Lehrer Fileccias Medienkolumne: Wenn die Helden der Kindheit im Internet auferstehen

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OBERHAUSEN. Zu diesen schwer verständlichen Phänomenen wie sie nur das Internet hervorbringen kann, gehört die Tatsache, dass man wohl endgültig akzeptieren muss, dass nichts mehr endgültig ist. Nie ist etwas zu Ende, nichts stirbt, nichts ist weg. Es geht einfach immer weiter.

Ich bin ein Kind der 80er. Wer sich nicht mehr genau erinnern kann: Ronald Reagan, Helmut Kohl, Michail Gorbatschow, Challenger-Katastrophe, Barschel-Affäre, C64, Atari, Schwarzwaldklinik und ja, Die Supernasen, Nena, Dornenvögel, Rate mal mit Rosenthal und Diese Drombuschs. Um nur die Dinge zu nennen, die ich seit Jahrzehnten erfolglos verdränge.

Wer sich also erinnern will… findet seine Helden der Kindheit sicher im Internet. Manchmal ausführlicher und fast immer desillusionierender als das, was unser Gehirn uns als Erinnerung vorgaukelt.

Wohin entwickelt sich das Internet? Diese und andere Fragen treibt unseren Kolumnisten Marco Fileccia um. (Foto: privat)
Wohin entwickelt sich das Internet? Diese und andere Fragen treibt unseren Kolumnisten Marco Fileccia um. (Foto: privat)

Zu meinen ausdrücklichen Helden gehören zwei schon damals alte Männer, die eine Sendung im Fernsehen (Sie ahnen es… Privatfernsehen war erst später) machten, bei denen es immer um Computer ging. Zu einer Zeit, als die Begriffe Heimcomputer und BTX, etwas später IBM-PC und Personal-Computer topaktuell waren und dem Publikum erklärt wurden und noch keine Archaismen. Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph hießen diese Helden und ihre Sendung war der „WDR Computerclub“, von denen ich keine Sendung verpasste. Und nicht nur das!

Wer es nicht weitersagt, dem sei hier verraten, dass ich einer derjenigen Nerds (ohne dass wir schon so genannt wurden) war, die sich über den Fernseher mit Software versorgen ließ. 1986!!! Videodat hieß das Verfahren und mit einem entsprechenden Rekorder nahm man mit dem Fernsehbild Software als kleine Kästchen entgegen (übrigens unterhalb der so genannten Austastlücke ganz ganz oben). Und das war schon die Weiterentwicklung, denn zu Beginn durfte man den Kassettenrekorder an den Fernseher halten und Töne aufnehmen, die nach Flipper auf Ecstasy klangen. Nein, es war kein schönes Leben damals!

In der Jetzt-Zeit begab es sich, dass ich eine Meinungsverschiedenheit mit meinem iPhone hatte, die sich als f2f-Kommunikation ungefähr so angehört hätte:

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Ich: „Hey Baby, was geht?“
Iphone: „Hör auf zu nerven. Was willst du?“
Ich: „Naja, ich störe ungerne, aber…“
iPhone: „Was aber? Du hast noch immer nicht alle Updates geladen und wenn du weiterhin die Ortungsfunktion ausschaltest, kann ich dir wirklich nicht helfen!“
Ich: „Ich dachte, ich könnte mal meine Podcasts aufräumen…“
iPhone: „Nee, keinen Bock!“
Ich: „Ach komm schon, da sind echt schlechte bei und doppelte und die, die du immer ausschaltest, wenn ich sie mal drei Tage nicht abhöre…“
iPhone: „ Das geschieht nur zu deinem Schutz. Bist DU hier der Quadcore oder ich?“
Ich: „Dann muss ich alle löschen und…“
iPhone: „DAS wagst du n……..“

Und ich hatte das seltsame und äußerst seltene und nur kurze Gefühl doch Herr zu sein und kein Sklave der Technik.

Was das mit den 80ern zu tun hat? Beim Stöbern durch Podcasts, die den Jäger in mir glücklich machen und die ich mir nie und nimmer alle werde anschauen/anhören können, fand ich sie. Sie!

Und… es war wie immer… sie saßen da und bewegten sich kaum. Hielten Geräte in der Hand, die aussahen wie irgendwas aus Plastik nach einem Flammeninferno und redeten in Fachbegriffen der 80er und schwärmten von den guten alten Zeiten und machten die alten Witze über Windows, die ich schon fast vergessen hatte und reckten am Ende diese blöden Daumen in die Kamera. Herrlich.

Wolfgang und Wolfgang haben einfach eine 2 an den Namen Computerclub gehängt und senden, sorry streamen ihre Sendung im Internet, als wäre nichts passiert. Zum Beispiel keine 90er.

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