe. „Manches Bundesland, das sich im innerdeutschen Vergleich mit hohen Inklusionsquoten brüstet, hat zwar Förderzentren geschlossen, aber wenig bis nichts dafür getan, dass die Qualität der Beschulung behinderter Kinder in den Regelschulen erhalten oder gesteigert wird.“ Die Standards seien dagegen vielfach abgesenkt worden. Kinder mit Behinderungen befänden sich nun an Regelschulen in Lerngruppen, die dreimal so groß seien wie ihre bisherigen. „Man muss es ganz klar sagen: Quoten sind nicht gleichbedeutend mit Qualität und die Erfahrung lehrt: Inklusion kann auch als Sparmodell missbraucht werden!“

Ziel der UN-Konvention zu den Rechten behinderter Menschen sei die weitestgehende Inklusion dieser Menschen in die Gesellschaft, so Meidinger. Das bedeute, dass es ihnen ermöglicht werden soll, gleichberechtigt und selbstständig am gesellschaftlichen, politischen und sozialen Leben teilzunehmen. Wenn es etwa darum gehe, geistig behinderten Kindern an Schulen in intensiver Betreuung die notwendigsten Dinge für eine selbstständige Lebensführung beizubringen, sei das Gymnasium in der Regel nicht der geeignete Ort und Weg, um Inklusion als Ziel zu verwirklichen. „Das hat nichts mit einer Abschiebementalität zu tun, sondern mit Verantwortungsbewusstsein und realistischer Einschätzung der eigenen Möglichkeiten! Nicht wenigen, die das Gymnasium zur Aufnahme aller Schüler zwingen wollen, egal, ob diese das Bildungsziel Abitur erreichen könnten oder nicht, geht es letztendlich um die Abschaffung dieser Schulart, die in ihrer Attraktivität Gesamtschulbefürwortern schon immer ein Dorn im Auge war!“, bekräftigt der Verbandschef.

Unter Bezug auf angebliche Inklusionsmusterländer verwies Meidinger darauf, dass selbst in Finnland von den Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine nicht geringe Anzahl (8 Prozent der Gesamtschülerzahl) in eigenen Klassen und eigenen Schulen (3 Prozent) beschult werden müsse.

Der Verbandsvorsitzende plädiert daher dafür, die Kooperationsmodelle zwischen Gymnasien und Förderschulen mit geistig Behinderten auszubauen. „Anstatt einer wenig zielführenden Totalinklusion geht es dabei darum, in geeigneten Fächern wie Kunst, Musik, Sport oder Theater gemeinsame Projekte durchzuführen, die beiden Seiten Gewinn bringen, zum Beispiel auch den Gymnasiasten einen Zuwachs an Sozialkompetenz!“

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