Kinderpsychiater mahnt: Nicht Wegsehen bei Gewalt unter Kindern

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MAINZ. In einer Mainzer Kita haben sich offenbar Kinder sexuelle Gewalt angetan – nun läuft die Aufarbeitung des Skandals. Für viele stellt sich nicht nur die Schuld-, sondern auch eine Verständnisfrage: Wie können Kinder so aggressiv werden? Ein Kinderpsychiater mahnt: Genauer hinschauen.

Gewalt auf dem Schulhof liegen oft tiefere Probleme zugrunde. Foto: danxoneil (CC BY 2.0)
Gewalt auf dem Schulhof liegen oft tiefere Probleme zugrunde. Foto: danxoneil (CC BY 2.0)

Mit Blick auf den Mainzer Kita-Skandal warnt der Kinderpsychiater Marc Allroggen vor einem teils mangelnden Bewusstsein für Gewalt unter Kindern. «Was oftmals ausgeblendet wird, ist, dass auch Vorschulkinder tatsächlich etwas Aggressives tun können. Die Warnhinweise werden dann nicht gesehen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf», sagte der Leiter des Bereichs Forensische Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Ulm der Deutschen-Presse Agentur. «Dafür müssen wir sensibler werden.» Allroggen forscht unter anderem zu sexueller Gewalt.

In einer katholischen Kita im Mainzer Stadtteil Weisenau hat es nach Angaben des Bistums Mainz schwere sexuelle Übergriffe, Erpressung und Gewalt unter drei- bis sechsjährigen Kindern gegeben. Die Einrichtung wurde deshalb dicht gemacht. Das Bistum wirft den mittlerweile gekündigten Kita-Mitarbeitern vor, ihre Aufsichtspflicht verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe in Mainz hatten sich viele Beobachter gefragt, wie sich die Vorfälle offenbar über Monate hinweg aneinanderreihen konnten. Fast alle der 55 Kita-Kinder sollen laut Bistum auf die eine oder andere Weise betroffen sein.

«Wenn sich so etwas in der Gruppe entwickelt, kann man vermuten, dass es vielleicht zunächst einige wenige waren. Für viele andere Kinder hieß es aber dann: Mache ich mit? Oder werde ich selbst Opfer?», sagte Allroggen, der die Vorwürfe aus den Medien kennt, zur grundsätzlichen Konstellation in einem solchen Fall. «In dieser Situation ist es nachvollziehbar, dass ein Kind lieber selber sexuell übergriffiges Verhalten zeigt, als zu den Opfern zu gehören.»

Unterdessen hat das Landesjugendamt angekündigt, die geplante Neueröffnung der Einrichtung im September genau beobachten zu wollen. Es würden höhere Anforderungen angelegt als bei einer gewöhnlichen Einrichtung. dpa

Zum Bericht: Mainzer Kita-Skandal um Gewalt und sexuelle Übergriffe unter Kindern – Polizei ermittelt gegen Erzieher

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