Leserkritik: „Das Lehrerbuch – Überleben im Schulalltag – Allein gegen den Rest der Welt!“

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TELFS. Als Lehrer war für mich die Entscheidung für dieses Buch mit seinem dramatischen Titel ganz klar. Ich unterrichte Mathematik, Physik und Chemie an einer Neuen Mittelschule im Westen von Österreich und dachte mir, siehe da, meine deutschen Kollegen scheinen das Schulsystem ähnlich wie wir wahrzunehmen.

Sobald das Buch ausgepackt auf dem Schreibtisch liegt, ist man ein wenig enttäuscht über den schlichten Einband, der außer dem Titel nichts über den Überlebenskampf des Lehrers verrät – vielleicht hatte ich eingetrocknete Lehrerblutstropfen erwartet. Es lag dann einige Tage so da, ohne dass sich meine lesehungrige Frau oder meine Tochter daran vergriffen, was sonst bei neuen Büchern immer passiert.

tom juno
Lustig und praxisnah, findet unser Kritiker dieses Buch.

Der Beginn – doch eine „Überraschung“, denn er beginnt wie sollte es auch anders sein, mit dem Montag und der Fotografie eines langen Ganges. Gleich anschließend stellt ein frech formulierter Fragebogen Thesen auf, warum man Lehrer ist oder es besser hätte lassen sollen. Als Beamter in einem System, das sich seit der Zeit von Kaiserin Maria Theresia nicht sonderlich strukturell verändert hat, habe ich ihn ausgefüllt und bin von der Auswertung bestätigt worden, dass man den fehlenden Applaus für seine Arbeit besser mit einem Schmunzeln akzeptieren soll.

Schon bei den nächsten Seiten suchte ich meine Frau mit den Worten auf: „Du Schatz ich muss dir was vorlesen, dasselbe ist mir letzte Woche passiert!“
Es ging bei mir um ein Ereignis, in dem ein süßlich säuselnder Direktor fragte, ob ich, sein bester Mann nicht in einer 8. Klasse Turnen vertreten könnte (Anm. Ich bin sportlich äußert talentfrei.), da er mir, so interpretierte ich es als einzigem zutraue, diese Aufgabe zu erledigen – Cobra übernehmen sie. Gleichzeitig erregten zwei raufende Schüler meine Aufmerksamkeit und ein Elternteil wollte sich spontan über meinen miserablen Physikunterricht beschweren.

So eine Situation lässt sich eigentlich nur lösen, wenn man sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt. Der Autor beschreibt diese Situation, an einem Beispiel in seiner Schule ganz wunderbar, wo man im Moment als Betroffener nicht genau weiß, von welchem Zug man gerade überrollt wird.
Die Vertretungsstunde im Buch endet doch mit dem Scheitern den Schülern etwas mehr Tiefsinnigkeit beizubringen. „Es ist halt lustig“ reicht als Begründung genauso für eine Buchbesprechung als auch für den Beginn einer Schlägerei.

Die vermeintliche Pause zwischen den Stunden verkommt an diesem Tag zu einem aussichtslosen Kampf Mensch gegen Maschine, genauer Lehrer gegen Kopierer.
Wieder eine Parallele zu unserer Schule, an der das entsprechende Gerät aus unerfindlichen Gründen von Zeit zu Zeit Papier zu verdauen scheint und manchmal technische Gebrechen auftreten, die an böse Machenschaften der Kopierer Herstellerfirmen glauben lassen.

Das Verhältnis zur Technik an Schulen wird an den folgenden Tagen beschrieben als Tom Juno eine VHS Kassette zur Raucherprävention in die Hand gedrückt bekommt, um sie den verdutzten Schülern vorzuspielen. Zusätzlich nimmt ein fahrbarer Fernsehschrank in Zusammenhang mit einem älteren, etwas desillusionierten Lehrerkollegen noch eine entscheidende Rolle ein.
Lehrerkonferenzen wie im Buch beschrieben kommen bei uns genauso regelmäßig vor und man erwehrt sich nicht des Gedankens doch dafür dankbar zu sein, denn anders wo müsste für Karten im Kabarett bezahlt werden. Tom Juno lässt auf sehr humorvoller Weise die einzelnen Lehrer-, Eltern- und Schülertypen im Buch auftreten und zwischendurch kann der Leser sich eine Spielrunde „Lehrer ärgere dich nicht“ genehmigen.
Am Ende vom Freitag wurde ein Lehrer begleitet, der dem zeitweiligen Wahnsinn im Schulsystem etwas ratlos entgegensteht, aber sich wahrscheinlich doch denkt: „Wisst ihr was Kinder, ich freue mich euch am Montag wieder zu sehen!“

Ich kann das Buch nur weiterempfehlen, weil es zeigt wie bunt, abwechselnd und spontan eine Schule in Mitteleuropa ist und nicht einfach eine in eine Richtung gedrillte Denkfabrik. Zweitens will ich eine Schülerbegründung aus dem Buch verwenden – es ist zu empfehlen, weil es extrem lustig ist. Peter Pardeller

Mehr über das Buch: „Das Lehrerbuch – Überleben im Schulalltag – Allein gegen den Rest der Welt!“ von Tom Juno / Carlsen Verlag, Oktober 2014.

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mehrnachdenken
9 Jahre zuvor

Der Rezensent empfiehlt das Buch,weil es „extrem lustig“ sei. Dabei zitiert er eine Schülermeinung.
Nun, selbst nach mehrmaligem Lesen der Kriitk verstehe ich nicht, wie er zu dieser Bewertung kommt.
Es werden „Allerweltssituationen“ beschrieben oder angedeutet, die für einen Schulbetrieb vollkommen normal sind.

Bereits Grundschüler lernen, dass Überschriften für Geschichten den Leser neugierig machen sollen, ohne schon alles zu verraten. Auch müssen sie zu der Geschichte passen.
„Überleben im Schulalltag“ und „Allein gegen den Rest der Welt“ hört sich spannend an und verspricht viel.
Nach der Rezension frage ich mich jedoch: „Was stimmt nun nicht – die Überschrift oder die Buchkritik? Beides passt für mich nicht zusammen.

Schließlich, aber das scheint ganz allein mein Problem zu sein, kommt in der Besprechung viel zu oft „man“ vor. Wenn ICH etwas bespreche, schreibe ich auch ICH und NICHT ständig MAN!!