Mutter mit Vollschleier vom Schulgelände verwiesen – Kritik an der Schulleitung

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ESSEN. Wie weit muss religiöse Toleranz in der Schule gehen? Diese Frage wird derzeit hitzig in Essen diskutiert. Der Anlass: Eine Mutter holt ihr Kind von der Grundschule im Niqab ab, mit Gesichtsschleier also – und die Schule verbietet ihr, künftig derart gekleidet das Schulgelände zu betreten. Dafür gibt es Beifall. Aber auch Kritik. Die Geschichte erinnert an einen Fall vor acht Jahren, als vollverschleierte Schülerinnen aus Bonn für bundesweite Schlagzeilen sorgten.

Schulfrieden gestört? Einen solchen Niqab trägt die Mutter aus Essen. Foto:  Claude Robillard / flickr (CC BY-NC 2.0)
Schulfrieden gestört? Einen solchen Niqab trägt die Mutter aus Essen. Foto: Claude Robillard / flickr (CC BY-NC 2.0)

Die jetzt betroffene Grundschule im Essener Stadtteil Altendorf ist mit dem Thema Migration bestens vertraut. Fast alle der 245 Schüler kommen aus Einwandererfamilien; Integration gehört für die Lehrerinnen und Lehrer hier zum Alltagsgeschäft. Doch jetzt ist das Kollegium um eine Erfahrung reicher – nämlich um die, wie sehr ein Gesichtsschleier den Schulfrieden stören kann. Mit einem solchen Niqab bekleidet, holte nämlich die Mutter eines im Sommer eingeschulten Jungen ihr Kind von der Schule ab. Die Familie hat tamilische Wurzeln. Die Folge: Große Empörung, gerade auch unter muslimischen Müttern, die nur ein Kopftuch tragen. Sie drohten damit, ihre Kinder deshalb von der Schule zu nehmen. Tatsächlich sind unter den Schülern auch traumatisierte Flüchtlingskinder, die mit Schleier oder Maske grausame Kriegserinnerungen verbänden. Die Schüler hätten schlicht Angst.

Um die Situation schnell zu bereinigen, lud die Schulleiterin zu einem runden Tisch ein. Dort versammelt: die Rektorin, die verschleierte Mutter und ihr Ehemann sowie Vertreter der Schulkonferenz und die Klassenlehrerin des Jungen. Ergebnis: keine Einigung. Der Ehemann der Niqab-Trägerin habe gesagt, die Verschleierung seiner Frau sei ihre Sache, berichtet die Rektorin, gegenüber dem WDR. Die Frau selbst habe deutlich gemacht, ihre Religion ohne Einschränkung ausüben zu wollen und somit auch weiter ihr Kind verschleiert abzuholen. Die Konsequenz: Die Schulleiterin verbot der Mutter, das Schulgelände im Niqab zu betreten.

Die rechtliche Lage ist diffus. Klar ist: Das im nordrhein-westfälischen Schulgesetz verankerte Gebot, wonach in Schulen keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgegeben werden dürfen, bezieht sich auf Lehrkräfte – nicht auf Schüler oder Eltern. So dürfen Schülerinnen in NRW im Kopftuch zur Schule erscheinen, Lehrerinnen nicht. Sollte allerdings ein vollverschleiertes Mädchen zum Unterricht erscheinen, könnten die Lehrer einschreiten, so heißt es laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ bei der zuständigen Bezirksregierung. Düsseldorf. Denn durch die Gesichtsverhüllung werde „eine unerlässlich offene Kommunikation, die den Unterricht und den Erziehungsprozess in der Schule bestimmt, unterbunden“, und das laufe dann dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag zuwider. Aber eine Regelung für Eltern? Fehlanzeige. Die Bezirksregierung Düsseldorf mag sich offenbar nicht festlegen. Es müsse der Einzelfall geprüft werden, heißt es laut WDR lediglich.

