Auch Christen schicken Kinder in den muslimischen Kindergarten

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MANNHEIM. Vor einem Jahr hat der muslimische Kindergarten in Mannheim seinen Betrieb aufgenommen. Mit 40 Kindern ist er voll ausgelastet. Entgegen vieler Vorurteile sprechen die Erzieherinnen Deutsch mit ihren Schützlingen.

Kein Schweinefleisch, Opferfest statt Weihnachten, Förderstunden in der Muttersprache: 40 Drei- bis Sechsjährige besuchen die beiden Gruppen des muslimischen Kindergartens in Mannheim. Damit ist die Einrichtung nach Angaben des Trägers ein Jahr nach Inbetriebnahme ausgelastet.

Es handelt sich um die zweite Kindertageseinrichtung in muslimischer Trägerschaft in Baden-Württemberg. 1999 eröffnete eine Kita in Karlsruhe. Dem zuständigen Kommunalverband für Jugend und Soziales ist bislang keine weitere Einrichtung im Land bekannt.

Eines der Kinder im «Tulpengarten» im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt-West kommt aus einem evangelischen Elternhaus, eines aus einem katholischen – die anderen haben laut Faruk Sahin, dem Vorsitzenden des Trägervereins, muslimischen Hintergrund. Zwei Drittel haben türkische Wurzeln, ein Drittel arabische. Viele hätten ein deutsches Elternteil und eines aus einem anderen Land, darunter die Türkei, der Irak, Tunesien und Libyen.

Ein Schwerpunkt des Konzepts liegt auf der Sprachförderung: Deutsch sei die Alltagssprache. «Natürlich gibt es kein Türkisch- oder Arabisch-Verbot für die Kinder», betonte Sahin. «Aber die Erzieherinnen sprechen Deutsch mit ihnen.» Über eine Kooperation mit der Hochschule Mannheim bekommen Kinder bei Bedarf individuelle Sprachförderung. Zur Pflege der jeweiligen Muttersprache gibt es ein Extra-Angebot.

Kindergärten haben in den nächsten Jahren einen immensen Personalbedarf. Foto: JeahFree / Flickr
Am besten für die Integration seien überkonfessionelle Kindergärten, sagt der Experte. Foto: JeahFree / Flickr

Der muslimische Kindergarten befindet sich unter einem Dach mit einer städtischen Krippe. «Es gibt einen intensiven Austausch», betonte ein Sprecher der Stadt Mannheim: gemeinsame Ausflüge zum Beispiel sowie den Dialog zwischen Erzieherinnen und Eltern beider Einrichtungen.

Sahin blickt zufrieden auf das erste Jahr. Natürlich lerne man noch, natürlich gebe es Probleme. «Es ist beispielsweise schwierig, Personal zu finden», sagte er. Oder es fehle an Literatur mit Erkenntnissen, wie man muslimische religiöse Fragestellungen kindgerecht aufbereitet. Während der Kindergarten-Planungen gab es durchaus Diskussionen und Vorbehalte. Einzelne Beschwerden kämen auch heute, sagte Sahin – aber keine nennenswerten Vorkommnisse.

Der Osnabrücker Migrationsforscher Klaus J. Bade betonte, dass es da, wo es evangelische, katholische und jüdische Kindergärten gibt, freilich auch muslimische Kindergärten geben dürfe. Er ergänzte: «Am besten wären natürlich nicht religiös-kulturell separierte, sondern gemeinsame Kindergärten für alle.»

Man hoffe, so der Mannheimer Stadtsprecher, dass in Zukunft Kinder aus der städtischen Krippe in den muslimischen Kindergarten wechseln. «Es ist klares Ziel, nicht nur muslimische Familien anzusprechen.» Anne Jeschke

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