„Ihr seid unser Erdöl“ – So feiert man den Schulabschluss in der ganzen Welt

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BERLIN. Kitschiger «Prom» in den USA, bunte Farbschlachten in Südostasien: Wenn junge Menschen ihren Schulabschluss bestehen, feiern sie auf der ganzen Welt. Achtung: Es kann heftig werden.

Monatelang lernen sie, schwitzen in Prüfungen – und lassen es dann krachen: Wenn Schüler ihren Abschluss machen, wird wild gefeiert. In Deutschland laufen derzeit die letzten Abiturprüfungen. Welche Partys danach wohl wieder steigen? Eine Übersicht der weltweiten Rituale.

– DEUTSCHLAND: Ein Misthaufen vor der Schule? Und Wasserbomben im Flur? Abi-Gags bringen ordentlich Trubel ans Gymnasium. Der Streich sei in den 1980ern eine Art Muss geworden, sagt Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Heute gebe es in größeren Städten fast Wettkämpfe um den besten Gag. Schon vorher – etwa nach den schriftlichen Prüfungen – treffen sich Prüflinge häufig im Park. Fließt zu viel Alkohol, muss der Notdienst anrücken. Feiner ist der Abi-Ball: «Teilweise in sehr aufgemotztem Stil», sagt Meidinger – etwa auf einem gecharterten Schiff.

– USA: Auf ihren High-School-Abschluss fiebern amerikanische Schüler ein ganzes Jahr lang hin. In der zwölften Klasse sind sie die «Seniors» – also ganz oben in der Hierarchie. Klarer Höhepunkt: der «Prom». Für den Abschlussball werden oft weder Kosten noch Mühen gescheut. Mädchen kommen normalerweise in Ballkleidern, Jungen im (meist geliehenen) Smoking. Monatelang gibt es vorher nur ein Thema – wer geht mit wem? Gediegener geht es bei der Zeugnisverleihung zu, der «Graduation». Die Schüler tragen Talare in den offiziellen Farben der Schule – und am Ende fliegen zu Jubel die Hüte in die Höhe.

– KANADA: Das war mal ein ausgefallenes Outfit… Eine Schulabgängerin bastelte sich dort zuletzt ein Abschlusskleid aus Mathe-Klausuren, mit kurzem Schnitt und schwarzem Streifen in der Taille. Laut einem Bericht des kanadischen Rundfunks CBC wollte sie so Geld für den Malala Fund der pakistanischen Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai (17) sammeln.

Absolventen in Kanada. (Foto: Sean McGrath/Flickr CC BY 2.0)
Absolventen in Kanada. (Foto: Sean McGrath/Flickr CC BY 2.0)

– INDONESIEN: Wilde Farbenschlacht! In Indonesien sprayen Schulabgänger bunte Farben auf ihre Uniformen, um zu zeigen, dass sie ihre Prüfungen bestanden haben. Die Euphorie ist in manchen Fällen schon in Vandalismus umgeschlagen. Um Leute von der Aktion abzuhalten, wurden den Schülern zum Teil Briefe nach Hause geschickt. In den letzten Jahren sind in Indonesien auch Abschlussbälle beliebter geworden.

– INDIEN: Auch indische Schüler, die sonst ans Reih-und-Glied-Stehen und scharfe Maßregeln gewohnt sind, werden am letzten Schultag etwas rebellisch. Sie schreiben sich gegenseitig etwas auf ihre Schuluniform. Neben «Du bist mein bester Freund» stehen dann auch witzige Sprüche auf Ärmeln und Hosenbeinen. Viele dieser Erinnerungsstücke hängen jahrelang im Schrank.

– FRANKREICH: Überall in Frankreich wird das Abitur feuchtfröhlich gefeiert. Nach einer Tradition, die sich nur in einigen Regionen durchgesetzt hat, gehen künftige Abiturienten 100 Tage vor dem Schulabschluss bunt verkleidet auf die Straßen, um den Beginn der Prüfungen einzuleiten und die baldige Freiheit zu feiern. Oft wird dabei eine Schlacht mit Mehl und Eiern eröffnet und Geld im Tausch gegen Süßigkeiten für die spätere Abiturfeier gesammelt.

