Während die Politiker um das Schulsystem streiten, boomen die Privatschulen

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STUTTGART. Das Schulsystem ist unter Baden-Württembergs Parteien ein zentrales Streitthema. Die grün-rote Landesregierung hat es in den letzten Jahren massiv umgestaltet; CDU-Spitzenkandidat Wolf hat dagegen bereits den Rückbau angekündigt, sollte er 2016 Ministerpräsident werden. Indessen wechseln immer mehr Schüler auf Privatschulen.

Die Zahl der Privatschüler in Baden-Württemberg erreicht einen neuen Höchststand. Im laufenden Schuljahr besuchen nach Angaben des Statistischen Landesamtes knapp 102 800 Schüler im Südwesten eine Privatschule. Dies sind rund 700 oder 0,7 Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr. Damit geht mittlerweile etwa jeder elfte der 1,13 Millionen Schüler in Baden-Württemberg auf eine Privatschule. Der Verband deutscher Privatschulen sieht das Bedürfnis der Eltern nach individuell «abgestimmten Bildungskonzepten für jedes Kind» als Grund dafür, wie der Präsident des Landesverbandes, Michael Büchler, sagte. Die CDU spricht von einem Misstrauen in die Bildungspolitik von Grün-Rot.

Abstimmung mit den Füßen? Privatschulen erfreuen sich im Südwesten zunehmender Beliebtheit. (Foto: Departement for Communities and locals/Flickr CC BY-ND 2.0)
Abstimmung mit den Füßen? Privatschulen erfreuen sich im Südwesten zunehmender Beliebtheit. (Foto: Departement for Communities and locals/Flickr CC BY-ND 2.0)

Das Kultusministerium verweist auf eine deutschlandweite Entwicklung. «Die jetzt bekanntgegebenen Daten zeigen, dass sich ein langjähriger, bereits bekannter Trend fortsetzt», sagte ein Sprecher. «Bundesweit steigt die Zahl von Privatschulen seit vielen Jahren kontinuierlich an.» In Bayern habe der Anteil der Privatschüler im vergangenen Schuljahr beispielsweise höher gelegen als in Baden-Württemberg. Durch die eingeleiteten Reformen, insbesondere mit dem Ausbau der Ganztagsschulen und durch die Schaffung der Schulart Gemeinschaftsschule, stärke die Landesregierung die öffentlichen Schulen.

Ein Sprecher des Verbands deutscher Privatschulverbände sagte, dass sich das Bild der Privatschulen in der Öffentlichkeit wandele. Die Schulen gälten nicht mehr nur als Einrichtungen für Kinder reicher Eltern oder für Schüler, «die sonst nirgendwo in ihren Abschluss schaffen». Für Eltern mit weniger Geld gebe es zudem Geschwisterrabatte sowie die Möglichkeit, Förderungen zu beantragen.

Die CDU sieht in der Entwicklung ein «deutliches Zeichen des Misstrauens in die Bildungspolitik der Landesregierung», wie der privatschulpolitische Sprecher der Fraktion, Tobias Wald, sagte. Die Verunsicherung der Eltern in Bezug auf das öffentliche Schulsystem sei durch die Bildungspolitik der Landesregierung weiter gestiegen. Zudem wiesen die Privatschulen eine hohe Qualität auf.

Den größten prozentualen Anstieg bei den Privatschülern wiesen die Grundschulen auf. Die Zahl der Schüler stieg hier um 3,5 Prozent auf rund 9900. Bei den privaten Werkreal- und Hauptschulen sank die Zahl der Schüler entsprechend des allgemeinen Trends um rund sechs Prozent auf 4400 Schüler. Bei den Realschulen steigt die Zahl um ein Prozent auf 14 900. Bei den Gymnasien stieg die Zahl um 0,7 Prozent auf 34 200 Schüler.

Während die Zahl der Privatschüler seit Jahren steigt, nimmt die Zahl der Schüler insgesamt seit elf Jahren stetig ab. Aktuell liegt der Anteil der Privatschüler bei 9,1 Prozent. Vor zehn Jahren lag er noch bei 6,6 Prozent. (Stefanie Järkel, dpa)

zum Bericht: CDU streitet: Soll die grün-rote Gemeinschaftsschule wieder eingemottet werden?
zum Bericht: Versechstfacht – In Baden-Württemberg explodiert die Anzahl der Sitzenbleiber
zum Bericht: Privatschulen fühlen sich massiv benachteiligt

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3 Kommentare
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Beate S.
9 Jahre zuvor

Ich kann mich noch an die Zeit vor 4 bis 5 Jahrzehnten erinnern, als die wenigen Privatschulen in der Regel einen schlechten Ruf hatten und als Auffangstation für Schüler galten, die auf öffentlichen Schulen nicht mitkamen und deren (betuchte) Eltern hofften, dass sie es auf einer Privatschule schaffen würden.
Wenige Jahrzehnte wilder, „sozial gerechter“ Reformen haben es geschafft, die Verhältnisse auf den Kopf zu stellen. Heute schicken Eltern ihre Kinder auf Privatschulen, weil sie dem öffentlichen System mit seinem Niveau misstrauen.

alexander
9 Jahre zuvor

… und das ist so, weil in den Kultusministerien und auch außerhalb drittklassige Politiker jedweder Couleur sich immer wieder dazu berufen fühlen, im Bildungswesen ihre persönlichen „Duftmarken“ zu hinterlassen, die dann auch auf Jahrzehnte die Atmosphäre in den Schulen verpesten.
Man denke nur an die Forderung nach „Erziehungsunterricht“ oder an den Vorschlag von Herrn Sigmar Gabriel, die Lehrpläne von überflüssigem Kram wie Griechisch, Latein und höherer Mathematik zu befreien und den Kindern lieber beizubringen, wie man eine Steuererklärung ausfüllt oder ein Unternehmen gründet.

Lena
9 Jahre zuvor

Zitat: „Die CDU sieht in der Entwicklung ein «deutliches Zeichen des Misstrauens in die Bildungspolitik der Landesregierung»“
Das sehe ich auch so. Ein befreundetes Ehepaar aus BW überlegt im Moment, ob es eins der 3 Kinder auf eine Privatschule schicken soll. Grund: Im letzten Jahr wurde die Klasse zur Inklusionsklasse gemacht mit den bekannten unerfreulichen Auswirkungen. Leider ist die nächste in Frage kommende Privatschule ziemlich weit weg, was die Realisierung des Wunsches schwierig macht.