Volksbegehren in Berlin: Lehrer und Schüler fordern Unterrichtsgarantie

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BERLIN. Wenn Unterricht ausfällt, jubeln die Schüler. Könnte man meinen. In Berlin aber geht der Ausfall selbst ihnen zu weit. Denn in zehn Jahren fehlt ein ganzes Schuljahr an Fachstunden.

Mit einem Volksbegehren wollen sich Lehrer, Schüler und Eltern gegen Unterrichtsausfall an den Berliner Schulen wehren. Bis zum mittleren Schulabschluss fehle den Kindern durch Ausfälle und Vertretungsstunden im Schnitt ein komplettes Schuljahr an regulärem Unterricht, sagte Florian Bublys von der Initiative «Bildet Berlin» am Dienstag. Jedes Jahr könnten zwei Millionen Stunden nicht normal erteilt werden. Ein Teil werde vertreten, andere fielen aus. Indem er das in Kauf nehme, nehme der rot-schwarze Senat den Schülern Chancen auf bessere Abschlüsse, kritisierte Bublys.

Die Initiatoren des Volksbegehrens «100 Prozent Unterricht» werfen der Landesregierung vor, den Unterrichtsausfall zu verschleiern. So würden Stunden, in denen Schüler Aufgaben bekommen, aber nicht vom Lehrer betreut werden, nicht als Ausfall gewertet. Auch wenn andere Fächer vorgezogen würden, zähle das nicht. Nach Rechnung der Initiative fallen jedes Jahr 800 000 Unterrichtsstunden komplett aus. Auch 800 000 Stunden an Förderunterricht könnten nicht gegeben werden.

«100 Prozent Unterricht» fordert daher mehr Lehrer für die Berliner Schulen. Die Argumentation: Wenn es eine Reserve von zehn Prozent gäbe, könnte Vertretungsunterricht von Fachkräften erteilt werden. Dann sei auch Raum für zusätzliche Förderkurse für schwächere oder begabte Schüler. Die zusätzlichen Kosten schätzt die Initiative auf 110 Millionen Euro. Das sei weniger als der Senat veranschlage, weil derzeitige Kosten für die befristete Einstellung von Vertretungslehrern verrechnet wurden, sagte Bublys.

In den kommenden Wochen will «100 Prozent Unterricht» mit dem Sammeln von Unterschriften beginnen. Um das Volksbegehren offiziell beginnen zu können, brauchen die Initiatoren zunächst 20 000 Stimmen. Wenn die Forderungen genügend Unterstützung finden und der Senat nicht darauf reagiert, könnte es zu einem Volksentscheid kommen.

Die Lehrergewerkschaft GEW zeigt sich dem Volksbegehren gegenüber zunächst skeptisch. Mehr Lehrer seien zwar dringend nötig. «Die GEW Berlin bezweifelt aber, dass das Ziel der Vermeidung von Unterrichtsausfall gesetzlich zu erreichen ist», erklärte die Gewerkschaft am Dienstag. dpa

Zum Bericht: Schüler erheben Unterrichtsausfall und kommen auf zehn Prozent – Sachsens Kultusministerium zweifelt

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Reinhard
8 Jahre zuvor

Bei uns (RP) wurde die Vertretungsplanerin gemahnt: ausfallende Stunden in der Oberstufe sollten als „Stillarbeit“ gebucht werden. Und schon ging der Unterrichtsausfall zurück …

dickebank
8 Jahre zuvor

Das ist keine „Mahnung“, das ist de facto eine Festlegung. Da Oberstufenschüler nicht mehr beaufsichtigt werden müssen, können sie vogegebene Aufgabenstellungen in Stillarbeit in der Schule bearbeiten.

Für die Stundenplaner ist EVA eine verlässliche, treue und vor allem kostenneutrale „Mitarbeiterein“.

(EVA ==> eigenverantworliches Arbeiten)