Von der Eitelkeit beim Elternabend: „Frau Müller muss weg“ – die Filmkritik

1

DÜSSELDORF. Planen Sie gerade ein Treffen mit den Eltern Ihrer Schüler? Was dabei alles passieren kann, nimmt Sönke Wortmanns heute angelaufener Film „Frau Müller muss weg“ aufs Korn. Die news4Teachers-Redaktion hat ihn vorab schon gesehen. Eine Filmkritik.

Frau Müller muss weg. So viel steht fest, als sich eine Gesandtschaft besorgter Eltern zu einem außerplanmäßigen Termin mit der Klassenlehrerin Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide) zusammenfindet. Weil die Noten schlecht sind und am Schuljahresende die Entscheidung fällt, ob die Kinder den Sprung aufs Gymnasium schaffen, sind die Eltern (Justus von Dohnányi, Anke Engelke, Ken Duken, Mina Tander, Alwara Höfels) fest entschlossen, mit der Absetzung der Lehrerin zu retten, was noch zu retten ist – koste es, was es wolle. Das ist anstrengend für die Figuren im Film und ebenfalls anstrengend für den Zuschauer. „Seid weniger perfekt“, möchte man ihnen zurufen. Im Laufe des Films passiert dann eben auch genau das: Die Perfektion bröckelt nach und nach weg.

Lehrerin Müller (Gabriela Maria Schmeide) hat es nicht leicht mit den Eltern ihrer Klasse. Foto: Constantin Film
Lehrerin Müller (Gabriela Maria Schmeide) hat es nicht leicht mit den Eltern ihrer Klasse. Foto: Constantin Film

Als Frau Müller das Spiel der Eltern nicht mitspielen will, brechen mit einem Mal bei den doch so perfekten Müttern und Vätern alle Vorbehalte und Ressentiments, Zweifel und Sorgen, Gehässigkeiten und Ängste hervor. Es kommt zu Szenen, in denen die Figuren endlich locker werden, etwa beim spontanen Basketballspiel in der Sporthalle oder unfreiwillig komisch sind: Anke Engelke als zynische Jessica springt ins Schwimmbad, um ihr Handy zu retten, Justus von Dohnányi als trotteliger Vater kämpft mit dem Kakaoautomat und der unerwiderten Liebe zu einer der anwesenden Mütter. Das ist befreiend für die Figuren – und der Zuschauer lacht und leidet, ebenfalls wie befreit, mit ihnen. Die einzige, die die ganze Zeit sie selbst bleibt, ist die Figur Alwara Höfels. Als alleinerziehende Mutter des Klassenbesten bildet sie den Ruhepol des Films. Während sich die Mütter gegenseitig ankeifen und die Männer sich buchstäblich an die Gurgel gehen, verraten derweil die anderen Eltern, um was es eigentlich geht: ihre eigene Eitelkeit und weniger das Wohl ihrer Kinder.

Basierend auf dem erfolgreichen Theaterstück von Lutz Hübner ist die Geschichte eine Abrechnung mit dem Bildungssystem in Deutschland. Dramaturgisch ist die Geschichte ähnlich aufgebaut wie der Film „Der Vorname“ von Alexandre de La Patellière oder der „Gott des Gemetzels“ von Yasmin Reza, verfilmt von Roman Polanski. Das Ende von „Frau Müller muss weg“ ist voller überraschender Wendungen, mehr sei hier nicht verraten. Und der Abspann macht richtig gute Laune mit der passenden Songzeile „Lasst der Jugend ihren Lauf“ und den eingeblendeten Lebensläufen der Kinder der Protagonisten. Die zeigen, dass sie ein gutes Leben führen – auch ohne Bestnoten. Ein überaus lohnender Film. nin

Eltern von heute: Typen, wie sie jeder Lehrer kennt. (Foto: Constantin-Film)
Eltern von heute: Typen, wie sie jeder Lehrer kennt. (Foto: Constantin-Film)
Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
mehrnachdenken
9 Jahre zuvor

Steht der Film nun jenseits jeglicher Schulwirklichkeit? Nein, überhaupt nicht!!

Persönlich war ich mittelbar Zeuge eines ähnlichen Szenarios. Da versammelten sich die Eltern einer Unterstufenklasse im Lehrerzimmer, um über eine Lehrkraft das „Todesurteil“ zu sprechen. Die Eltern waren von der Elternratsvorsitzenden kurzfristig telef. eingeladen worden. Die Schulleitung war natürlich informiert und sogar anwesend. Teilnehmer berichteten von hochgehenden Emotionen und beleidigenden bis gehässigen Elternbeiträgen. Wäre die Lehrkraft anwesend gewesen, hätte sie wohl befürchten müssen, von der Eltern“meute“ gelyncht zu werden.

Das Ganze geschah, obwohl die Schulleitung der Lehrkraft versichert hatte, sie unmittelbar zu informieren, falls es Unruhe in der Klasse geben würde.
Das Ganze geschah, obwohl die beiden Elternvertreter der Lehrkraft kurze Zeit vorher lächelnd versicherten, es sei alles in Ordnung.
Das Ganze geschah, obwohl die Vorsitzende der Lehrkraft zugesichert hatte, niemals etwas gegen die Lehrkraft zu unternehmen.

Na, in dieser Geschichte steckt wohl auch spannendes Filmmaterial. Nicht erfunden, sondern ganz real.