Mit Reiskocher im Handgepäck: Chinesische Studenten in Deutschland

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In China essen sie Hunde, trinken Tee und tragen spitze Strohhüte: chinesische Studenten werden in Deutschland oft mit Vorurteilen konfrontiert. Dabei bilden sie mittlerweile die größte Gruppe unter den ausländischen Studierenden. Und sie sind die erfolgreichsten.

 

Düsseldorf (dpa/lnw) – Skeptisch betrachtet Zhang Qingwei in der Bonner Uni-Mensa die drei Kartoffel-Rösti auf seinem Teller. Dann sticht er mit der Gabel hinein, trennt ein Stück ab und steckt es in den Mund. Der 27-Jährige kommt aus Xi’an in Zentralchina und schreibt gerade seine Doktorarbeit in Biologie. Bereits seit drei Jahren lebt er in Bonn, zwei weitere Jahre wird er wohl noch in «Degou» (Deutschland) verbringen.

Die Bundesrepublik liegt, hinter den USA und Großbritannien, bei chinesischen Studenten auf Platz drei der beliebtesten Länder für ein Auslandssemester: rund 27 000 Studierende aus China waren im Wintersemester 2012/13 an deutschen Unis eingeschrieben, die meisten davon an der Uni Duisburg/Essen und der Uni Aachen. Damit bilden sie die größte Gruppe von ausländischen Studenten. Der Studienaufenthalt ist für die meisten die erste lange Auslandreise – wie erleben sie den europäischen Kulturschock?

«Bevor ich hier her gekommen bin, haben mich Freunde gewarnt: Das Essen ist schrecklich, dein chinesischer Magen wird es nicht vertragen», erzählt Zhang Qingwei kauend. Er selbst habe da nie Probleme gehabt – aber den Reiskocher habe er trotzdem lieber im Handgepäck aus China mitgebracht. Man weiß ja nie.

Im Gegensatz zu Deutschland sind die chinesischen Studenten verpflichtet, einen zweimonatigen Sprachkurs vor der Reise in die Ferne zu besuchen. Erst wenn sie mit dem Basiswissen ausgerüstet sind und den Abschlusstest bestanden haben, dürfen sie mit dem Auslandsstudium beginnen. «Ich möchte gerne noch mehr Deutsch lernen, im Moment haben wir nur vier Stunden Unterricht für die Sprache», erklärt Zhang Qingwei auf Englisch – sein Deutsch ist auf Anfängerniveau stehen geblieben. Mit seinen deutschen Kollegen im Labor spreche er meist Englisch.

Kulturell werden die Studenten aus dem Reich der Mitte nicht auf Europa vorbereitet. «Bevor ich hierher gekommen bin, kannte ich nur deutschen Fußball und Autos», sagt der 27-Jährige. Er fände die Deutschen alle sehr nett, der Großteil seiner Freunde sei jedoch aus China.

Der gleichaltrige Zhu Wei findet weniger schmeichelnde Worte: «Sorry, aber Deutsche sind nicht sehr freundlich. Ich wurde schon oft blöd angemacht und gefragt, wo ich herkomme und was ich hier wolle», sagt er offen heraus. Zhu Wei kommt aus Peking und kümmert sich neben seinem Studium der Medienwissenschaft um die Bibliothek des Konfuzius-Instituts in Düsseldorf. Seine Augen blitzen ein wenig wütend durch die dicke Rahmenbrille. «Es gibt einfach so viele Missverständnisse zwischen Deutschen und Chinesen. Auch wenn die Sprachkenntnisse besser werden, bleibt das Verhältnis oberflächlich. Ich finde das sehr schade.»

Studenten aus China zählen zu den besten in Deutschland. (Illustration: Wikimedia gemeinfrei)
Studenten aus China – hier die Fahne der Volksrepublik China – zählen zu den besten in Deutschland. (Illustration: Wikimedia gemeinfrei)

Zhu Wei kam der Liebe wegen vor fünf Jahren nach Deutschland: seine damalige Freundin wollte hier studieren, er kam mit. Nachdem sie sich getrennt hatten, habe er viele deutsche Freunde gefunden, Chinesen habe er nicht kennengelernt. Dass sich seine chinesischen Kommilitonen oft selbst isolieren, versteht er nicht: «Sie hängen nur miteinander rum, das ist total unnötig.» So werde auch das deutsche Bild der Chinesen nicht besser. «Die meisten Deutschen denken, China sei wie Nordkorea.»

Mehr Annäherung an China von deutscher Seite aus wünscht sich auch Cord Eberspächer, Direktor des Konfuzius-Instituts. Daneben sieht er ein weiteres Problem, mit dem chinesische Studenten in Deutschland konfrontiert werden: «Chinesen leben viel innerhalb ihrer „guanxi“, ihren sozialen Beziehungen wie Freunden und Familien. Schon wegen des Platzmangels leben in China beispielsweise mehrere Studenten auf einem Zimmer zusammen. Das fällt in Deutschland dann plötzlich weg.» Dies sei den deutschen Universitäten nicht bewusst, hier zeige sich noch Nachholbedarf, um den Studenten bei der Integration zu helfen. Denn anders als in China gebe es in Deutschland nicht das typische Campus-Leben, Studenten seien mehr auf sich allein gestellt.

Dong Yumei sieht gerade die Unterschiede als Vorteil. Sie hat neben Zhang Qingwei in der Mensa Platz genommen. «Wir müssen akzeptieren, dass wir anders sind und dass das gut ist, weil wir so etwas voneinander lernen können», sagt die 26-Jährige aus Sichuan und nickt dabei mit dem Kopf. Die vielen Vorurteile, die man von der anderen Kultur habe, würden aber nie ganz verschwinden.

Dong Yumei studiert seit zwei Jahren in Bonn, ihr Deutsch ist sehr gut, später möchte sie vielleicht als Übersetzerin arbeiten. «Ich hatte einen großen Kulturschock, als ich nach Deutschland gekommen bin. Ich hatte Angst, dass ich das allein nicht schaffe», sagt sie. In China hatte sie bis dahin nur von einer deutschen Sache gehört: Fußball. Mittlerweile habe sie sich sehr gut eingelebt, nur die Sache mit dem Essen sei noch schwierig: «Mir fehlt der Feuertopf aus Sichuan.»

Die chinesischen Studenten kommen mit ehrgeizigen Zielen nach Deutschland, ein sehr guter Studienabschluss an einer ausländischen Top-Uni ist daheim auch Statussymbol und wird von den Eltern erwartet. «Die Studenten aus China schneiden sehr gut ab, sie sind die erfolgreichsten ausländischen Studenten in Deutschland. Auch die Abbrecherquote ist sehr niedrig», erklärt Hannelore Bossmann, Referatsleiterin für China beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Die Verantwortung für die soziale Integration sieht sie bei den Universitäten.

Auch Zhang Qingwei und Dong Yumei sehen den großen Druck, gute Noten zu erlangen, als einen Grund für die Isolation der Studenten. «In China ist Arbeit alles. Hier ist die Arbeit nur Arbeit, danach kommt gleich die Freizeit», resümiert Zhang. Diese Einstellung wünsche er sich mehr bei den chinesischen Studenten, denn so könne vielleicht auch mehr Kontakt zu Deutschen entstehen: «Man muss das Leben zusammen genießen.» Bleibt nur noch die Sache mit dem Essen. Amelie Richter

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