Presseschau: Bundesweite Debatte über Porno-Links in Wikipedia

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DÜSSELDORF. Der Artikel „Porno-Links in Wikipedia“ der news4teachers.de-Redaktion hat eine breite öffentliche Debatte entfacht. Von „Deutschlandradio Kultur“ bis zur „Bild“-Zeitung haben Medien und Kommentatoren quer durch die Republik  und bis nach Österreich und in die Schweiz das Thema aufgegriffen.

Es rauscht im Blätterwald - der News4teachers-Bericht zu Wikipedia wird von vielen Medien zitiert. Screenshots
Es rauscht im Blätterwald – der News4teachers-Bericht zu Wikipedia wird von vielen Medien zitiert. Screenshots

Eine Auswahl:

„Finger weg von Wikipedia!“, heißt es bei Deutschlandradio Kultur, anschließend zitiert die Redaktion Lehrerverbandspräsident Kraus und den Artikel von news4teachers.de.

Dass das Thema auch jenseits des Bildungsbürgertums bewegt, belegt die Berichterstattung der Technik-Nachrichtenseite heise.de. Unter einem Beitrag mit dem Titel „Lehrerverband erzürnt über Porno-Links in Wikipedia“ kann die Webseite mehr als 300 Kommentare verbuchen.

Bild.de schreibt „Lehrer haben Angst um Schüler. Porno-Alarm bei Wikipedia!“ und fügt ein Zitat des Wikipedia Pressesprechers hinzu: „Wikipedia-Artikel sind niemals „fertig“, jedes Mitglied kann Artikel verändern und Bilder hochladen, alle Bearbeitungen sind öffentlich einsehbar, können hinterfragt, kritisiert und diskutiert werden. Pressesprecher Michael Jahn: „Je mehr Menschen sich selbst aktiv an der Verbesserung von Inhalten beteiligen, desto mehr Kontrolle. Wikipedia ist nur eine Plattform – kontrolliert oder gelöscht wird nicht.“

Auch die norddeutsche Zeitung „Shz“ ergänzt ihren Beitrag um ein Zitat des Wikimedia-Sprecher Michael Jahn. Wikipedia sei ein offenes System, das von jedem Internetnutzer bearbeitet werden könne. Der Hinweis, Eltern sollten darauf achten, was ihre Kinder im Internet tun, habe weniger etwas mit Wikipedia zu tun, als vielmehr mit dem Netz allgemein, so Jahn.

Das „Handelsblatt“ hat in der Wikipedia zum Thema nachrecherchiert und berichtet: „Auf der Wikipedia-Seite ‚Samenerguss‘ findet sich ein Bild, das – in vier Phasen – einen erigierten Penis während der Ejakulation zeigt. Auf der zum Artikel gehörenden Diskussionsseite wird das von den Administratoren unterschiedlich bewertet: „Eine gezeichnete Darstellung würde vollkommen ausreichen“, kritisiert einer der Autoren. Er fühle sich von dem Wikipedia-Artikel in der jetzigen Form „belästigt“. „Was ist an der Darstellung einer Ejakulation denn so schlimm?“, erwidert ein anderer Wikipedianer. „Alles, was mit einer natürlichen Sexualität zusammenhängt, ist weder schmutzig noch anstößig.“

Die Forderung von Lehrerverbandspräsident Kraus, anstössige Inhalte entfernen zu lassen, hält die Handelsblatt-Autorin für „wenig realistisch. Denn Wikipedia ist als offene Plattform und freie Enzyklopädie konzipiert: Jeder kann mitarbeiten und – auch anonym – Artikel anlegen, weiterschreiben und korrigieren.“

Auch die Zeitung „Die Welt“ interessiert sich für die Frage, wie man mit den kritisierten Inhalten umgeht. „Fraglich ist, ab wann potenziell jugendgefährdende Inhalte auf Online-Seiten wie der Wikipedia über den Zweck der reinen Wissensvermittlung hinausgehen.“

Der Autor schreibt weiter: Schon in der Vergangenheit seien europäische Regierungsbehörden daran gescheitert, die Wikipedia zu verändern – der französische Militärnachrichtendienst etwa habe versucht, einen Artikel über einen militärischen Funksender entfernen zu lassen, und sei angesichts des Widerstands der internationalen Autorengemeinde der Wikipedia machtlos, mehr noch: „Die französischen Sicherheitsbehörden lenkten durch ihren Eingriff gerade erst die Aufmerksamkeit auf den entsprechenden Wikipedia-Eintrag.“ Einen ähnlichen Effekt könne der Lehrerverband nun bei seinen Schülern erreicht haben.

Eine Einordnung in die zeitlichen Abläufe bei der Wikipedia liefert „T-Online“. Offenbar hatte Wikipedia-Gründer Jimmy Wales 2010 schon einmal versucht, pornografisches Material auf Wikipedia zu löschen und dafür herbe Kritik bei den Nutzern geernet. Das habe schließlich dazu geführt, dass er seine „Gründerrechte“ an der Plafform aufgab.

