Experten: Eltern und Schule bei Medienerziehung gemeinsam in der Pflicht

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FULDA/MAINZ. Schule allein macht keine medienkompetenten Kinder. Doch auch Eltern sind überfordert, wenn man sie mit der Aufgabe allein lässt ihre Sprösslinge zu medienmündigen Erwachsenen zu erziehen.

Wer steht bei der Vermittlung im Umgang mit Medien stärker in der Pflicht – das Elternhaus oder die Schule? Die Mainzer Medienpädagogik-Expertin Petra Bauer sieht Eltern und Schule in einer Erziehungspartnerschaft gefordert. «Alle Akteure sollten zusammenarbeiten. Der Austausch ist dabei wichtig. Medienerziehung ist eine Vernetzungsaufgabe», sagte die Erziehungswissenschaftlerin bei einer zweitägigen Fachtagung in Fulda, die am Freitag endete.

 

In vielen Familien ein heiß umstrittenes Thema: Das „Zocken“Foto: Magnus Fröderberg/norden.org / Wikimedia Commons (CC BY 2.5 dk)
In vielen Familien ein heiß umstrittenes Thema: Das „Zocken“ Foto: Magnus Fröderberg/norden.org / Wikimedia Commons (CC BY 2.5 dk)

In der Schule könne Medienkompetenz in verschiedenen Fächern als Querschnittsaufgabe unterrichtet werden, sagte Bauer. «Während der Pubertät sollte ohnehin die Schule einen stärkeren Beitrag leisten, weil sich in der Zeit die Jugendlichen von den Eltern abgrenzen.» Eltern sollten aber nicht versuchen, die Verantwortung komplett abzugeben. «Eltern müssen den Anschluss halten, auch wenn es bei der rasanten Medienentwicklung schwerfällt.»

Bauer sieht diverse Gefahren im Internet, etwa gewaltverherrlichende oder pornografische Inhalte. «Sie können zu Entwicklungsstörungen führen.» Sie empfahl Eltern, Filtersoftware auf dem heimischem Computer anzuwenden, damit kritische Seiten ausgesperrt werden.

Ratsam sei auch, dass sich Jung und Alt gemeinsam im Internet bewegen. Eltern sollten versuchen, das richtige Maß an Kontrolle und Vertrauen auszutarieren. «Wenn ein gutes Vertrauensverhältnis besteht, können Eltern und Kinder auch eher über Probleme im Medien-Umgang sprechen», erklärte die promovierte Expertin. Eltern sollten sich auch bewusst sein, dass sie eine wichtige Vorbildfunktion im Umgang mit Medien gegenüber ihren Kindern haben.

Eine weitere, zunehmende Gefahr sei das Cybermobbing, sagte Bauer. Dabei werden zum Beispiel Beleidigungen über andere in sozialen Netzwerken platziert. Dieses Phänomen müsse im Unterricht von Pädagogen thematisiert werden.

Neben dem Chatten, Beiträge posten und Surfen im Internet steht auch das Spielen von Online-Games oder Konsolen hoch im Kurs bei den Heranwachsenden. Anzeichen für zu viel Zocken seien gegeben, wenn die Kinder und Jugendlichen «körperlich verwahrlosen». «Wenn sie dauerhaft mehr in virtuelle Welten eintauchen, statt am realen Leben teilzunehmen – dann muss man einschreiten», riet Bauer.

«Seine gesamte Freizeit mit Computerspielen zu verbringen, ist entwicklungsschädlich», betonte Neurobiologe Holger Schulze von der Uni Erlangen-Nürnberg. Wenn Jugendliche nicht genug Erfolgserlebnisse in der realen Welt erlebten, tauchten sie immer häufiger und länger in die virtuellen Welten von Computerspielen ab. «Sie entfliehen der Wirklichkeit», sagte Schulze. Dort verschaffe ihnen beim Spielen die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin ein gutes Gefühl. «Wenn diese Belohnung immer häufiger gesucht wird, droht eine Suchtproblematik mit Realitätsverlust», erklärte Professor Schulze.

Im Fall einer Fixierung auf Computer- und Konsolenspiele sollte schnell Interesse für andere Dinge geweckt werden, sagte Schulze. Dabei müsse Wissen in kleinen Portionen vermittelt und sollten Erfolgserlebnisse erzielt werden.

Auch die Chancen der Nutzung digitaler Medien und Geräte in der Schule beschäftigte die Experten der Fachtagung mit dem Titel «Hilfe, wer erzieht unsere Kinder?». Digitale Medien würden oftmals nicht als Bereicherung angesehen, sagte Jana Kausch vom Verein Initiative d21 (Berlin). Gerhard Seiler, Geschäftsführer der Stiftung «Digitale Chancen», kritisierte, dass es an bundesweiten Standards und Lösungswegen im Umgang mit der digitalen Welt fehle. Der Föderalismus, der die Kompetenz für Schulen den Ländern zuweist, behindere ein Fortkommen.

Der Schulleiter des Franz-Stock-Gymnasiums in Arnsberg (NRW), Andreas Pallack, gab zu bedenken, dass die neue Ausstattung von Schulen mit digitalen Geräten keine Garantie sei, dass neue Medien im Unterricht genutzt und didaktisch sinnvoll eingesetzt würden. Ende März hatte die große Koalition einen Antrag in den Bundestag eingebracht, um digitale Kompetenzen von Schülern zu stärken. Union und SPD wollen Bundesländer und Kultusminister stärker in die Pflicht nehmen. Die Fraktionen regen den Abschluss eines Länderstaatsvertrags an. (dpa)

• Infos zur Tagung

• Blog von Petra Bauer

Service: Internet-Links zur Medienerziehung – Infos für Kinder, Eltern, Lehrer

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