Inklusion mit der Brechstange – Bezirksregierung will Blanko-Zustimmung von Schulträgern

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DÜSSELDORF. Die Bezirksregierung Köln hat mit einem Rundschreiben zur Inklusion Empörung bei Lehrern ausgelöst.

In dem Brief fordert die Behörde alle Schulträger des Regierungsbezirks auf, dem gemeinsamen Unterricht eines Großteils der behinderten mit nicht behinderten Kindern an allgemeinen Schulen generell zuzustimmen. Die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post berichtet, es handle sich um die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache sowie Emotionale und soziale Entwicklung, die insgesamt mehr als zwei Drittel der behinderten Schüler abdecken. In dem Schreiben heißt es demnach: „Bei diesen Förderbedarfen ist in der Regel eine zusätzliche sächliche oder personelle Ausstattung nicht vonnöten.“

Nicht eben sensibel zeigt sich die Bezirksregierung Köln um den Verwaltungsaufwand bei der Inklusion zu reduzieren. Foto: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / flickr (CC BY-SA 2.0)
Nicht eben sensibel zeigt sich die Bezirksregierung Köln um den Verwaltungsaufwand bei der Inklusion zu reduzieren. Foto: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / flickr (CC BY-SA 2.0)

Die generelle Zustimmung solle erfolgen, „um den mit der Einholung von Zustimmungserklärungen verbundenen Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten zu begrenzen“. Der Landesvorsitzende des Philologenverbands NRW, Peter Silbernagel, kritisierte: „Diese Aufforderung zum Blankoscheck missachtet jede pädagogische Verantwortung.“ Das Schulgesetz binde den gemeinsamen Unterricht ausdrücklich an die Ausstattung der jeweiligen Schule. Das Schulministerium kündigte Gespräche mit der Bezirksregierung an. (pm)

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dickebank
9 Jahre zuvor

Die Schulträger sind Sachaufwandsträger und haben in diesem Punkt kein pädagogisches Ermessen. Die Kommunen sind genauso wie das Land an die vom Bund ratifizierte UN-Behinderten-Konvention gebunden.

Wenn die Kommunen die Grundsätze nicht anerkennen, dann kann das Land immer noch eine rechtliche Weisung erteilen. Dass sdie Bez.-Reg als Landesmittelbehörde diesen Weg scheut ist aus meiner Sicht verständlich. Die Kommunen als Sachaufwanfsträger müssen ja auch die Bestimmungen der RiSU anerkennen und umsetzen, warum also nicht die Vorgaben für die Umsetzung der Inklusion? Aber natürlich kann in jedem Einzelfall auch eine gerichtliche Überprüfung erfolgen. Führt zum gleichen Ergebnis, ist aber zeit- und personalintensiver.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

verlangt ist ja nur die zustimmung der Kommunen. die der lehrer, Schüler (behindert und nicht behindert), eltern ist offenbar nicht erforderlich.

Reinhard
9 Jahre zuvor

In einem alten Film mit Elvis Presley geht es auch darum, dass der junge Künstler ein weißes Blatt Papier unterschreiben soll … Hier wissen wir immerhin schon, was draufstehen soll, nämlich eine Lüge: „…eine zusätzliche sächliche oder personelle Ausstattung nicht vonnöten.” Haha.
Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt.

Biene
9 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Reinhard, Sie haben meine vollste Zustimmung. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich als Lehrkraft SuS des im Artikel genannten Spektrums ohne zusätzliche Sachliche oder personelle Austattung unterrichten soll.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  Biene

Aber das ist doch die Crux, für die zusätzliche sachliche Ausstattung sind die Kommunen zuständig. Deshalb fordert die Bez.-Reg doch das Einverständnis ein.

Die zusätzliche personelle Ausstattung ist wiederum Sache des Landes, die ber erst bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen u.a. der Einverständniserklärung der Komunen erfüllt wird.

Die Aufgaben- und Lastenverteilung im Schulwesen ist nachkriegsbedingt eine Katastrophe. Die personelle und sächliche Zuständigkeit für den vorschulischen und den Grundschul- sowie den Hauptschullbereich sollte komplett bei den Komunen liegen, der für die sonstigen weiterführenden Schulen beim Land.

Komunen sind die Landkreise oder kreisfreien Städte. Landkreise können diese aufgaben auf größere, kreisangehörige Städte übertragen. Warum gibt es in Bayern staatliche und städtische Gymnasien – in NRW aber nicht?