Neben den deutschen Medien berichtet auch der österreichische Standard über das Thema.  Die Autoren zitieren Lehrerverband-Chef Kraus mit seiner Forderung nach „Entzauberung“ der Plattform als „Ausweis vermeintlicher Schwarm-Intelligenz“. Auch in der Schweiz ist die Diskussion um Wikipedia ein Thema. So schreibt der „Blick“ (Zürich): „Das berühmte Internetlexikon Wikipedia, das von vielen Schülern und Jugendlichen genutzt wird, steht für fast unbeschränktes Wissen. Nun aber gerät die Internet-Enzyklopädie zunehmend in Verruf. Denn: In vermeintlich sachlichen Beschrieben wurden wiederholt pornographische Inhalte gefunden. Unter dem Stichwort «Vagina» lassen sich etwa Bilder einer Frau finden, die sich eine Zucchini einführt. Und auch unter dem Suchbegriff «Piercing» werden erotische Inhalte angezeigt. Die Liste solcher Begriffe ist lange.“ nin

Zum Bericht „Porno-Links in Wikipedia: Deutscher Lehrerverband fordert Schulminister zum Handeln auf“

Zum Bericht „Pornolinks in Wikipedia“

Zum Kommentar „Ein politischer Skandal“

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7 Kommentare
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klexel
9 Jahre zuvor

Ich verstehe diesen Hype jetzt nicht. Das Thema ist doch nicht neu. Im Artikel von gestern hatte ich einen Link von 2012 gepostet.
Hier ein anderer Link von 2010:
http://www.t-online.de/computer/internet/id_41708038/porno-streit-wikipedia-gruender-wales-gibt-rechte-ab.html

Markus O
9 Jahre zuvor

Ganz ehrlich?

Wenn ich Wikipedia wäre, würde ich die Redaktion auf üble Rufschädigung verklagen und sie würden sogar vor Gericht 100% gewinnen.

Als Informatiker und Sozialpädagoge bin ich von solchen Menschen, die derartiges so unreflektiert und reißerisch aufs Tapet bringen, enttäuscht und wirft uns in der Diskussion, über den Umgang mit Pornographie wieder ein Stückchen zurück.

Einfach nur schäbig.

Bernd
9 Jahre zuvor
Antwortet  Markus O

Schon mal was von Pressefreiheit gehört?

hilarus@t-online.de
9 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Pressefreiheit sollte man nicht als Narrenfreiheit fehlinterpretieren. Sonst entwertet man am Ende die Pressefreiheit selbst.
In der Tat ließe und läßt sich über die Thema „Pornographie im Internet“ und Kinderschutz trefflich diskutieren. Aber der vorliegende Artikel ruft eher zu Verboten denn zu Diskussionen auf und stellt einen Angriff auf Wikipedia dar, vorgetragen teilweise mit überzogenen „journalistischen“ Mitteln. Wer glaubt, damit dem Problem begegnen zu können, ist noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen.

A. S.
9 Jahre zuvor
Antwortet  Markus O

Sie scheinen sich nicht vorstellen zu können, dass es Menschen wie mich gibt, die die Presseschau hier als interessant und gut ansehen „ in der Diskussion über den Umgang mit Pornographie“. Wenn es nach Ihnen ginge, dürfte doch überhaupt keine Diskussion über die Pornobilder bei Wikipedia stattfinden, weil Sie in kritischen Stimmen „üble Rufschädigung“ sehen, die vor Gericht gehört und bestraft werden muss.
Mit nur einer Meinung lässt sich aber unmöglich diskutieren, sondern nur ein einhelliges Lob auf Wikipedia singen. Vielleicht ist es das, was Sie als Fortschritt „in der Diskussion, über den Umgang mit Pornographie“ ansehen.
Ganz ehrlich?

jagothello
9 Jahre zuvor

Mal angenommen, man bezeichnet diverse Bilder bei W. wirklich als „Pornographie“ (es mag sie ja mal geben; ich habe dort noch keine ausgemacht); es ist geradezu absurd, dies zu einer Angelegenheit für den Jugendschutz bzw. für die Schulbehörden zu machen! Ca. 80% der in den Ländern verwendeten Bildungsmedien sind genehmigungspflichtig für den Einsatz im Unterricht. Wikipedia, wie Milliarden anderer Seiten, unterliegt dieser Genehmigungspflicht nicht und das aus gutem Grund; Wikipedia ist kein Medium ausschließlich für Kinder und Jugendliche, geschweige denn für Schüler, sondern ein für jedermann frei zugängliches Medium- eben ein Wiki. Wer die Qualität der Wikipedia für die Schule für zweifelhaft hält, kommt im 21. Jahrhundert nicht darum herum, Alternativen zur Verfügung zu stellen und Medienkompetenz auf Schüler- und Lehrerseite herzustellen. Verbote und Zensur, wie sie dem „deutschen Lehrerverband“ vorzuschweben scheinen, sind unrealistisch und helfen gar nichts.