Löhrmann beim Bundeskongress Schulleitung: „Lehrer aus dem Einzelkämpfertum befreien“

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DORTMUND. Sylvia Löhrmann, Schulministerin von Nordrhein-Westfalen und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, hat sich für eine „angstfreie Schule“ mit einem besseren Miteinander ausgesprochen. Vor rund 300 Teilnehmern beim Bundeskongress Schulleitung in Dortmund sprach sie sich dafür aus, „Fehler zuzulassen, um daraus zu lernen“ – und zwar gleichermaßen im Umgang mit den Schülern wie im Kollegium. „Wir müssen die Lehrer aus dem Einzelkämpfertum befreien“, sagte sie.

Würdigte die Arbeit von Schulleitungen: NRW Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto: Alex Büttner
Würdigte die Arbeit von Schulleitungen: NRW Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne). Foto: Alex Büttner

Was ist ein Schulleiter – ein primus inter pares? Oder der Chef eines mittelständischen Unternehmens? Ein Pädagoge mit zusätzlichen Verwaltungsaufgaben? Ein Schulmanager? Das nette Gesicht einer Schule nach außen? Oder der strenge Ordnungshüter fürs Kollegium?  Unausgesprochen kreisten alle Beiträge auf der Bühne im Plenum des Bundeskongresses Schulleitung im Kongresszentrum der Westfalenhalle Dortmund um das künftige Rollenverständnis von pädagogischen Führungskräften. Deutlich wurde dabei  vor allem zweierlei. Erstens: Das Berufsbild ist im Wandel. Zweitens: Die Aufgabe wird nicht leichter. Schon deshalb nicht, weil es offenbar an einer klaren Rollendefinition fehlt – und Amtsträger sich einer wachsenden Fülle von sich zum Teil widersprechenden Erwartungen gegenübersehen.

In welche Verstrickungen sich ein Direktor dabei begeben kann, schilderte eine Schulleiterin, die – aus dem Auslandsschuldienst kommend – mit den nordrhein-westfälischen Gepflogenheiten eines weitgehend hierarchiefreien Miteinanders nicht (mehr) vertraut war. Sie habe, so berichtete sie, die mittlere Führungsebene, also die Fachbereichsleiter und Stufenleiter, stärker in die Führungsverantwortung nehmen  wollen (was zuvor der Gründungsdirektor des renommierten Instituts für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund, Prof. em. Hans-Günter Rolff, den Schulen empfohlen hatte) – „das größte Fettnäpfchen, das ich finden konnte“, so die Schulleiterin. Denn das Kollegium habe die Einführung einer Hierarchie nicht hinnehmen wollen und mit allen Mitteln, auch juristischen, bekämpft.

Solche Unsicherheiten dürften kaum dazu beitragen, die Leitungsfunktion attraktiver zu machen. Tatsächlich fehlt ja auch, insbesondere in den vergleichsweise schlecht bezahlten Grundschulen, der Nachwuchs. Gudrun Wolters-Vogeler, Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Schulleitungsverbands, kündigte dann auch eine Kampagne an, die Schulleitung als eigenständiges Berufsbild etablieren soll – und zwar auf der Ebene der Kultusministerkonferenz, also bundesweit. Sie forderte einheitliche Standards in der Schulleiteraus- und -weiterbildung, bei der Leitungszeit und bei den Dienstvorgesetztenregelungen.

Heinz Hundeloh, Leiter des Bereichs Bildungseinrichtungen der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen und Buchautor („Gesundheitsmanagement an Schulen“), wies auf die zunehmende Belastung von Schulleitungen hin. So ergab eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg im Auftrag der Unfallkasse (bezogen auf NRW – die Ergebnisse dürfen aber übertragbar auf andere Bundesländer sein):

