Verwirrende Studien zur Inklusion – klar wird nur: Viele Eltern sind skeptisch

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GÜTERSLOH. Wie stehen Eltern zur Inklusion? Zwei Studien, binnen 24 Stunden veröffentlicht, kommen zu sich widersprechenden Ergebnissen. Gestern hieß es: Elternvertreter an Schulen mit Inklusion sehen Probleme in der Umsetzung des Projekts. Heute will die Bertelsmann-Stiftung zu der Erkenntnis gekommen sein: Die Eltern, deren Kinder Inklusionsschulen besuchen, sind mehrheitlich mit der Förderung ihrer Kinder zufrieden. Was stimmt denn nun? Deutlich wird trotz der Verwirrung eines: Immer noch überwiegt die Skepsis innerhalb der Elternschaft gegenüber dem gemeinsamen Unterrich von behinderten und nicht-behinderten Schülern.

Studien sollen Klarheit schaffen - und stiften mitunter doch Verwirrung. Foto:  Johannes Ahlmann / flickr  (CC BY 2.0)
Studien sollen Klarheit schaffen – und stiften mitunter doch Verwirrung. Foto:
Johannes Ahlmann / flickr (CC BY 2.0)

Schulen mit behinderten und nicht-behinderten Kindern bekommen von Eltern bessere Noten als solche, wo kein gemeinsamer Unterricht stattfindet – meint jedenfalls die Bertelsmann-Stiftung. In einer heute von ihr vorgestellten Studie heißt es, in Schulen mit sogenannter Inklusion seien 68 Prozent der befragten Eltern mit der Förderung ihrer Kinder zufrieden. Bei Eltern, deren Kinder auf eine herkömmliche Schule gehen, liege dieser Wert zehn Prozentpunkte niedriger.

Auch Lehrer an inklusiven Schulen bekommen laut Bertelsmann-Stiftung bessere Noten. Sie gelten der Umfrage zufolge als kompetent (89 zu 82 Prozent), können gut erklären (86 zu 77), fördern die Stärken der Schüler (72 zu 60 Prozent) und arbeiten an den Schwächen (69 zu 53). Gut ein Drittel der deutschlandweit befragten Eltern gab an, dass ihr Kind auf eine inklusive Schule geht.

Das Fazit der Studienmacher: Eigenes Erleben verringert Skepsis. «Konkrete Erfahrung überzeugt Eltern von Inklusion. Ein schrittweiser Ausbau von inklusiven Schulen ist deswegen sinnvoll. Voraussetzung dafür ist, mehr Lehrer zum inklusiven Unterrichten fortzubilden», erläuterte Jörg Dräger vom Vorstand der Stiftung.

Tatsächlich lässt sich auch ein anderes Fazit aus der Studie ziehen. Ausdrücklich unterscheidet die Umfrage zwischen konkreten Erfahrungen mit der Inklusion in Schulen und allgemeinen Einstellungen. Zwar stufen 70 Prozent der Befragten gemischtes Lernen als gesellschaftlich wichtig ein – 60 Prozent allerdings glauben, dass Kinder mit Handicap auf Sonderschulen besser gefördert werden. Gut die Hälfte meint, dass Kinder ohne Förderbedarf auf inklusiven Schulen fachlich gebremst werden. Heißt im Klartext: Die Mehrheit der Eltern in Deutschland sieht die Inklusion nach wie vor kritisch.

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Bei der gestern veröffentlichten Studie, einer von der FDP in Auftrag gegebene Umfrage unter Elternvertretern von inklusiven Schulen in Nordrhein-Westfalen, wurde Kritik insbesondere an der praktischen Umsetzung der Inklusion laut. Zwar zeigten die befragten Elternvertreter weit überwiegend eine positive Haltung zum „Gemeinsamen Lernen“, hieß es. Nach Einschätzung von knapp drei Viertel der Befragten gelinge aber der Umsteuerungsprozess meist nicht zufriedenstellend, und das eingeschlagene Tempo werde als unangemessen eingeschätzt. Die Eltern bemängelten unter anderem, dass keine oder nicht ausreichend zusätzliche Lehrer und Sonderpädagogen eingestellt wurden und dass Räume nicht umgebaut wurden.

Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, erklärte heute: «Das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Handicap wird längst mehrheitlich von Lehrern und Eltern gewollt.» Umso mehr stehe die Politik in der Pflicht, die notwendigen Bedingungen an den Schulen zu sichern. Fehlende Rahmenbedingungen würden Lehrer durch hohes Engagement ausgleichen. Das könne aber nicht die Lösung sein, sagte Beckmann laut Mitteilung. Der VBE fordert kleinere inklusive Lerngruppen und eine ständige Doppelbesetzung mit Lehrern und Sonderpädagogen in den Regelschulen.

