Zeugnisausgabe: Auch Politiker kennen schlechte Noten – VBE rät zu mehr Gelassenheit

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STUTTGART. Nach und nach bekommen die Schüler in Deutschland vor den Sommerferien ihre Zeugnisse. Ende Juli erhalten Kinder und Jugendliche ihre Noten nun auch in Niedersachsen, Bremen, Bayern und Baden-Württemberg. Der Verband Bildung und Erziehung Baden-Württemberg warnt allerdings davor, dem Zeugnis zu viel Bedeutung zuzumessen. Ein Schüler sei immer mehr als die Summe der Zeugnisnoten, sagt der Landesverbandsvorsitzende Gerhard Brand.

„Zeugnisse können niemals die ganze Schülerpersönlichkeit wiedergeben – ganz gleich, ob diese als reine Ziffernnoten, als ausführliche verbale Beurteilungen oder durch Kompetenzraster ausgegeben werden“, so Brand. Eine Zensur setze sich aus verschiedenen Einzelnoten zusammen und ein „Versagen“ des Schülers in der Schule habe stets verschiedene Ursachen. Nicht immer seien Faulheit oder Gleichgültigkeit der Grund für schlechte Leistungen. Auch Krankheit, seelische Nöte oder eine ständige Überforderung durch die falsche Schulwahl spielen häufig eine Rolle. Zwar seien Zeugnisse für die schulische Laufbahn von Bedeutung, trotzdem rät der Landesverbandsvorsitzende zu mehr Gelassenheit.

Diese Sicht dürften wohl auch einige baden-württembergische Landespolitiker teilen: Wie sich eine Fünf in Mathe oder Französisch anfühlt, ist dem ein oder anderen durchaus bekannt. Manche wissen sogar, wie es ist, eine Ehrenrunde zu drehen, darunter Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne): In der elften Klasse blieb er hängen. Über die genauen Gründe schweigt er – nur so viel: „Ich war eher ein braves Kind, aber kein braver Jugendlicher.“ So seien seine Zeugnisse eher „durchwachsen“ gewesen – vor allem in Mathe. „Das hat schon mit der ersten Mathearbeit angefangen, die ich mit dem schlechtesten Resultat der ganzen Klasse absolviert habe“, erinnert sich der 66-Jährige.

Plant, Lehrerstellen im Ländle abzubauen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann musste in seiner Jugend die 11. Klasse wiederholen. Foto: Die Grünen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Doch in den Zeugnissen des Regierungschefs gab es auch Glanzpunkte: „In Deutsch war ich immer gut bis sehr gut. Naturwissenschaften lagen mir ebenfalls gut.“ Kretschmann, der Lehrer für Biologie, Chemie und Ethik war, rät Schülern und Eltern ebenfalls, Zeugnisse ernst zu nehmen, „aber nicht überzubewerten“. Sie sagten nichts über den Lebensweg aus.

Eine Klasse wiederholt hat auch SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Mit einem Augenzwinkern verrät er: „Ich hatte nicht so viel Zeit zum Lernen. Nachmittags musste ich mich ausruhen, weil ich in der Woche vier Mal abends Saxofon in unserer Soul-Band gespielt habe.“ Zeit zum Lernen fehlte auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) und so gab es „in jeder Klasse und in jeder Schule bessere Schüler als mich“, räumt er ein. Der Grund: „Ich wollte schon in jungen Jahren die Welt retten. Hatte also weniger Zeit zum Lernen.“

Vor allem in der Mittelstufe haben FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke die Noten Kopfzerbrechen bereitet. „Da gab es eine Phase, in der die Zeugnisausgabe kein besonders angenehmer Zeitraum war“, sagt er. „Fünfen gab es am ehesten in Französisch, gelegentlich auch in Mathematik.“ Gute Noten habe er in Deutsch und Geschichte gehabt. Für Umweltminister Franz Untersteller waren Noten ebenfalls ein heikles Thema: „Glanztaten sehen anders aus. Zur Freude gab es keinen Anlass. Jedenfalls nicht beim Abitur“, resümiert der Minister. „Ich habe da eher – diplomatisch gesprochen – zu den durchschnittlichen Schülern gehört.“ Bei Sprachen war die Not besonders groß: „Fünfen waren auch dabei.“