Beate S.
9 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Ist der Weg schulpolitischer Reformen nicht regelmäßig mit Lügen gepflastert? Verlockende Absichtserklärungen stehen am Anfang und böses Erwachen kommt am Ende.
Die nach außen ach so hehre Inklusion mit ihrer Auflösung der kostspieligen Förderschulen entpuppt sich allmählich als Sparprogramm. Da kommt noch einiges auf die Lehrer zu.
Wer sich da nicht endlich wehrt und noch immer an die menschenrechtliche Fassade glaubt, der lebt in der Tat verkehrt.
Also, liebe Lehrer, macht das wahre Gesicht der Inklusion öffentlich. Einige Schulen haben das bereits mutig getan. Es müssen aber viel mehr werden, und zwar schnell.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Ändert aber nichts am Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung, den diese Kinder vertreten durch ihre Eltern haben. Egal ob die Komunen zustimmen oder nicht, einen Platz an einer Regelschule können die Inklusionskinder notfalls gerichtlich erzwingen.

Die Einwilligung der Lehrerschaft, der Elternschaft oder der Schülerschaft zur Inklusion muss nicht eingeholt werden, da diese durch übergeordnetes recht Verbindlich geregelt ist.

Es geht allenfalls um die Umsetzung der Inklusion, hier haben aber auch nur die Eltern der Inklusionskinder ein Klagerecht, wenn Standards nicht eingehalten werden. btw die mehrzahl der Kinder mit Förderbedarf l oder ESE ist ohnehin schon an Regelschulen, deren Förderbedarf ist nur nie amtlich ermittelt worden – entweder weil die Grundschulen dies nicht für notwendig befunden bzw. den Aufwnd gescheut haben oder die betroffenen Eltern ihre Zustimmung zur Durchführung des AOSF-Verfahrens nicht gegeben haben. Ergo, don’t cry over spoiled milk.

Beate S.
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Rechtsansprüche sind nicht in Stein gemeißelt. Außerdem können Eltern auf ihren Rechtanspruch verzichten, wenn sie erfahren, wie es mit dem inklusiven Unterricht in der Realität aussieht.
Je mehr Eltern die ihnen und anderen aufgesetzte rosarote Brille verlieren und für ihr Kind eine Förderschule wünschen, desto besser.

dickebank
9 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Der Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung grüdet auf der UN-Behindertenkonvention, die von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden ist. Folglich ist der rechtsanspruch begründet, er muss nur gestellt werden, d.h. das Kind mit Förderbedarf muss lediglich an einer staatlichen Schule angemeldet werden. Wie bei jeder Anmeldung kann dieser nicht stattgegeben werden. Nur die Ablehnung muss justiziabel begründet sein, sonst ist sie hinfällig.

Für L-Kinder gibt es aus meiner Sicht keinen juristisch haltbaren Ablehnungsgrund. Die Ablehnung von ESE-Kindern ist ebenfalls kaum juristisch haltbar begründbar. Es kann allenfalls bei Problemen im Schulalltag an der Regelschule per Konferenzbeschluss eine zeitweise Beschulung an einer Förderschule festgesetzt werden. Der Schüler bleibt dann aber immer noch rein formal Schüler der Regelschule.

Reinhard
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Es ist, glaube ich, schon genügend bekannt geworden, dass die spezifisch deutsche Auslegung der UN-Konvention nur nach dem deutschen Perfektionswahn zwingend ist, aber von anderen Ländern ganz anders gesehen wird.

A. S.
9 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

Vollkommen richtig! In Deutschland wurde die UN-Konventin in ein Gesetz gegossen, das weitaus radikaler ist als der UN-Beschluss.
Das wird aber wohlweislich verschwiegen und unter die Tarnkappe UN-Konvention gesteckt. So schützen sich die Verantwortlichen vor Kritik und verweisen auf den Befehl von „oben“, der Völkergemeinschaft UNO.
Unser gegliedertes Schulsystem einschließlich Förderschulen stand nie im Widerspruch zur UN-Konvention. Unsere Bildungspolitik ist in der Tat ein einziges verlogenes Trauerspiel, inszeniert von dem immer gleichen ideologischen Lager.
Noch trauriger ist allerdings, wie leicht es fällt, Menschen baren Unsinn aufzuschwatzen und sie gegen jeden gesunden Menschenverstand dafür auch noch zu begeistern.