Studie: Viele Amokläufer hatten Konflikte mit Lehrern

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BERLIN. Mobbing und Ausgrenzung gelten gemeinhin als Hauptfaktoren zur Erklärung von Amokläufen. Zu Unrecht, wie jetzt eine Untersuchung zeigt. In vielen Fällen hätten die Täter vielmehr im Vorfeld Stress oder Ungerechtigkeitserlebnisse mit Lehrern gehabt. Ein eindeutiges Risikoprofil ließ sich aber noch nicht ausmachen.

Stress und Ungerechtigkeitserlebnisse mit Lehrern spielen für Amokläufe an Schulen offenbar eine stärkere Rolle als bisher angenommen. «In über 40 Prozent der Fälle gab es im Vorfeld der Tat Konflikte und Stress mit Lehrern oder anderen Schulvertretern. Das hat uns wirklich überrascht», sagt Prof. Herbert Scheithauer vom Arbeitsbereich Entwicklungswissenschaft und Angewandte Entwicklungspsychologie der Freien Universität Berlin.

Die eigentliche Überraschung für die Wissenschaftler war, dass 43 Prozent der Täter im Vorfeld ihrer Tat Probleme oder Konflikte und Ungerechtigkeitserlebnisse mit Lehrern und Schulvertretern hatten. Foto: Jörg Klemme, Hamburg / pixelio.de
Die eigentliche Überraschung für die Wissenschaftler war, dass 43 Prozent der Täter im Vorfeld ihrer Tat Probleme oder Konflikte und Ungerechtigkeitserlebnisse mit Lehrern und Schulvertretern hatten. Foto: Jörg Klemme, Hamburg / pixelio.de

Dort wurden im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts TARGET („Tat- und Fallanalysen hochexpressiver zielgerichteter Gewalt“) erstmals 37 Studien mit insgesamt 126 Taten in 13 Ländern systematisch untersucht. In 67 Fällen konnten die Forscher detaillierte Analysen zum schulischen Umfeld machen.

Die verbreitete «Einzelgängerthese» wurde dabei nicht bestätigt: Nur ein Viertel der Täter sahen sich als Einzelgänger, bald die Hälfte von ihnen (43 Prozent) hatte durchaus Freunde. «Bislang herrschte die Meinung vor, dass vor allem Mobbing unter Gleichaltrigen neben der sozialen Ausgrenzung der späteren Täter wichtiger Faktor für Schulamokläufe sei», sagt Scheithauer.

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Nun zeigte sich, dass nur knapp 30 Prozent körperlich von Gleichaltrigen gemobbt wurden, etwa die Hälfte fühlte sich in der Schule von Mitschülern ausgegrenzt. «Diese Quote entspricht aber genau den Mobbingerfahrungen an Schulen allgemein, sie ist nicht höher», sagt Scheithauer. Neun von zehn Tätern hatten im Vorfeld Probleme und Konflikte im sozialen Beziehungsnetz, 85 Prozent erlebten soziale Ausgrenzung.

Vor allem für Deutschland, so zeigte eine zweite Studie mit Fokus auf sieben Schulamokläufe hierzulande, spiele das Mobbing offenbar eine geringere Rolle als beispielsweise in den USA. «Schaut man sich die Opfer an, dann sieht man, dass in den USA öfter Gleichaltrige im Visier des Täters stehen, in Deutschland sind es häufig auch Lehrer.»

Ein eindeutiges Risikoprofil lasse sich aus den Erkenntnissen jedoch nicht schälen, betont Scheithauer. «Dazu sind die Faktoren viel zu unspezifisch und oft erst in der Rückschau auffällig.» So sei es zwar tatsächlich so, dass Amokläufer häufig Gewaltvideo-Spiele spielten, aber umgekehrt führten solche Spiele nicht zu Gewalttaten. «Das sind ja extrem seltene Vorfälle.» (dpa)

zum Bericht: Gewalt-Forscherin: Einige Amokläufe in Deutschland wurden verhindert

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4 Kommentare
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rfalio
9 Jahre zuvor

Die Überschrift vermittelt jedem Lehrer gleich Schuldgefühle.
Im Artikel selbst allerdings ist davon überhaupt nicht die Rede!
Sensationsmache? Lehrerkloppe? „Faule Säcke“ aufmischen?
Ist jetzt vielleicht überspitzt. Aber ich hasse unsauberen Journalismus.
rfalio

realo
9 Jahre zuvor
Antwortet  rfalio

Ich hasse ihn auch. Aber wo gibt es noch sauberen Journalismus? Alle namhaften Medien verkünden doch dieselben politisch korrekt eingefärbten Botschaften und verschweigen Unliebsames.
Z. B. wird die Nationalität nicht mehr genannt, wenn Gesetzesbrecher Ausländer sind oder ausländische Wurzeln haben. Das könnte ja Ausländerfeindlichkeit fördern und schädlich sein für die Willkommenskultur.
Z. B. werden die zahlreichen Brandanschläge (besonders in der Vorweihnachtszeit) auf deutsche Kirchen nicht erwähnt, an denen auch die Antifa beteiligt ist und sich sogar offen darüber freut. Siehe: https://autonome-antifa.org/?breve2867
Gegen diese Täter wird häufig sogar noch nicht einmal staatsanwaltschaftlich ermittelt, weswegen sie sich gefahrlos mit ihren Taten brüsten können.
Z. B. ist in den Medien fast nur noch von „Studien“ die Rede, deren Ergebnisse erwünscht sind und darum oft schon vorher feststehen. Befragungen können so gestaltet werden, dass anvisierte Ergebnisse rauskommen.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht und im Internet auch mal „Verbotenes“ liest, findet mühelos weitere Beispiele für unsauberen Vasallen-Journalismus.

hilarus@t-online.de
9 Jahre zuvor

Tolle Schlagzeile!!!
Aber was besagt sie, wenn man im Text weiterliest?
Ich möchte behaupten, daß es – mich eingeschlossen – kaum jemanden gibt, der noch nie „Stress oder Ungerechtigkeitserlebnisse“ mit Lehrern hatte. Zumindest nicht im subjektiven Empfinden.
So gesehen ist die angegebenen Quote von 43 v.H. der Attentäter sogar unglaublich niedrig. Darf ich daraus jetzt den Schluß ziehen, daß es eher die Gruppe derjenigen ist, die vermeintlich gut mit ihren Lehrern auskommen, von denen die Gefahr eines Mordanschlages ausgeht?
Das sind statistische und rhetorische Taschenspielereien mit dem Ziel der Effekthascherei. Und wer steht am Ende als Verantwortliche wieder am Pranger? Die Lehrer! Selber schuld.

wetterfrosch
9 Jahre zuvor

Es geht nicht nur um Effekthascherei. Lehrer sollen grundsätzlich in fragwürdigem Licht dastehen, denn sie werden immer wieder gebraucht als Sündenböcke für bildungspolitische Fehlentscheidungen und deren Folgen. Musterknaben eignen sich wenig zum Schuldabwälzen.