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„Ich bekomme immer wieder Zuspruch für meine Haltung, aber ich darf mir auch einiges anhören“, sagt die Schulleiterin dem Bericht zufolge. Der Soziologe Aladin El-Mafaalani von der Fachhochschule Münster etwa übt laut WDR.de scharfe Kritik: Die Frau werde ausgegrenzt – Integration könne so nicht funktionieren. Dass insbesondere Flüchtlingskinder auf verschleierte Personen wegen ihrer traumatischen Erfahrungen verstört reagieren, sieht El-Mafaalani als schwaches Argument: „Flüchtlingskinder haben sicherlich häufiger schlimme Erfahrungen mit uniformierten und bewaffneten Personen gemacht als mit verschleierten Frauen. Niemand käme auf die Idee, dass Polizisten deshalb ohne Pistolen auf Streife gehen sollen.“ Zudem könne die Diskussion auch zu einer Belastung für das Kind der verschleierten Frau werden, so El-Mafaalani. Gegenüber Burkas und Niqabs gebe es viele Vorurteile – vor allem, dass Frauen sich nur unter Zwang verhüllten. Tatsächlich trügen viele Frauen solche Schleier aber aus Überzeugung. Muhammed Balaban, Vorsitzender der „Kommission Islam und Moscheen in Essen“ meint laut WDR.de, dass schon bald immer mehr Schulen vor dieser Situation stehen werden:. „Wir müssen uns damit dringend auseinandersetzen und für mehr Verständnis in der Gesellschaft sorgen!“

Ein Fall in Bonn vor acht Jahren war offenbar leichter zu klären. Damals waren es zwei 18-jährige Gesamtschülerinnen, die plötzlich in der Burka, dem muslimischen Ganzkörpergewand, zur Schule gekommen seien. Die Schule schloss die beiden vom Unterricht aus – mit dem Segen der Schulaufsicht. Das Argument damals: Der Schulfrieden sei gestört worden. News4teachers

Hier geht es zum Bericht auf WDR.de

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8 Kommentare
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xxx
9 Jahre zuvor

Kann man da nicht einfach wie folgt argumentieren:

Wenn eine vollverschleierte Person ein Kind abholen möchte, kann die Schule nicht sicherstellen, dass das Kind auch zu der Person gehört. In Anwesenheit eines Lehrers oder des Schulleiters muss also zumindest kurzzeitig der Schleier gelüftet und der Ausweis kontrolliert werden.

Wie hat eigentlich die Anmeldung des Kindes funktioniert? Damals hat das entweder der Vater gemacht oder die Mutter trug noch nicht den Vollschleier.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das Kind wurde vom Vater angemeldet.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

In diesem Fall holt entweder der Vater das Kind ab oder die Mutter identifiziert sich jedes Mal. Das „Hausverbot“ halte ich daher aus formalen Gründen für gerechtfertigt.

dickebank
9 Jahre zuvor

Der Schulleiter kann in jedem Fall von seinem Hausrecht Gebrauch machen und schulfremde, also ihm unbekannte oder nicht zu identifizierende Personen vom Schulgelände verweisen.

Ein Recht zur Personalienfeststellung – also sich die Identifikationskarte zeigen zu lassen – hat er nicht. Dazu muss er die Polizei anfordern.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

die Begründung hausrecht genügt vollkommen. also viel aufstand um wenig …

drd
9 Jahre zuvor

Das Hausverbot widerstrebt der Integration, die Vollverschlierung aber nicht. LOL

XXXXXXXXXXXX
9 Jahre zuvor

Für mich voll verständlich, denn: Der Gesetzgeber schreibt hier in Deutschland ganz deutlich „““Jedem vor““ vom Gesetz her, das es ein „“Vermummungsverbot““ gibt. Hieran muß sich jeder „““““““““““Deutsche“““““““““““““““““ halten ohne wenn und aber, denn wir würden in „Deren Staat“ wo wir deren Gesetze mißachten oder wie man es in unserem Staat gern macht (einen Aufstand) im Gefängnis landen oder…………..!!! Die Frage: was möchte unser Nationalstolß und Würde als deutscher Bürger überhaupt? Dies sollte man offen zur Debatte stellen. Die Schweiz ist ein super Vorbild für viele Staaten, denn wer sich an die Gesetze sich nicht hällt die man im Staat hat, muß gehen /sogar bei Versoß dafür büßen (Geld/Gefängnis) !!

sinus
9 Jahre zuvor
Antwortet  XXXXXXXXXXXX

Hihihi, der war gut 🙂