2009 hatte sich Deutschland mit der Ratifizierung einer UN-Konvention verpflichtet, Schüler mit und ohne Handicap in einem integrierten System zu unterrichten. Im Schuljahr 2013/2014 haben rund 30 Prozent der knapp 500.000 Förderschüler in Deutschland eine Regelschule besucht. Vor sieben Jahren lag der Inklusionsanteil noch unter 20 Prozent. News4teachers / mit Material der dpa

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9 Kommentare
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GriasDi
8 Jahre zuvor

Damit sieht man mal wieder: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.

xxx
8 Jahre zuvor

wurde in der bertelsmann-studie eigentlich allgemeines über die schulen oder speziell der inklusionserfolg? die im artikel zitierten fragen lassen beides zu und machen damit den Rückschluss zur Inklusion nichtig.

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wen interessieren eigentlich die veröffentlichungen von Mietmäulern?

Die B.-Stiftung handelt allein im Interesse der Firmengruppe, deren Aktienanteile ihr überschrieben worden sind.
Die sind so unabhängig wie die BLÖD-Zeitung

mehrnachdenken
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Richtig!! Wer sich auf die B – St. verlässt, ist verlassen.

Daher wundere ich mich gar nicht, dass „Anna“ in ihrer Verzweiflung sogar diesen mehr als umstrittenen Dienstleister zitiert.

Siegfried Marquardt
6 Jahre zuvor

Warum hört man nicht auf die Experten der Sonderschulpädagogik?
Man hätte sich vielen selbstverursachten Ärger und schmerzlichen Erfahrungen mit der sogenannten Inklusion, mit dem gemeinsamen Lernen von Behinderten und nichtbehinderten Schülern ersparen können, wo die Lehrer und die Schüler gemeinsam darunter extrem litten, wenn man auf die Experten im Bildungssystem, auf die Lehrer an der pädagogischen Basis in den Schulen von Anfang an gehört hätte. Von Anfang erhoben sich warnende Stimmen von erfahrenen Pädagogen, dass sich über 100 Jahre bewährte konventionelle System der Beschulung von Lernbeeinträchtigten Schülern (Lernbehinderten Schülern) in Förderschulen zu „zerschlagen“. Wenn sich fast zweidrittel der Lehrer (akkurat 59 Prozent) für den Erhalt von Förderschulen ausspricht, dann haben diese Pädagogen gute Erfahrungen mit den Förderschulen gemacht. Die Bildungspolitiker sollten diesen erfahrenen Pädagogen ihr Ohr leihen und nicht weiter „das Kinde mit dem Bade“ ausschütten! Mit anderen Worten: Das System der Förderschulen sollte ohne Wenn und Aber erhalten bleiben.
Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

C.L
6 Jahre zuvor

Leider sind die Bildungspolitiker beratungsresistent. Der eingeschlagene Weg wird beibehalten werden, da man sonst sich und einer breiten Öffentlichkeit eingestehen müsste, dass man die Originaltexte der UN-Menschenrechtskonvention nicht richtig übersetzt hat, noch diese in ihrem Original in Englisch verstanden hat.
Wenn Menschen , wie Günther Oettingen Englisch lesen,dann wird Englisch zur Lachnummer.

Siegfried Marquardt
6 Jahre zuvor

Mit dem „gemeinsamen Lernen“ wird das pädagogische Chaos organisiert!
Mit der neuen, modifizierten bildungspolitischen Strategie „gemeinsames Lernen“ wird zweifelsohne das pädagogische Chos organisiert. Es ist absolut nicht nachvollziehbar, dass an diesem pädagogischen Konzept festgehalten wird, obwohl empirisch zweifelsfrei belegt, bereits die „Inklusionsstrategie“ kläglich gescheitert ist. Es ist hingegen trivial, dass in den Klassen der regulären Oberschulen körperbehinderte Schüler, wie beispielsweise querschnittsgelähmte Schüler und Schüler mit anderen körperlichen Handicaps gut integrierbar sind – hier bestehen absolut keine Probleme! Bei Sehbehinderten mit der Installation von computergestützten Arbeitsplätzen (vergrößerte Schrift) und leicht hörbehinderten Schülern könnte das gemeinsame Lernen ebenfalls gut funktionieren. Bei Blinden und extrem Hörbehinderten Schülern sind unbedingt sonderpädagogische Lehrkräfte und Spezialschulen erforderlich, die sich in einem Zeitraum von über 100 Jahren weltweit etabliert haben und gut bewährten. Die Integration von lernbehinderten Schülern, also Schülern der Förderschulen in Klassen von Oberschulen ist pädagogisch-psychologischer und bildungspolitischer Rückschritt, ja Schwachsinn! Zum Beispiel können nur ein oder zwei verhaltensauffällige oder lernbehinderte Schüler den gesamten Unterricht nicht nur schlechtweg stören, sondern sogar zunichtemachen. Und so ungefähr wird sich dies in den Inklusionsklassen abgespielt haben und wird sich dies auch künftig in Klassen mit dem „gemeinsamen Lernen“ so abspielen. Die Lernbehinderten mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche und Rechenschwäche und Schüler mit Konzentrationsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten sind mit dem regulären Stoff der entsprechenden Klassenstufe überfordert und die regulären Schüler können sich beispielsweise durch die ständigen Störungen des Unterrichtes oder aufgrund des erhöhten Lärmpegels nicht konzentrieren und erfahren somit ebenfalls keinen wesentlichen Lernzuwachs.
Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

