Doch was bewirkt? Bildungsgipfel in Hessen steht vor Abschluss

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WIESBADEN. Ist der Bildungsgipfel von Alexander Lorz (CDU) gescheitert oder hat zumindest die intensive Diskussion über das hessische Schulsystem verkrustete Strukturen aufgebrochen? Bei ihrer Einschätzung liegen die unterschiedlichen Lager so weit auseinander wie ihre Positionen auf dem Gipfel.

Das Ziel für den Bildungsgipfel ist kurz und klar formuliert: Die Expertenrunde soll den Schulfrieden für die nächsten zehn Jahre in Hessen bringen. Nach neun Monaten mit vier großen und unzähligen kleinen Gesprächsrunden steht zum Abschluss fest: Die Fronten sind in vielen Kernthemen der Schulpolitik verhärteter denn je. Eines der zentralen Projekte der schwarz-grünen Landesregierung hat noch dazu Sand ins Getriebe der Koalition gestreut.

Die Grünen mit Fraktionschef Mathias Wagner waren die Triebfeder für den Gipfel. Bündnispartner CDU tat sich gerade im zähen Ringen um die künftige Schulstruktur im Land schwer, Positionen außerhalb des Koalitionsvertrags einzunehmen – auch wenn immer wieder öffentlich Kompromissbereitschaft signalisiert wurde.

Die Zahl der massivem Kritiker des Bildungsgipfels wuchs so schnell wie die Zahl der ungelösten Fragen. Neben der Opposition im Wiesbadener Landtag schossen sich vor allem die GEW und weitere Lehrer- und Elternverbände auf Kultusminister Alexander Lorz (CDU) ein und drohten als Gipfelstürmer mehrfach mit dem Ausstieg. Vor anderen Expertenrunden wie der «Allianz für Wohnen» in Hessen wurde der Bildungsgipfel von Teilnehmern als Paradebeispiel für eine Alibiveranstaltung ohne zählbare Erfolge gebrandmarkt.

Steht vor den Scherben seines Bildungsgipfels: Alexander Lorz, Kultusminister von Hessen. Foto:
Steht vor dem Abschluss seines Bildungsgipfels: Alexander Lorz, Kultusminister von Hessen. Foto:
Martin Rulsch, Wikimedia Commons, CC-by-sa 3.0/de

Beim letzten Gipfeltreffen an diesem Freitag wird es für die Landesregierung vor allem darum gehen, nicht nur ohne unterschriebenes Abschlussdokument als Verlierer dazustehen, sondern möglichst greifbare Reformvorschläge durch Maßnahmen der Landesregierung mit einem prominenten Mitstreiter als Zugpferd dafür in Aussicht zu stellen.

Dass die Arbeit der vielen Experten auf dem Bildungsgipfel nicht einfach nur im Papierkorb landet, sondern die Landesregierung tatsächlich schon konkrete Ideen für Reformen hat, zeichnet sich ab. So sprach Lorz bereits von «pragmatischen Handlungsanleitungen», die er für sich von den Ergebnissen der Arbeitsgruppen ableiten werde. Auch die Landesschülervertretung rechnet damit, dass ihre Vorschläge für eine neue Sekundarschule ohne echte Hauptschule nicht umsonst waren.

Neben den politisch-ideologischen Scharmützeln kamen tatsächlich Bildungsexperten auf Initiative des Gipfels ins Gespräch, die sonst eher keine Berührungspunkte miteinander haben. Davon profitiert der Kultusminister. Die zwei weiteren Ziele des Gipfels, Gesprächsfäden zu knüpfen und praktische Tipps der Experten für die Landesregierung zu bekommen, kann also durchaus als erreicht angesehen werden.

Dass Lorz weiter Lust am Ringen um eine bessere Schule in Hessen hat, versichert der 49-Jährige am Tag vor der letzen Gipfelrunde vehement. Er werde nicht als Richter zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe wechseln, dementiert der studierte Jurist Gerüchte. Er sei mit Herzblut Kultusminister. «Meine Reise ist noch lange nicht zu Ende.» Bernd Glebe

Webseite zum Bildungsgipfel

Die Chronologie des Bildungsgipfels

Mit dem Bildungsgipfel wollte die schwarz-grüne Koalition in Hessen einen «Schulfrieden» erreichen, eine Einigung zur Schulpolitik auf zehn Jahre. Doch im Rückblick gab es bei fast jedem Schritt Streit:

4. Februar 2014: Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) kündigt in seiner Regierungserklärung den Bildungsgipfel an. Er ist Teil der Koalitionsvereinbarung von CDU und Grünen.

22. Juli: Kultusminister Alexander Lorz (CDU) lädt nach monatelanger Vorbereitung zu dem Treffen ein.

17. September: Der Bildungsgipfel tagt erstmals. Fünf Arbeitsgruppen werden gebildet für die Themen Schulstruktur, Ganztagsschulen, Inklusion, Schule und Beruf sowie Lehrerbildung.

22. Januar 2015: Die Vertreter von Schülern, Lehrern und Eltern drohen mit dem Ausstieg. Es gehe zu wenig um soziale Gerechtigkeit. Die Arbeitsgruppen seien zu groß, die Teilnehmer zu CDU-nah.

30. Januar: Zweites Treffen. Lorz kommt den Kritikern entgegen. Die Zusammensetzung der AGs wird verändert.

24. April: Drittes Treffen. Die Fronten sind verhärtet.

5. Mai: Als Zugeständnis kündigt Lorz Schritte für mehr Ganztagsschulen an.

17. Mai: Die Landesschülervertretung stellt das Modell einer neuen integrierten Schule für Haupt- und Realschüler vor, Arbeitsname Sekundarschule. Die Regierungskoalition nennt den Vorschlag gut.

23. Mai: Bouffier sagt beim Landestag der Jungen Union, die CDU halte an ihrer Schulpolitik fest.

29. Mai: Die SPD fordert, personell im Kultusministerium vertreten zu sein, um die Umsetzung von Gipfelergebnissen kontrollieren zu können.

2. Juni: Schüler, Lehrer und Eltern drohen erneut mit dem Ausstieg.

23. Juni: SPD und FDP erklären den Entwurf eines Abschlussdokuments für unzureichend. Der Gipfel sei «faktisch gescheitert», sagt SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel. CDU und Grüne halten daran fest, dass die Beratungen wichtige Ideen gebracht hätten.

8. Juli: Auch die Vertreter von Schülern, Eltern und Lehrern erklären, dass sie nicht unterzeichnen werden.

17. Juli: Der Bildungsgipfel soll zum vierten und letzten Mal tagen. dpa

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alexander
8 Jahre zuvor

[Zitat:] „….Bouffier sagt beim Landestag der Jungen Union, die CDU halte an ihrer Schulpolitik fest…“…“Lorz kommt den Kritikern entgegen“…. Weiß da die linke Hand nicht, was die rechte tut? War der Bildungsgipfel nicht von Anfang an nur Makulatur? Und sollte Herr Lorz vor diesem Hintergrund nicht besser seinen Hut nehmen?