  • Schulleitungen fühlen sich am stärksten durch die Arbeitsmenge sowie durch Regelungen des Schulministeriums und der Schulaufsicht belastet, wohingegen die Zusammenarbeit mit dem Kollegium als wenig belastend wahrgenommen wird.
  • Etwa ein Fünftel aller Befragten weisen ein geringes Wohlbefinden auf. Differenziert nach Schulform findet sich das geringste Wohlbefinden unter den Grundschulleitungen.
  • Psychosomatische Beschwerden werden am häufigsten von weiblichen Schulleitungen sowie Schulleitungen aus Grundschulen berichtet. Insgesamt überwiegen Abgespanntheits-, Antriebs-, Müdigkeits- und Überlastungserscheinungen sowie Glieder- und Muskelbeschwerden.
  • Lediglich etwas mehr als ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass ihre Gesundheit und Kraft ausreichen, um die Tätigkeit als Schulleitung bis zum Pensionsalter ausüben zu können.

Hundeloh erntete den Beifall des Publikums für sein Fazit: „Wir müssen dazu kommen, den pädagogischen Führungskräften mehr Zeit und Ressourcen für die pädagogische Arbeit zu verschaffen“, was andersherum bedeute: die Verwaltungs- und Managementaufgaben zu reduzieren.

Mit launigen Stückchen am Klavier leitete der Moderator, Prof. em. Bernd Gasch von der TU Dortmund (ein bemerkenswert guter Pianist), die Auftritte der Gäste beim Bundeskongresses ein. Die Rede von  NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), Präsidentin der Kultusministerkonferenz, eröffnete er augenzwinkernd mit der Melodie der britischen Nationalhymne („God Save the Queen“) – was diese mit einem breiten Lächeln quittierte. Um dann aber doch ernst anzumerken: Es sei vielleicht ein Teil des Problems in der deutschen Bildungspolitik, dass man meine, eine KMK-Präsidentin könne alle Schwierigkeiten mal eben im Alleingang regeln – wo es dabei doch vor allem auf die Menschen vor Ort ankomme, eben auch auf die Schulleiterinnen und Schulleiter. Die Funktion sei mit einer hohen Verantwortung verbunden, aber auch mit großen Einflussmöglichkeiten. „Keine Schule, kein Kollegium gleicht einem anderen“, sagte Löhrmann. Entsprechend individuell müsse die Führung zugeschnitten sein. Schulleiter seien „Motoren der Schulentwicklung“, und nicht jeder Lehrer sei den Anforderungen gewachsen.

Denn die Herausforderungen an Schulleiter seien groß  – und sie würden wachsen. „Ich setze mich für die größere Eigenverantwortung von Schule ein“, sagte Löhrmann. Die wichtigste Aufgabe von Schulleitungen dabei: „eine respektvolle und wertschätzende Umgebung zu schaffen – nach den Prinzipien, die auch im Klassenzimmer gelten“. Dies gelinge nur mit einem kooperativen Führungsstil. „Wer glaubt, er müsse alles allein machen, hat schon verloren“. Ein Erfolgsfaktor von  Schulentwicklung sei es, die Eltern einzubeziehen – ein weiterer, eine „Feedbackkultur“ zu entwickeln, durch Schüler, durch Kollgen (die in ihrem Unterricht gegenseitig hospitieren). „Schaffen Sie einen Raum, um über Lehrerhandeln zu sprechen“, so forderte sie die anwesenden Schulleiterinnen und Schulleiter auf. Nur im Austausch könne Schulentwicklung gelingen. Löhrmann:  „Mir geht es darum, dass wir daran gehen, die Schätze zu heben, die in Schule verborgen sind.“ News4teachers

 

Rund 300 Schulleiterinnen und Schulleiter sind an diesem Wochenende aus ganz Deutschland in Dortmund zusammengekommen. Foto: Alex Büttner
Rund 300 Schulleiterinnen und Schulleiter sind an diesem Wochenende aus ganz Deutschland in Dortmund zusammengekommen. Foto: Alex Büttner
Podiumsdiskussion auf dem Bundeskongress. Foto: Alex Büttner
Podiumsdiskussion auf dem Bundeskongress. Foto: Alex Büttner
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storb
9 Jahre zuvor

Lustig zu lesen, dass Löhrmann anderen empfiehlt zu praktizieren, was sie selbst zu praktizieren nicht fähig ist.