Basta vom Chef: Kretschmann bremst Stoch beim «Gymnasium 2020» aus

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STUTTGART. Das «Gymnasium 2020» von Baden-Württembergs Kultusminister Stoch (SPD) findet kaum Freunde – auch im eigenen Lager nicht. Jetzt hat Ministerpräsident Kretschmann ein Machtwort gesprochen: Am Gymnasium werde nicht gerüttelt, so ließ er wissen. Basta.

Möchte in der Schulpolitik offenbar keinen neuen Ärger: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Grüne NRW / flickr (CC BY-SA 2.0)
Möchte in der Schulpolitik offenbar keinen neuen Ärger: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Grüne NRW / flickr (CC BY-SA 2.0)

Nach Kritik aus der Opposition stoßen die Vorschläge zum «Gymnasium 2020» auch bei den grün-roten Regierungsfraktionen in Baden-Württemberg auf Ablehnung. Insbesondere die von einem Arbeitskreis des Kultusministeriums angeregte Neuordnung der Oberstufe sei nicht sinnvoll, sagte SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei am Montag in Stuttgart. «Das wird es mit uns nicht geben.» Der Arbeitskreis schlägt unter anderem vor, die Klasse 10 der Oberstufe zuzuschlagen und Schüler von Real- und Gemeinschaftsschulen den Zugang zu allgemeinbildenden Gymnasien zu erleichtern.

Auch die Grünen lehnen das Papier als Ganzes ab – einzelne Elemente könne man aber weiter diskutieren, sagte die grüne Bildungsexpertin Sandra Boser. Sie und Fulst-Blei plädierten für Verbesserungen an der «Endlosbaustelle» achtjähriges Gymnasium, aber nicht für einen Umbau. Oppositionspolitiker und Philologenverband sehen die Anregungen als Anfang vom Ende des klassischen Gymnasiums.

Dieses will Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aber unbedingt erhalten als Säule neben Real- und Gemeinschaftsschule. «Daran wird nicht gerüttelt», ließ er über einen Sprecher wissen. Die Grüne Jugend denkt in der Tat in die entgegengesetzte Richtung: In einer Resolution für die Mitgliederversammlung vom 8. bis 10. Mai fordert der Landesvorstand der Jugendorganisation den «Umbau des Schulsystem hin zu einer Schule für alle». Kretschmann hatte in der Vergangenheit betont: «Wer sich am Gymnasium vergreift, überlebt das politisch nicht.»

Die CDU-Fraktion sieht Kultusminister Andreas Stoch (SPD) blamiert. Denn: «Selbst die eigene Fraktion sieht sich in der Pflicht, diese ideologischen Planspiele so schnell wie möglich zu kassieren.» Stoch habe ein Steuerungsproblem, konstatierte Bildungsexperte Georg Wacker. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf plädierte für das «Gymnasium pur» statt «Gymnasium light». Das Konzept «Gymnasium 2020» schade der Qualität der Schulart.

Nach Ansicht von Fulst-Blei könnten die angedachten erleichterten Zugänge auf das allgemeinbildende Gymnasium für Real- und Gemeinschaftsschüler das von Grün-Rot massiv ausgebaute berufliche Schulsystem hart treffen. In dieser Legislaturperiode seien 15 sechsjährige beruflichen Gymnasien, 50 zusätzliche Klassen an beruflichen Gymnasien geschaffen und die Unterrichtsversorgung massiv verbessert worden.

Angesichts dieses finanziellen Kraftaktes für das von Wechslern aus Realschulen bislang bevorzugte berufliche Gymnasien ergebe es keinen Sinn, Parallelstrukturen zu schaffen. «Wir haben das nach Sichtung zur Seite gelegt», resümierte Fulst-Blei. Auch Boser will eine Konkurrenz zu den beruflichen Gymnasien vermeiden. Diese könnte etwa dadurch entstehen, dass das Niveau des Sprachunterrichts an allgemeinbildenden Gymnasium abgesenkt wird.

Die Industrie- und Handelskammern fürchten infolge eines erleichterten Übergangs auf ein allgemeinbildendes Gymnasium, dass sich immer weniger Schüler nach der mittleren Reife für eine duale Berufsausbildung entscheiden. Das würde den Fachkräftemangel weiter verschärfen, hieß es.

Auch vom Berufsschullehrerverband kam eine Absage zu einem möglichen allgemeinbildenden Gymnasium als «Aufbaugymnasium». Mit den beruflichen Gymnasien, die die allgemeine Hochschulreife vermitteln, und den Berufskollegs, die zur Fachhochschulreife führen, stünden für Real-, Werkreal- und Gemeinschaftsschüler genügend Möglichkeiten zum Erwerb eines höheren Bildungsabschlusses offen.

Der von Stoch eingesetzte Arbeitskreis unter anderem mit Vertretern von Eltern, Schülern, Direktoren und des Landesschulbeirates hat das Konzept «Gymnasium 2020» entwickelt. Wacker forderte Stoch auf, klar darzulegen, wie er persönlich die Zukunft des Gymnasiums sieht. Der Minister wird an diesem Dienstag in der Regierungspressekonferenz aller Voraussicht dazu befragt. Julia Giertz, dpa

Zum Bericht: Hin zur Einheitsschule? Grün-rotes «Gymnasium 2020» in der Kritik – FDP: Kriegserklärung

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U. B.
8 Jahre zuvor

Es stellt sich die Frage, ob das „Ausbremsen“ noch Bestand haben, falls Grün-Rot Anfang 2016 die nächste Landtagswahl gewinnt. Kretschmann stimmt in Gedanken vermutlich mit Stoch überein, ist aber klüger als dieser bei der Einschätzung der Bürger. Nur wenige Monate vor der nächsten Landtagswahl am Gymnasium zu rütteln, ist taktisch unklug. Derartiges empfiehlt sich bei einem Wahlsieg für die Jahre danach, dann aber mit Volldampf.

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  U. B.

Wegen der Bildungspolitik müsste der Koalition der Laufpass gegeben werden. Denn wie heißt es so schön in dem Sprichwort mit den „dümmsten Kälbern und dem Schlachter“?
Sollte den Grün-Roten nicht ein deutlicher Denkzettel verpasst werden, wissen wir, wie die Schullandschaft in der Bundesrepublik in einigen Jahren aussehen wird.

U. B.
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Ich hoffe schon mal auf eine deutliche Klatsche am kommenden Sonntag in Bremen. Das letzte Mal holten die Grünen hier sagenhafte 22,5 Prozent.
Allerdings scheinen die Bremer ziemlich unbelehrbar. Die Bildungs- und Finanzpolitik ihrer bereits Jahrzehnte andauernden politischen Führung (SPD) ist eine bekannte Katastrophe, doch sie lassen sich davon nicht beirren.

Reinhard
8 Jahre zuvor

Beim Bildungsplan war es so, dass die „Leitprinzipien“ nach dem öffentlichen Protest zurückgezogen, endlich mal mit gesellschaftlichen Gruppen diskutiert, anders benannt und nach angemessener Zeit fast unverändert beschlossen wurden.

Lena
8 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

So ist es: alter Wein in neuen Schläuchen. Vor den Sommerferien soll der Plan noch abgesegnet werden. Darum findet die nächste „DEMO FÜR ALLE gegen Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder“ noch einmal am Sonntag, dem 21. Juni 2015 (Beginn um 14 Uhr auf dem Schillerplatz) in Stuttgart statt.
Die Organisatoren hoffen auf rege Teilnahme auch von Nicht-Baden-Württembergern, weil die Demo Signalwirkung auf andere Bundesländer hat.