Griechenlands Lehrer müssen um ihre Gehälter bangen – GEW solidarisiert sich mit Athen

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ATHEN. Im Mai noch hatten sie sich gefreut: Zu Beginn des neuen Schuljahrs im September sollten, so die damalige Ankündigung, etwa 2.500 im Frühjahr entlassene Lehrer an die öffentlichen Schulen zurückkehren. Zudem sollten rund 20.000 Lehrer mit Zeitverträgen eingestellt werden. Mit diesen und anderen Maßnahmen verwarf die griechische Regierung aus dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) und den Unabhängigen Griechen (ANEL) den Sparkurs ihrer Vorgängerregierungen. Die Freude bei den Betroffenen sowie den übrigen Lehrern in Griechenland dürfte – wenn sie nicht schon verflogen ist – bald drastisch getrübt werden: Nach dem gestrigen Volksentscheid ist fraglich, ob und wie lange Athen noch die Gehälter für seine Staatsbediensteten zahlen kann. Die GEW Hessen hat sich unterdessen mit der griechischen Regierung solidarisiert.

Demonstration gegen die Sparauflagen der Kreditgeber in Athen am 29. Juni. Foto: Jan Wellmann / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Demonstration gegen die Sparauflagen der Kreditgeber in Athen am 29. Juni. Foto: Jan Wellmann / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Der öffentliche Dienst in Griechenland gilt als aufgebläht und wenig effizient. Von elf Millionen Menschen in Griechenland arbeiteten im Jahr 2009 rund 950.000 im öffentlichen Dienst. 2013 waren es wegen der Sparmaßnahmen nur noch 675.000. Im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise waren in den vergangenen Jahren in Griechenland etwa 5.000 Pädagogen aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden, was zu einem spürbaren Lehrermangel führte. Auch die Gehälter wurden massiv gekürzt. Verdiente ein Lehrer 2008 noch rund 22.000 Euro im Jahr (womit die griechischen Kollegen auch damals schon im europäischen Vergleich ziemlich am Ende lagen), so hat sich das Pädagogen-Gehalt seitdem praktisch halbiert: Zulagen, etwa für Weiterbildung, wurden gestrichen. Ein Grundschullehrer mit zehn Dienstjahren verdient nicht mal mehr 900 Euro netto im Monat. Ähnlich geht es Angehörigen verwandter Berufe. „Ich habe einen Job. Ich arbeite jeden Tag. Und ich kann meine Familie nicht ernähren. Das ist Austerität“, so zitiert „Zeit online“ einen Hochschul-Dozenten, der monatlich noch über 840 Euro verfügt.

Und jetzt? Jeden Monat benötigt der griechische Staat rund 500 Millionen Euro, um seine Bediensteten zu bezahlen. Laufen die Notfallkredite der Kreditgeber aus, können die Gehälter wohl nicht mehr bezahlt werden, in Euro jedenfalls nicht. Möglich ist, dass die Regierung Schuldscheine herausgibt – in der Hoffnung, dass diese als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Möglich ist das, Ökonomen erwarten allerdings einen Wertabschlag. Heißt: Ein 100-Euro-Schuldschein wäre dann nur 50 Euro wert. Wovon die Lehrer und die anderen Staatsbediensteten wie Polizisten und Krankenschwestern dann leben sollen, ist unklar.

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Der Landesvorstand der hessischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat unterdessen seine „Solidarität mit der griechische Bevölkerung in ihrem Kampf für Arbeit sowie angemessene Löhne und Renten“ erklärt. Die Gewerkschaft wendet sich „entschieden gegen die Austeritätspolitik der Institutionen aus EU, IWF und EZB, die einseitig einem rigiden Kürzungsprogramm folgt“. Auch die Rolle der (deutschen) Medien in der Griechenland-Krise sieht die GEW kritisch. „Die GEW als Vertretung von ErzieherInnen, Lehrkräften und Wissenschaftlern fordert die Bundesregierung und die europäischen Institutionen auf, den Weg in die bisherige Sackgasse aufzugeben und für ein Klima der Aufklärung statt der Desinformation zu sorgen. Die einseitige Berichterstattung in großen Teilen der Medien sehen Pädagoginnen und Pädagogen als unvereinbar an mit ihrem kritischen Bildungs- und Erziehungsauftrag an. Die GEW fordert die Medien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen, deshalb auf, ihrer umfassenden Informationsverpflichtung nachzukommen.“

So werde in der Berichterstattung unterschlagen, was die von den Kreditgebern geforderten Sparauflagen anrichten würden. „Man stelle sich einmal die Zustände in Deutschland vor, was das an Auseinandersetzungen und Konflikten bedeuten würde. Massive Kürzungen in fast allen Bereichen, Mehrwertsteuererhöhungen, Abwürgen der Konjunktur, massive Verteuerung der Lebenshaltung, noch massivere Unterfinanzierung in allen Zweigen der staatlichen Daseinsvorsorge. Von der griechischen Regierung wird dies jedoch unverfroren verlangt, wohlwissend, dass es den weiteren Niedergang der Wirtschaft und den Ausverkauf des Landes bedeutet.“ Die griechische Regierung spreche auch im Namen der GEW, wenn sie „ein Ende der Austeritätspolitik und damit ein soziales Europa“ fordere, so GEW-Landeschef Jochen Nagel. News4teachers

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4 Kommentare
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dickebank
8 Jahre zuvor

Dann soll die GEW ihre einkassierten Gewerkschaftsbeiträge nehmen und ein Notprogramm zur Finanzierung griechischer Lehrkräfte initieren. Sie kann ja ouzo importieren und mit dem Gewinn sich dann refinanzieren.

GEW ==> größtmöglich existierende Wahrnehmungsstörung

timo
8 Jahre zuvor

Die GEW lässt keine Gelegenheit aus, sich von ihrer gutmenschlichen Seite zu zeigen. Ob Inklusion, Gemeinschaftsschule, Unterricht in sexueller Vielfalt von Minderheiten oder jetzt die Solidaritätskundgebung mt der griechischen Regierung.
Wie blind und weltfremd muss man sein, um die Mitgliedschaft in diesem selbstgefälligen Verein ideologischer Traumtänzer nicht zu kündigen?

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  timo

Tja, das frage ich mich auch schon seit etlichen Jahren. Diese Gewerkschaft „hechelt“ ja wohl jedem scheinbar fortschrittlichen Zeitgeist hinterher. Vor allem liegt sie stramm auf der Gender – Linie.

Richtig, wer das von den Lehrkräften nicht erkennt, ist auch in meinen Augen „blind und weltfremd“.
Schlimmer noch, es scheint viele L zu geben, die dieser Entwicklung auch noch positiv gegenüberstehen.
Wie ist es eigentlich mit dem Urteilsvermögen bei L bestellt?

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Welche Alternative sehen Sie denn für tarifbeschäftigte Lehrkräfte, um sich gewerkschaftlich zu organisieren? Die Organisationen des DBB sind nämlich keine echte Alternative, da sie die Interessen der Tarifbeschäftigten – allem voran die L-EGO – konsequent ignorieren.