Ministerin Bauer folgt nicht den Empfehlungen der Experten (Foto: Kabinett Kretschmann/Wikimedia CC BY-SA 2.0)
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hatte in der Schule zwar Probleme im Fach Chemie, war aber nie versetzungsgefährdet. (Foto: Kabinett Kretschmann/Wikimedia CC BY-SA 2.0)

Bei der CDU-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2016 läuft es derzeit auf einen Zweikampf zwischen Landeschef Thomas Strobl und Landtagspräsident Guido Wolf hinaus. In ihrer Schulzeit waren beide nicht immer spitze. „Ich war weder Musterschüler noch Problemwolf“, sagt Wolf. Sehr gute Noten gab es in Deutsch und Geschichte, „aber Mathe war nicht meine ganz große Stärke“. Ähnlich ging es Strobl: „Dass ich Kurvendiskussionen so richtig verstanden habe, kann ich nicht behaupten.“ Viele könnten wohl auch seine „gelegentlichen Schwierigkeiten in Latein“ nachvollziehen. Aber: „In Religion und Sport hatte ich meistens ein sehr gut.“

Es gibt aber auch Landespolitiker, die sich gerne an die Zeugnisausgabe erinnern, wie Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). „Für gute und sehr gute Noten gab es Prämien.“ Zwei D-Mark habe er für eine Zwei, fünf für eine Eins bekommen. „Besonders stolz war ich auf eine Eins in Physik und Chemie im Abiturzeugnis, weil mir diese Fächer nie einfach fielen“, sagt Hermann. Finanzminister Nild Schmid (SPD) „war immer in freudiger Erwartung – schließlich folgen auf die Zeugnisse die Sommerferien.»

Das kann Kultusminister Andreas Stoch (SPD) nicht von sich behaupten. „In der dritten Klasse hatte ich mich mal tierisch aufgeregt, weil ich in Religion eine Drei hatte. Eine Drei war inakzeptabel, das hat mich richtig gewurmt“, sagt der Minister. Sein „Steckenpferd“ sei Mathe gewesen. „Kritische Bereiche hatte ich nicht.“ Ähnlich erging es Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. „Meine Eltern waren sehr gelassen, meine Noten waren ja auch nicht schlecht“, erinnert sich die Grünen-Politikerin. „Ich war nie versetzungsgefährdet.“ Ihre Stärken seien Deutsch und Gemeinschaftskunde gewesen. Aber: „In Chemie war ich eine absolute Niete, habe das Fach so schnell wie möglich abgewählt.“ Und die Noten? „Kopfnoten bei mir: immer gut, ich war ein braves Mädchen.“ Jonas Schöll, dpa

 

Zum Bericht: VBE: Grundschulzeugnisse mit Standardformulierungen kommen gut an

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xxx
9 Jahre zuvor

Durch diesen Artikel wird die gesellschaftlich anerkannte Meinung, in Mathematik schlecht sein zu dürfen, mal wieder bestätigt. Übrigens sind gute Noten im Schulfach Biologie (heutzutage) kein Anzeichen für gute Begabungen im naturwissenschaftlichen Bereich, Chemie schon eher, Informatik und Physik definitiv. Nicht umsonst werden Biologieklausuren in der Oberstufe häufig auf _liniertem_ Papier geschrieben und hartes naturwissenschaftliches Arbeiten, sprich die Überprüfung des gesunden Menschenverstandes durch Nutzen von insbesondere mathematischen und / oder physkalisch-chemikalischen Modellen findet kaum statt. Möglicherweise, weil es die Lehrkräfte überfordern würde. Die bemerkenswerten Ergebnisse des Versuch eines Lehrers, eine Biologie-Abiturklausur aus vor und nach Zentralabiturzeiten mit einer Klasse 9 zu schreiben, dürften hinlänglich bekannt sein.

Falls nicht: http://www.fr-online.de/wissenschaft/professor-fuer-didaktik–liegt-halb-richtig–bei-wem-2-2-5-ergibt–,1472788,4444708.html