Stoch will mehr islamischen Religionsunterricht – gegen Islamismus

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STUTTGART. Unwissenheit über Religion kann junge Menschen in den Extremismus treiben. Deshalb plädiert Baden-Württembergs Kultusminister Stoch für mehr islamischen Religionsunterricht an den Schulen des Landes. Dieser könne radikalen Ansichten vorbeugen.

"Kenntnis des Fundaments fehlt": Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Staatskanzlei Baden-Württemberg
„Kenntnis des Fundaments fehlt“: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Staatskanzlei Baden-Württemberg

Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD) will mit dem Ausbau islamischen Religionsunterrichts auch der Fanatisierung Jugendlicher vorbeugen. «Manche jungen Menschen sind leichte Beute für extreme Auslegungen, weil ihnen die Kenntnis des Fundaments ihrer Religion fehlt», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Islamischer Religionsunterricht könne dazu beitragen, zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche als «religiöse Analphabeten» auf Extremisten hereinfallen. Überdies sei der Islam Teil der gesellschaftlichen Realität.

Nach einem Beschluss der grün-roten Landesregierung soll das seit dem Schuljahr 2006/07 laufende Modellprojekt mit islamischem Religionsunterricht auf Basis von Elternvereinen nach Bedarf und verfügbaren Mitteln an bis zu 20 Standorten pro Jahr ausgebaut werden. Bislang nehmen mehr als 2000 Kinder an 31 Schulen teil, darunter 24 Grundschulen, sechs Haupt- und Werkrealschulen sowie eine Realschule. Die Inhalte des Unterrichts in deutscher Sprache sind von Religionsgemeinschaften erarbeitet worden.

Derzeit prüft das Ministerium überdies zwei Anträge von potenziellen islamischen Trägern für sunnitischen Religionsunterricht. Dabei handelt es sich um den türkischen Verband Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) und den Verband der Islamischen Kulturzentren. Die Verbände müssten darlegen, dass sie Mitglieder haben, denen sie den Religionsunterricht anbieten, erläuterte Stoch. Eine Trägerstruktur ähnlich wie die christlichen Kirchen sei notwendig.

Dagegen wird die flächendeckende Einführung des Faches Ethik ab Klasse eins zugunsten anderer Herausforderungen wie der Inklusion zurückgestellt. Stoch: «Da müssen wir zu Beginn der neuen Legislaturperiode ran.» An manchen Schulen seien 80 Prozent der Kinder nicht mehr Mitglied einer christlichen Kirche.

Potenziell könnten landesweit 90 000 Kinder und Jugendliche von dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht profitieren. Im Südwesten leben insgesamt 650 000 Moslems, darunter nach Auskunft des Ministeriums 85 Prozent Sunniten. Schiiten sähen keine Probleme, ihre Kinder in einen sunnitisch geprägten Religionsunterricht zu schicken.

Stoch kündigte überdies an, dass sich die die Zahl der Vorbereitungsklassen stark erhöhen werde, und zwar auch an Realschulen und Gymnasien. Dafür würden angesichts steigender Flüchtlingszahlen voraussichtlich 2015 erneut Mittel in einer Größenordnung von 200 Stellen bereitgestellt. Zu Anfang des laufenden Schuljahres waren bereits 200 Lehrerstellen für die Klassen geschaffen worden, in denen Flüchtlingskinder auf den regulären Unterricht vorbereitet werden.

Allerdings seien Fachkräfte für Deutsch als Fremdsprache rar, erläuterte Stoch. Derzeit fänden an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg entsprechende Lehrerfortbildungen statt. «Das ist eine hochkomplexe Aufgabe, weil die Kinder sehr unterschiedlich in Alter, Voraussetzungen sowie Sprachstand sind.» Julia Giertz, dpa

Zum Interview: “Islamischer Religionsunterricht ist wichtig für das Zusammenleben”

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PseudoPolitiker
9 Jahre zuvor

Allmählicher Abbau des christlichen Religionsunterrichts zugunsten eines Ausbaus des islamischen. Dazu die Behauptung, dies diene allein dem Kampf gegen den Islamismus.
Mir schwant da eher ein schulischer Akt der politisch erwünschten kulturellen Islamisierung unseres Landes.
Glaubt wirklich jemand, der Islamismus hätte rein gar nichts mit dem Islam zu tun?

Marko G.
9 Jahre zuvor

Gegen einen konfessionellen Religionsunterricht spricht, dass „die Frage, wer den Inhalt des islamischen Religionsunterrichts festlegen soll, unbeantwortet ist. Es gibt zwar katholischen oder evangelischen Religionsunterricht, aber keinen ‚christlichen‘. Ebenso wenig kann es den ‚islamischen‘ Religionsunterricht geben, sondern allenfalls einen sunnitischen, schiitischen oder alevitischen“. (Zitat von Prof. Dr. Heinz Halm)

Meiner Meinung nach brauchen wir stattdessen dringend einen interkulturellen bzw. transkulturellen Religionsunterricht. Schülerinnen und Schüler sollten die Möglichkeit haben, die kulturelle Vielfalt kennenzulernen und dürfen im Schulunterricht nicht nach der Religion ihrer Eltern „sortiert“ werden. Das gilt natürlich auch für andere Fächer wie z. B. den Sportunterricht.