Förderansätze bei Legasthenie – 18. BVL-Bundeskongress

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ERFURT. Fünf bis sechs Prozent der deutschen Schulkinder leiden an einer Legasthenie, einer Lese- und Rechtschreibstörung, so Kinder- und Jugendpsychiater Gerd Schulte-Körne von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Oft werde die Störung zu spät erkannt, meist erst dann, wenn die Kinder psychische Probleme entwickeln, wie Angst vor der Schule, morgens Bauch- und Kopfschmerzen haben.

Cordula Löffler von der Pädagogischen Hochschule Weingarten warnt, dass Legasthenie ein lebenslanges Problem ist. Die deutlich verlangsamte Lesegeschwindigkeit und das beeinträchtigte Leseverständnis, die vielen Rechtschreibfehler – trotz intensiven Übens – beherrschten die Schullaufbahn der betroffenen Kinder. Nicht wenige dieser Kinder würden als Erwachsene zu funktionalen Analphabeten. Das Wegbleiben von der Schule, ein schlechter Schulabschluss trotz guter Begabung, vermehrte psychische Auffälligkeiten – all das seien Folgen der Legasthenie, so Günter Esser von der Universität Potsdam.

Etwa vier Prozent aller Schüler in Deutschland leiden unter Legasthenie. Foto: gumtau / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Fünf bis sechs Prozent der deutschen Schüler leiden dem Kinder- und Jugendpsychiater Gerd Schulte-Körne zufolge unter Legasthenie. Foto: gumtau / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Doch was hilft bei Legasthenie? – dieser Frage widmet sich der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL) auf seinem 18. Bundeskongress vom 9. bis 11. Mai in Erfurt. Nach Angaben des BVL gibt es viele, sehr unterschiedliche Hilfsangebote, über deren Wirksamkeit bisher wenig bekannt ist. Eine durchgeführte Metaanalyse helfe nun, die wirksamen von den unwirksamen Methoden zu trennen. Die Ergebnisse werden dem Verband zufolge erstmals öffentlich in Erfurt vorgestellt. Demnach sind Übungen, die die Augenbewegungen trainieren oder die Fähigkeit, Töne zu unterscheiden, keine vielversprechenden Hilfen. Gleiches gelte für den Einsatz spezieller Brillen oder von Medikamenten. Hingegen sind den Wissenschaftlern zufolge das systematische Erlernen der Buchstaben-Laut-Zuordnung, das Durchgliedern des Wortes in seine Silben und das Erkennen der orthographischen Regelmäßigkeiten der Wörter wichtige Ansätze einer erfolgreichen Förderkonzeption.

Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse würden jedoch in der Praxis oft nicht umgesetzt, beklagt Christine Sczygiel, Bundesvorsitzende des BVL. Es gebe allerdings auch Ausnahmen wie die Bertolt-Brecht-Gesamtschule in Bonn, die der BVL erst kürzlich für sein Schulkonzept zur Förderung von Schülern mit Lese- und Rechtschreibstörung ausgezeichnet hat. Teil des Konzepts sind die systematische Fortbildung der Lehrer, die Einbindung der Eltern, die individuelle LRS-Förderung für die Schüler in Gruppen sowie die klaren Zuständigkeiten in der Schule für alle, die Fragen zur Legasthenie haben.

In über 50 Symposien zu zentralen Themen der Legasthenie und auch der Dyskalkulie haben Besucher des 18. BVL-Bundeskongresses die Möglichkeit, in den Austausch mit anerkannten Wissenschaftlern und Praktikern zu kommen. In 16 Workshops werden zusätzlich praktische Übungen und vertiefende Informationen zu Diagnostik und Förderung bei Legasthenie und Dyskalkulie angeboten. Anmeldungen zum Kongress sind an der Tageskasse im Congress Center Erfurt möglich. Das Gesamtprogramm finden Interessierte unter www.bvl-legasthenie.de

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2 Kommentare
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Monika Baumgartner
9 Jahre zuvor

Liebes Redaktionsteam,

es ist nicht alles Gold was glänzt und das Erlernen der Buchstabenlautzuordnung ist erstens unglaublich mühsam
und langwierig und zweites schier unmöglich, wenn ein Kind eine Hörwahrnehmungsstörung hat. Dann handelt
es sich um ein reines Gedächtnistraining und die Ursache, nämlich fehlende Neuronenvernetzung im Sprachzentrum mit dem Hörwahrnehmungszentrum wird einfach nicht erkannt.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Baumgartner Dipl. Psychologin und Legasthenie-Expertin

m. n.
9 Jahre zuvor

Sie schreiben: „das Erlernen der Buchstabenlautzuordnung ist erstens unglaublich mühsam
und langwierig…“
Das stimmt einfach nicht bei Kindern, die keine Legasthenie-Probleme haben. Ihre Behauptung aus der Erfahrung mt Ihren Behandlungsfällen zu ziehen, ist m. E. unseriös.