Wirtschaft: „Berufsabitur“ soll Facharbeitern die Hochschulen eröffnen

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WIESBADEN. Studium statt Ausbildung sagen sich immer mehr Schulabsolventen in Deutschland. Das duale Ausbildungssystem werde dagegen immer mehr zum Minderheitensystem klagen Unternehmensvertreter und malen das bedrohliche Bild künftigen Facharbeitermangels. Ein sechsmonatiges Zusatzangebot für Berufsschüler soll daher nach dem Willen der hessischen Unternehmensverbände Ausbildung und Studium besser verzahnen.

Mit einem «Berufsabitur» wollen Hessens Unternehmer die Bildungswege flexibler gestalten. Nur durch eine Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung könnten teure Fehlinvestitionen verhindert werden, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), Volker Fasbender. Die hohe Zahl von Studienabbrechern zeige, dass viele Schulabgänger früh «auf die falsche Spur» kämen. Die Akademisierungswelle verschärfe auch den Facharbeitermangel.

Hessen Unternehmensverbände wollen Facharbeitern den Hochschulzugang erleichtern. Foto: dinolino / pixelio.de
Hessen Unternehmensverbände wollen Facharbeitern den Hochschulzugang erleichtern. Foto: dinolino / pixelio.de

Künftig sollten die Hochschulen Facharbeitern auch ohne Zugangsprüfung und ohne Nachweis von Berufspraxis offenstehen. Dazu schlägt der Verband das «Berufsabitur» vor, ein rund sechsmonatiges Zusatzangebot für Auszubildende an beruflichen Schulen. Dies könne die allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife bieten. Derzeit können Facharbeiter nur mit zwei Jahren Berufspraxis und spezieller Eingangsprüfung an den hessischen Hochschulen studieren.

In Deutschland ist inzwischen die Zahl der Studienanfänger fast genauso groß wie die, die eine duale Ausbildung beginnen. Es gehe nicht darum, künftig Schulabgängern das Studium zu verbauen, sagte Fasbender. Theoretisches und praktisches Lernen müsse jedoch neu verknüpft werden. Die duale Ausbildung werde immer mehr zum «Minderheitensystem», kritisierten die Unternehmer.

Fasbender forderte das Land auf, beim «Berufsabitur» zum Pionier zu werden. Hessen könne in eigener Regie neue Maßstäbe setzen. Beifall für die Forderungen der Unternehmer kam von den Gewerkschaften. Man fordere seit Jahren ein Umdenken der Landesregierung bei der Durchlässigkeit der Bildung, hieß es beim hessischen DGB.

Hessen verfüge bereits über eine hohe Durchlässigkeit der Bildungssysteme, meinte dagegen die CDU-Landtagsfraktion. Man dürfe die Akademisierungswelle nicht durch ein sechsmonatiges «Mini-Abitur» weiter forcieren, erklärte der Abgeordnete Hugo Klein.

Die mit der CDU regierenden Grünen halten die Vorschläge des VhU dagegen «im Grundsatz für richtig». Die Hürden beim Zugang zur akademischen Bildung müssten abgebaut und die berufliche Bildung aufgewertet werden, erklärte der Abgeordnete Daniel May.

Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hatte am Dienstag dem Fernsehsender RTL gesagt, dass er Verbesserungen für die Berufsschulen erreichen wolle. Die Diskussion der vergangenen Jahre habe sich zu sehr auf die Gymnasien konzentriert. «Wir müssen uns immer im Klaren sein, dass es auch noch andere Schulen gibt, da will ich die beruflichen Schulen nennen.» Die berufliche Bildung liege ihm sehr am Herzen. «Da können wir noch einiges tun, dieses sehr erfolgreiche System zu optimieren.» (News4teachers, Thomas Maier, dpa)

zum Bericht: Der Trend zum Studium: „Akademisierungswahn“ oder Wandel des Arbeitsmarkts?

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