VfL Wolfsburg umwirbt Grundschüler – Ministerin macht Fußball-Show zum „außerschulischen Lernort“

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WOLFSBURG. Der Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg startet eine Werbeaktion unter Grundschülern – und wird dafür von Niedersachsens Kultusministerin Heiligenstadt mit dem Etikett „außerschulischer Lernort“ geadelt. Eine kindgerechte, aber kritische Betrachtung der Auswüchse des milliardenschweren Geschäfts Profifußball? Ist nicht vorgesehen. Dafür: singen der VfL-Hymne in der virtuellen Fankurve.

Verantwortliche des VfL Wolfsburg, Kultusministerin Heiligenstadt und Kinder, die offenbar zur Dekoration benötigt wurden: Präsentation des "außerschulischen Lernorts". Foto: VfL Wolfsburg
Verantwortliche des VfL Wolfsburg, Kultusministerin Heiligenstadt und Kinder, die offenbar zur Dekoration benötigt wurden: Präsentation des „außerschulischen Lernorts“. Foto: VfL Wolfsburg

Die Profiabteilung des VfL Wolfsburg ist eine gewinnorientierte GmbH. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Volkswagen Aktiengesellschaft, die gleichzeitig Hauptsponsor des Vereins ist und ihn mit geschätzt jährlich rund 60 Millionen Euro unterstützt. Unlängst verpflichtete der VfL Wolfsburg den Fußball-Weltmeister André Schürrle mit einem geschätzten Jahresgehalt von sechs Millionen Euro, also 500.000 Euro im Monat. Zum Vergleich: Der Hartz IV-Regelsatz in Deutschland beträgt für einen Alleinstehenden derzeit monatlich 399 Euro.

Aber solche sozialen Verwerfungen sind natürlich kein Thema, wenn der VfL künftig Grundschüler in sein „grün-weißes Klassenzimmer“ einlädt. „Die Schulbank drücken im Fußballstadion? Beim VfL ist das ab sofort möglich. Im neuen AOK Stadion im Allerpark steht interessierten Lehrern und Schülern ab sofort ein Klassenzimmer zur Verfügung, in dem unterschiedliche Workshops durchgeführt werden können. Das ‚grün-weiße Klassenzimmer‘ befindet sich in der jüngst eröffneten VfL-FußballWelt, die einen Teil der Workshops darstellt“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Vereins.

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) überreichte bei der offiziellen Eröffnung des „Lernorts“ gestern eine sogenannte BNE-Zertifizierung; das Kürzel steht für: „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Bildung für nachhaltige Entwicklung? „Für die Schulklassen beginnt der dreieinhalbstündige Workshop mit dem Besuch in der neuen interaktiven Ausstellung. Hier schlüpfen die Kinder selbst in die Rolle eines Fußball-Profis. Sie erfahren zum Beispiel wie eine Pressekonferenz abläuft, üben Dribblings auf dem Trainingsplatz, erleben das Gefühl, wie es sich anfühlt, im Spielertunnel zu stehen und stimmen in der virtuellen Fankurve die VfL-Hymne an“, so heißt es in der Pressemitteilung. Die 800 Quadratmeter große VfL-FußballWelt umfasse sieben Ausstellungsbereiche mit zahlreichen vor allem interaktiven Stationen, 70 Exponaten aus der Clubhistorie, Fotos sowie Film- und Audiobeiträgen.

Ein bisschen Gehalt wird den Kindern im „grün-weißen Klassenzimmer“ allerdings auch geboten: „Das gerade Erlebte wird hier in eigens entwickelten Workshops mit Inhalten des schulischen Lehrplans verknüpft. Die Frage, welche Rolle gesunde Ernährung für den Profi spielt, macht beispielsweise Themen aus dem Sachunterricht greifbar. Wie die Fußballstars mit Erfolgen und Niederlagen umgehen, berührt wiederum Aspekte des Werte- und Normenunterrichts.“ Ob der Milliardenzirkus Profifußball überhaupt etwas ist, an das Grundschüler von Staats wegen herangeführt werden müssten, diese Frage stellt sich dabei allerdings nicht.

Kultusministerin Heiligenstadt ficht das nicht an. „Ich freue mich sehr, die Anerkennung als außerschulischer Lernstandort für die VfL FußballWelt zu verkünden“, so erklärte sie. „Mit den Themen Toleranz, Respekt und Interkulturalität arbeitet die VfL-FußballWelt insbesondere am sozialen Aspekt der Nachhaltigkeit.“ Die Themen ließen sich aber auch problemlos woanders nahebringen: In den zahllosen Amateur-Vereinen vor Ort, die sich sicher gerne auch einmal den Grundschülern aus der Nachbarschaft vorstellen würden. News4teachers

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