– TUNESIEN: Abiturienten bemalen dort traditionell große Leinwände mit Motiven aus der aktuellen Politik. Beliebtes Motiv in diesem Jahr: die Terrormiliz Islamischer Staat. Denn die Prüfungen fallen in eine Zeit regionaler Konflikte und innerer Unruhen in Tunesien. Im Süden sorgt eine Kampagne «Wo ist das Erdöl?» derzeit für Aufregung. Denn sie macht die Menschen glauben, dass das Land eigentlich über große Ressourcen verfügt. Darauf nahm Präsident Beji Caid Essebsi bei einem Besuch von Abiturienten an einer Schule jüngst Bezug. «Ich suche hier nach Erdöl», sagte er den Schülern und betonte: «Unser Erdöl, das seid ihr.»

– NIEDERLANDE: Wenn junge Leute dort erfahren, dass sie ihren Schulabschluss geschafft haben, hängen sie die niederländische Fahne aus dem Fenster und dazu ihren Schulrucksack. Dann wissen auch die Nachbarn Bescheid. Die Firma, die die Flaggen produziert, muss laut Medienberichten in diesen Wochen sogar Sonderschichten fahren.

– ITALIEN: Am letzten Schultag gibt es fast überall die berühmten «gavettoni», Wasserschlachten auf der Straße vor der Schule. Das gilt nicht nur für jüngere Schüler, die sich in die Ferien verabschieden, sondern auch für Schulabgänger. Alle feuern Wasserbomben ab, aus Flaschen, Luftballons, Plastikpistolen. Hin und wieder beschmeißen sich manche noch mit Mehl – damit es richtig schön matschig wird.

– BULGARIEN: Im ärmsten EU-Land Bulgarien wird das Abitur wie eine Hochzeit gefeiert. Mit teuren Lokalen, ausgefallener Abendkleidung und Luxusautos. Viele Eltern nehmen Kredite auf, damit der «Eintritt ins Leben» für die Kinder ein unvergessliches Fest wird. Gefeiert wird schon am Nachmittag im Familienkreis. Der Abiturient holt dann seine «Dame» ab. Die Klasse sammelt sich an einem symbolträchtigen Ort – wie etwa vor der orthodoxen Alexander-Newski-Kathedrale in der Hauptstadt Sofia. Dann wird getanzt – etwa orientalischer Bauchtanz.

– POLEN: Das Abitur ist dort eine ziemlich brave Sache. Zur Prüfung erscheinen die Schüler im Anzug oder in Kostüm oder Kleid in gedeckten Farben – auch wenn unter dem seriösen Outfit traditionell rote Unterwäsche als Glücksbringer steckt. Richtig gefeiert wird, sobald es zur Uni geht: Im Mai – manchmal Juni – sind in polnischen Universitätsstädten die «Juwenalia», an denen traditionell die Studenten vom Bürgermeister den Schlüssel zur Stadt einfordern und drei Tage lang das Sagen haben auf Straßen und Plätzen.

– TSCHECHIEN: Dort geht es nach dem Abitur gediegen zu. Beim Abschlussball sind Gesellschaftsanzug für die Herren und Abendkleid für die Damen Pflicht. Vor den Augen der stolzen Eltern erhalten die Maturanten ihre Schärpe, eine feierliche Armbinde, überreicht. Fest zum Programm gehört der Tanz mit den ehemaligen Lehrern. In Tschechien machen knapp 70 Prozent eines Jahrgangs das Abitur. Wer studieren will, muss auch strenge Hochschul-Aufnahmetests bestehen.

– SLOWAKEI: Damit die ganze Stadt weiß, wer dieses Jahr seinen Abschluss machen wird, stellt jede Maturaklasse die Fotos aller einzelnen Schüler in dekorativen, meist auch witzigen Arrangements auf kleinen Tafeln in das Schaufenster eines Geschäfts. Schon im Winter gibt es den eher eleganten Abiturientenball, die «Stuzkova». Der Name leitet sich von der «Stuzka» ab, einem schleifenförmigen Abzeichen, das sie von da an auf ihrer Kleidung tragen. Im Mai ziehen sie schon vor der Prüfung in feuchtfröhlicher Stimmung durch die Straßen. Sie lassen sich von Passanten mit Geld beschenken, das sie für Alkohol ausgeben. Julia Kilian

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