Didacta: Rückkehr zum G9 – „Wissenschaftlich bewiesen ist nichts“

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HANNOVER. Die Didacta ist wuselig wie immer. Stände mit Smartboards wechseln sich ab mit Holzmöbelverkäufern und Buchverlagen. Großes Thema in den politischen Diskussionsrunden ist diesmal, dem Messestandort sei dank, die Schulpolitik Niedersachsens. Auf dem Podium des Verbands der Bildungsmedien wird etwa die Entscheidung diskutiert, zurück zum G9-Gymnasium zu gehen. Was sich dadurch für die Schulform ändert, haben Horst Audritz vom Philologenverband, Sabine Hohagen vom Landeselternrat, Professor Dorit Bosse von der Universität Kassel und Heiner Hoffmeister, Abteilungsleiter im niedersächsischen Kultusministerium erörtert und waren sich dabei unerwartet einig.

Man drehe die Reform des verkürzten Gymnasiums zurück, um nachhaltiges, vertieftes Lernen zu ermöglichen. Das sei auf der Strecke geblieben bei einer Stundentafel von 34 Wochenstunden im G8, erklärt der Ministerialbeamte Hoffmeister. Professorin Bosse stimmt ihm zu: 265 Stunden (Anmerkung der Red.: 265 Stunden sind bundesweit für den gymnasialen Bildungsgang vorgesehen) breiter zu verteilen, sei in jedem Fall sinnvoll. „Gesellschaftlich sind wir schon enormen Effizienzdruck ausgesetzt, da ist es nicht schlecht, wenn die Schule einen Gegenpol setzt.“ Wissenschaftlich bewiesen sei der Vorteil der G9-Schüler jedoch nicht. Die Leistungen von G8 und G9 Schülern seien sogar gleich. Kritiker der Reform mögen einwenden, dass Schüler und Eltern keine Experimente mehr wollen und über die erneute Reform der Reform stöhnen. „Dennoch stellen wir große Zustimmung zur Rückkehr zu G9 fest“, sagt der Vertreter des Philologenverbands Horst Audritz. Belastungen seien natürlich in der Übergangszeit vorhanden, aber handele sich ja lediglich um eine Phase, die eine langfristige Entwicklung vorbereitet. Bereits zum folgenden Schuljahr werden die Jahrgänge schrittweise in den längeren Bildungsgang geführt.

Die Podiumsteilnehmer Hoffmeister, Hohagen, Moderator Guckeisen, Audritz und Bosse. (Foto: Nin)
Die Podiumsteilnehmer Hoffmeister, Hohagen, Moderator Guckeisen, Audritz und Bosse. (Foto: Nin)

Auf die Frage des Moderators, ob denn die Reform der Reform dafür genutzt werde, auch Dinge zu verbessern, antwortete Hoffmeister: „Wir wollen nicht mehr Zeit schaffen, damit noch mehr Fächer hineinpassen. Es wird nicht mehr als 30 Wochenstunden geben.“ Die Zeit solle jetzt vielmehr dazu genutzt werden, um u.a. mehr individuelle Schwerpunktsetzung und Berufs- und Studienorientierung zu ermöglichen. Einer möglichen Absenkung des Abiturstandards werde dadurch entgegnet, dass man an dem bundesweiten (acht Bundesländer nehmen daran teil) Prüfungsaufgabenpool beteiligt sei.

Immer wieder kommt im Laufe der Debatte die Frage auf, welches denn eigentlich die Argumente für die Einführung von G8 vor rund zehn Jahren gewesen seien. Professorin Bosse hat sie parat. Anlass sei eigentlich die „Wende“ gewesen und die ersten PISA-Test-Ergebnisse, bei denen Sachsen und Thüringen (immer im G8-Bildungsgang) die Nase vorn hatten. Die Verschwendung von Lebenszeit sei ein Argument gewesen und natürlich habe man gehofft, viel Geld zu sparen. Der letzte Punkt hätte sich aber als Fehlannahme erwiesen. Das G8 sei sehr teuer geworden.

Für das G9 spreche dagegen, dass das Abitur in Deutschland einen sehr hohen Wert habe, durch die allgemeine Zugangsberechtigung zur Hochschule. Das ist in anderen Ländern, etwa in Japan oder Frankreich anders. „Dort müssen extra-Prüfungen abgelegt werden, um an die Uni zu gelangen“, betont Bosse.

Fazit der Diskussionsteilnehmer: Eigentlich hätten wir uns das Hin- und Her sparen können. Der Zeitgeist habe aber die beiden Entwicklung forciert. Als das G8 eingeführt worden sei, seien Effizienz und Geschwindigkeit noch wichtigere Werte gewesen als heute. Nina Braun

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2 Kommentare
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Manuela Lindkamp
9 Jahre zuvor

Ärgerlich ist, dass immer wieder der gleiche, nicht sauber recherchierte Unsinn veröffentlicht wird, nämlich dass G8- und G9-Abiturienten gleich gut seien. Unlängst hat Professor Dr. Hans Peter Klein in der FAZ in dem Artikel „Über den Runden Tisch gezogen“ die Studie ‚Generation 2 in 1‘ auseinander genommen. Diese postuliert, dass G8/ G9 keinen Unterschied mache. Basis für diese Behauptung sind Selbsteinschätzungsfragen bei Studierenden, wobei G8-Studenten und G9-Studierende aus dem G9-Modellversuch (= G8 plus ein Jahr innerschulische Nachhilfe) verglichen wurden. Anschließend wurden die Ergebnisse der G8er um 10% geschönt, weil ihnen ja ein Jahr fehlt. Desweiteren fegt Ockhams Rasiermesser die Behauptung, G8 sei G9 gleichwertig sowieso weg, weil für die G8-Studenten teure Brückenkurse eingerichtet werden müssen, da ihnen die Fachkenntnisse schlicht und einfach fehlen.

xxx
9 Jahre zuvor
Antwortet  Manuela Lindkamp

ein Argument gegen g8 war ja immer der inhaltlich nahezu unveränderte lehrplan. dadurch führt ihr argument der fehlenden Fachkenntnisse ins leere, sprich die g9er können genauso wenig. die forderung der gg9-rückkehrer besagt, dass die dann wieder g9er den gleichen – mittlerweile etwas entschlackten – Lehrpläne bleiben sollen, was im vergleich zu g9alt zu noch weiteren fachlichen defiziten führen kann.