Betriebe senken wegen Nachwuchsmangels Anforderungen an Azubis

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STUTTGART. Weniger Schulabgänger und der Trend zum Studium: Weil ihnen geeignete Auszubildende fehlen, drücken Betriebe bei neuen Lehrlingen öfter mal ein Auge zu. «Die Ausbildungsreife der Bewerber ist nicht besser geworden und wird von vielen Betrieben weiter bemängelt», erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter in Stuttgart zum Start des neuen Ausbildungsjahres. «Aber viele Unternehmen machen aus der Not eine Tugend und stellen die Azubis trotzdem ein.»

Lehrstellen-Bewerber und ausbildende Betriebe finden immer seltener zusammen. Foto: Tognum / flickr (CC BY-NC 2.0)
Lehrstellen-Bewerber und ausbildende Betriebe finden immer seltener zusammen. Foto: Tognum / flickr (CC BY-NC 2.0)

Industrie-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe suchen derzeit häufig vergeblich Nachwuchs. Im September starteten beispielsweise in Baden-Württemberg 39.800 junge Menschen eine Ausbildung – das sind 740 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Lehrverträge nimmt damit zum dritten Mal in Folge ab. Die Industrie- und Handelskammern rechnen damit, dass in diesem Jahr rund 6000 Lehrstellen im Land unbesetzt bleiben.

«Viele Unternehmen verstärken auch ihre Aktivitäten im Bereich des Ausbildungsmarketings oder geben beispielsweise lernschwächeren Jugendlichen oder Studienabbrechern eine Chance», sagte Richter. Zugleich hätten viele Betriebe bei ihrem Auftritt als Arbeitgeber und beim Umgang mit Azubis noch Nachholbedarf. Richter warnte: «Fehlende Auszubildende von heute sind fehlende Fachkräfte von morgen.»

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Jugendliche, die noch nicht ausreichend qualifiziert sind, können auch über ein sogenanntes Praktikum zur Einstiegsqualifizierung (EQ) an eine Lehrstelle kommen. Dazu machen sie ein sechs- bis zwölfmonatiges Praktikum in einem Unternehmen und durchlaufen Teile eines Ausbildungsberufs. Die Zahl der EQ-Plätze ging den Angaben nach zuletzt zurück, weil Betriebe aus Not auch Jugendlichen mit weniger guten Voraussetzungen direkt einen Ausbildungsplatz angeboten hätten.

Das Handwerk klagt gleichermaßen über Nachwuchssorgen. «Bemerkbar macht sich mittlerweile auch, dass die Hälfte eines Jahrgangs auf Abitur und Studium setzt», erklärte der Geschäftsführer bei der Handwerkskammer der Region Stuttgart, Bernd Stockburger. «Für viele praktisch begabte Jugendliche wäre das Handwerk die bessere Wahl.» Zwar stieg die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge im Handwerk im Vergleich zum Vorjahr. Freie Lehrstellen gebe es aber unter anderem noch als Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder als Elektroniker. Antonia Lange, dpa

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Biene
9 Jahre zuvor

Das Studium ist jahrelang als das non plus ultra gegenüber der Ausbildung im Betrieb propagiert worden. Tatsache ist: mit einem Studium werde ich besser bezahlt!!! Es ist meiner Meinung nach immer noch besser, wenn die jenigen, die ein Studium planen, erstmal eine Ausbildung in dem Bereich machen, in dem sich auch das Studium bewegt, haben sie auf jedenfall die besseren Chancen, weil sie Praxiserfahrung haben. Ist besonders in den BS zu bemerken.
Möglicher Weise gefällt ihnen das Leben ohne Studium sogar besser.
Studienabbrechern eine Ausbildung zukommen zu lassen ist doch super, wenn dann noch T
eile des Studiums anerkannt werden können noch besser.

gudrun
9 Jahre zuvor
Antwortet  Biene

Hier der Ausschnitt aus einem Kommentar, den ich gestern gelesen habe:
„“ Weshalb wird unser bewährtes duales System der Berufsausbildung so wenig nachgefragt? Warum drängen alle – oder werden alle gedrängt – zu immer höheren Abschlüssen der allgemeinbildenden Schulen, vor allem der Gymnasien? Mit der Folge, dass deren Ansprüche immer weiter heruntergeschraubt werden, so dass wir am Ende vielleicht das duale System ausgetrocknet und das allgemeinbildende ruiniert haben werden.“

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  gudrun

Weil die ausbilder lieber volljährige, junge Erwachsene als Auszubildende hätten.
Die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes fallen dann weg.

Ein Ausbilder schickt seinen Azubi zur überbetrieblichen Ausbildung bei der zuständigen HK. Wegen des Eisenbahnerstreiks strandet der unter-18-jährige Azubi auf dem Weg zur weit entfernt ligenden Ausbildungsstätte an einem Bahnhof im Nirgendwo. Und jetzt?

Dem Über-18-jährigen kann ich zumuten, dass er sich in dieser Lage selbst hilft oder nach telefonischrer Rücksprache entsprechend handelt. Mietwagen leihen, sich ein Hotelzimmer besorgen etc.

Bei den Unter-18-jährigen habe ich als Ausbilder in so einem Fall echte Probleme, um nicht gegen die Fürsorgepflichten zu verstoßen.

Biene
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Ich stimme Ihnen zu. Insbesondere in der Gastro ist das der Fall. Aber die Ausbilder haben auch bei 18+ eine Fürsorgepflicht, und da gegen sollte nicht verstoßen werden, dass könnte ungesund(im Sinne von teuer) werden.

Biene
9 Jahre zuvor

…Teile des Studiums… (so ist es richtig)