Aktionsrat Bildung: Schulen müssen mehr erziehen – und überfachliche Kompetenzen fördern

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MÜNCHEN. Bestätigung für die Schülerin Naina? Deren Tweet um die fehlende Alltagstauglichkeit von Schulwissen hat bundesweit für eine große Bildungsdiskussion gesorgt. Für das Leben lernen, nicht für die Schule: Das Motto wird nach Ansicht des Aktionsrats Bildung, in dem sich die renommiertesten Bildungsforscher Deutschlands zusammengeschlossen haben, tatsächlich zu wenig befolgt.

Vermittelt die Schule genügend Kompetenzen? Foto: kris krüg, Portraits - Purple Thistle / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Vermittelt die Schule genügend Kompetenzen? Foto: kris krüg, Portraits – Purple Thistle / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Schulen in Deutschland sollten nach Ansicht des Aktionsrats Bildung mehr Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen legen. Lehr- und Lernprozesse dürften sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen beschränken, heißt es in einem neuen Gutachten der Bildungsexperten. Wichtig sei vielmehr eine «mehrdimensionale Bildung». Deren Aufgabe sei es, Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene «bei der Entwicklung einer verhaltenssicheren und lebensfähigen Persönlichkeit zu unterstützen».

«Bildung ist mehr als Fachwissen. Überfachliche Kompetenzen müssen stärker als heute in den Lehrplänen verankert werden», betonte der Präsident der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), Alfred Gaffal, anlässlich der Veröffentlichung des Gutachtens. «Nicht nur Mathematik, Deutsch und Englisch sind relevant. Eine gesunde Charakterbildung ist genauso wichtig.» Auch aus Sicht der Arbeitgeber seien moralische, interkulturelle und soziale Kompetenzen unverzichtbar. Die vbw hatte den Aktionsrat, ein Expertengremium verschiedener Bildungswissenschaftler, 2005 ins Leben gerufen. Ihm gehören mit den Professoren Wilfried Bos, Dieter Lenzen, Ludger Wößmann und Manfred Prenzel die renommiertesten Bildungsforscher in Deutschland an.

Konkret spricht sich der Aktionsrat; der in früheren Gutachten auch schon über Ganztagsschulen und Lehrergesundheit berichtet hatte, unter anderem für eine getrennte Förderung von Jungen und Mädchen in der Grundschule aus. «Um möglichst allen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu bieten, ihre Potenziale in den jeweiligen Fachgebieten voll auszuschöpfen, ist eine geschlechtsspezifische Förderung unabdingbar», heißt es in dem Papier. Gesteigert werden sollten die Motivation und Lernfreude in Mathematik «besonders bei Mädchen», Lesemotivation und die soziale Kompetenz von Jungen und die Durchsetzungsfähigkeit von Mädchen.

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Darüber hinaus fordert der Aktionsrat eine Forcierung des Medieneinsatzes in Grundschulen, einen Ausbau von Ganztagsangeboten und eine «Förderung von außerunterrichtlichen Bildungsgelegenheiten». Gaffal ergänzte, Lehrer und Führungskräfte in der Wirtschaft müssten in der Beurteilung von «überfachlichen Kompetenzen» geschult werden.

Was muss Schule alles leisten? Hat Bildung schon an sich einen Wert – oder sollte sie Schüler auf das Leben vorbereiten? Die Debatte wurde von einer Kölner Gymnasiastin namens Naina angestoßen, die ihren Frust über die fehlende Alltagstauglichkeit schulischer Bildung in die Netzwelt zwitscherte. „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Mit dieser beim Internetdienst Twitter abgesetzten Kurznachricht entfachte die Schülerin Naina eine bundesweite Bildungsdiskussion, die von der „Bild“-Zeitung bis zur FAZ viele Medien in Deutschland beschäftigte. Auch auf dem Deutschen Schulleiterkongress wurde das Thema diskutiert – wie aktuell auch in Plasberg Fernsehdiskussionsrunde „hart aber fair“. News4teachers / mit Material der dpa

Zum Kommentar: Nainas Tweet löst eine breite Debatte um Bildung aus – leider eine zu flache

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6 Kommentare
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Beate S.
8 Jahre zuvor

Wer legt die Inhalte fest und prüft die Ergebnisse von „gesunder Charaktererbildung“ und „überfachlicher Kompetenzvermittlung“? In einer Diktatur sind Antworten relativ leicht vorstellbar. Doch in einer Demokratie?

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  Beate S.

Warum schafft man nicht gleich die Rolle der Eltern ab?

Ansonsten hat Beate natürlich recht. Ich tue mich schon schwer genug damit, die ganzen fachlichen Kompetenzen messbar zu machen, bei Erziehungsfragen und überfachlichen Kompetenzen bin ich überfordert. Außerdem: Was passiert, wenn die Erziehung des Lehrers mit der kollidiert, die die Eltern für richtig halten (und trotzdem nicht durchsetzen) ?!?

Reni
8 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wird die Erziehungsrolle der Eltern nicht schon seit Jahren abgeschafft?

@Reni
Leben wir denn in einer Demokratie?

sinus
8 Jahre zuvor

Mal abgesehen davon, dass der „Aktionsrat Bildung“ ein Wurmfortsatz der „Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft“ ist: wir erziehen unsere Kinder immer noch selbst. Das funktioniert bisher recht erfolgreich.

GriasDi
8 Jahre zuvor

Wichtiger wäre einmal zu definieren, was Schule NICHT leisten muss. Jede Lobbygruppe fordert mittlerweile ein eigenes Schulfach, zugleich wird lamentiert, dass die Lehrpläne überfrachtet seien. Die Zeit ist begrenzt, wann soll bitteschön das alles passieren?

GriasDi
8 Jahre zuvor

Mehr Medien in der Grundschule. Warum?
Schon Studenten schaffen es nicht, sich auf eine Vorlesung zu konzentrieren, wenn sie ihren Laptop dabei haben.

http://www.sueddeutsche.de/news/bildung/hochschulen-handy-und-laptop-lenken-studenten-in-der-vorlesung-oft-ab-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140630-99-03628