Kritiker: „Kinderknast“ – einziges „Intensiv“-Kinderheim Hessens kann Nachfrage nicht befriedigen

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SINNTAL. Hessen einziges sogenanntes „geschlossenes“ Kinderheim bekommt mehr Anfragen als es Plätze hat. Die von Kritikern als «Kinderknast» verschriene Einrichtung hat gute Erfahrungen mit ihrem Therapiekonzept gemacht – auch wenn zunächst wegen Vandalismus viel Inventar zu Bruch ging.

In Hessens einzigem „geschlossenen“ Kinderheim übersteigt die Nachfrage nach Therapieplätzen die Aufnahmemöglichkeiten. «Wir haben eine gefüllte Warteliste, auf der immer Anfragen stehen», sagte Heimleiter Pater Christian Vahlhaus rund zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung des Jugendhilfe-Heims in Sinntal (Main-Kinzig-Kreis). Die acht vorhandenen Plätze seien in den vergangenen acht Monaten stets ausgelastet gewesen. Kritiker nennen die intensivpädagogische Wohngruppe einen «Kinderknast». Kriminelle, aber strafunmündige Kinder zwischen 10 und 13 Jahren können dort untergebracht werden.

Die Kinder, die nach Sinntal kommen, sind etwa mit Gewaltdelikten, Diebstählen und Raub aufgefallen. Sie haben zuweilen auch Drogenprobleme oder haben exzessiv die Schule geschwänzt. «Die Biografie der Klienten wirkt oft ziemlich desaströs», erklärte Vahlhaus.

Nach Anlaufschwierigkeiten habe sich das Konzept aber inzwischen bewährt. Fünf Kinder haben die Einrichtung bereits verlassen können, wie der Leiter sagte. «Mittlerweile ist die Gruppe stabil. Es ist ruhiger geworden. Auch wenn es manchmal so wirkt, als ob „Krise“ der Normalzustand bei einigen Kindern ist», erklärte Vahlhaus.

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Ruhe herrschte nicht immer. «In der ersten Phase hatten wir viele Zerstörungen und Sachbeschädigungen. Die erste Generation der Kinder hier waren die Material-Tester.» Inventar im Wert von ein paar Tausend Euro musste nach Wutanfällen der Bewohner ersetzt werden. «Auch ein Zwölfjähriger schafft es schon, eine Heizung von der Wand zu reißen», sagte Vahlhaus. Auch Rauchmelder, Abdeckungen und Türgummis wurden heruntergerissen und Lichtschalter demoliert. Tische und Schränke waren ohnehin schon aus stabilem Holz gefertigt worden. Im Sommer 2014 kam es zu einem Zimmerbrand, der glimpflich endete.

Dennoch sei der Trend positiv. Vahlhaus erklärte: Erste Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Kinder nicht lange hinter verschlossenen Türen leben müssten. Sie könnten schon meist nach wenigen Wochen offenere Therapie-Formen besuchen, zum Beispiel Schulunterricht oder Sport- und Freizeitangebote. Um die Wirksamkeit des geschlossenen Kinderheimes zu überprüfen, wird das Konzept vom Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKF) in Mainz flankiert. «Wir werden die Begleitung über die ersten drei Jahre hinaus verlängern, damit wir weitere Erkenntnisse gewinnen», sagte Vahlhaus.

Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen sieht in der geschlossenen Unterbringung von Kindern ein «hochkontroverses Thema». Der Verband sei kein Befürworter dieser Methode, sondern sehe sich als «kritischer Beobachter». Die geschlossene Unterbringung könne nur letztes Mittel der Jugendhilfe sein. dpa

 

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2 Kommentare
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hennes
9 Jahre zuvor

Sind nicht Inklusion und Besuch einer Regelschule die beste Hilfe für diese Kinder?

Reinhard
9 Jahre zuvor
Antwortet  hennes

für diese Kinder vermutlich schon. Aber wer bezahlt die zerstörten Tische, Heizungen, Projektoren und Beamer?
Würde es für die betreuenden Lehrer Fortbildung & Entlastung geben?
Was ist mit den anderen Kindern der Schule, die „Gewaltdelikte, Diebstähle und Raub“ befürchten müssen ?
Ich halte solche Fragen für berechtigt und Antworten für nötig.