Siegfried Marquardt
6 Jahre zuvor

Die Integration von Lernbehinderten in Klassen von Oberschulen ist pädagogisch-psychologischer und bildungspolitischer Rückschritt!
Wie Bildungsminister Günter Baaske (SPD) aus seiner Zeit als Mathelehrer, wohl an einer Förderschule (zu DDR-Zeiten Hilfs- und Sonderschule), berichtete, schlugen manche Schüler über die Stränge und es ging dann über Tische und Bänke (sinngemäß entsprechend Artikel). Herr Baaske müsste doch damit über einen großen Wissensfundus und eine hohe Qualifikation zur Problematik und Thematik der Lernbehinderung bzw. der Lernbehinderten besitzen! Nur ein oder zwei verhaltensauffällige oder lernbehinderte Schüler können somit den gesamten Unterricht nicht nur schlechtweg stören, sondern sogar zunichtemachen. Und so ungefähr wird sich dies in den Inklusionsklassen abspielen. Die Lernbehinderten und die Schüler mit Konzentrationsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten sind mit dem regulären Stoff der Klassenstufe überfordert und die regulären Schüler können sich beispielsweise durch die ständigen Störungen des Unterrichtes oder aufgrund des erhöhten Lärmpegels nicht konzentrieren und erfahren somit auch keinen wesentlichen Lernzuwachs. So „profitieren“ alle Schüler in und von den Inklusionsklassen – der Lernprozess wird nicht forciert, sondern er stagniert bestenfalls oder nimmt sogar eine Abwärtsentwicklung. Man kann sich einmal die ganz einfache Frage stellen, warum bei Lernschwierigkeiten von Schülern in einzelnen Fächern eine individuelle Förderung durch Einzelunterricht oder in kleinen Lerngruppen erfolgt. Ganz einfach: Es werden optimale Lernbedingungen für die Schüler damit konstituiert. Die Konstituierung von Förder- und Sonderschulen mit kleinen Klassenstärken war Anfang des vergangenen Jahrhunderts ein riesiger Fortschritt, weil damit für Schüler mit einer Intelligenzminderung, mit Konzentrationsschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten optimale Lernbedingungen geschaffen wurden. Dieses Konzept geht ursprünglich auf die beiden französischen Psychologen Albert Binet und Theodore Simon zurück. Die beiden Psychologen wurden durch das französische Unterrichtministerium 1904 damit beauftragt, einen Schuleignungstest zu entwickeln, um Schüler mit fundiertem Förderbedarf zu diagnostizieren und für die Integration auf Förderschulen herauszufinden. Dieser, 1905 entwickelte Schuleignungstest war der erste fundierte und qualifizierte Intelligenztest, der in der Folgezeit weiterentwickelt wurde. Was man momentan unter dem Motto „Inklusion“ zur Eingliederung von lernbehinderten und konzentrationsgestörten Förderschülern in die Klassen der regulären Grund-, Ober- und Gesamtschulen veranstaltet, ist neben kaum nachvollziehbaren politischen Absichtserklärungen in jedem Falle pädagogisch-psychologisch betrachtet ein riesiger Rückschritt! Rückschritt daher, weil die Förderschüler unter den angestrebten Bedingungen kaum individuell und zielgerichtet gefördert werden können und Rückschritt auch daher, weil die regulären Schüler in jedem Falle im Lernprozess nachhaltig gestört werden. Und wie soll dies mit den beiden Klassenstufen 9 für die Förderschüler überhaupt funktionieren? Besuchen dann die Förderschüler gemeinsam mit den anderen Schülern die Klassenstufe 10 oder werden die Förderschüler dann in die nachfolgende 8./9.Klassee integriert. Beides ist nicht zu empfehlen, weil dann das Durcheinander noch größer wird. Denn Förderschüler benötigen immer feste Strukturen! Das vormalige Konzept der Allgemeinen Zehntklassigen Förderschule zur Erlangung der Einfachen Berufsbildungsreife war schon genial. Anschließend erlangten die Förderschüler eventuell die Erweiterte Berufsbildungsreife in einem Berufsvorbereitungsjahr unter REHA-Bedingungen und konnten dann wiederum unter REHA-Bedingungen einen Ausbildungsberuf erlernen. Bei manchen Förderschülern „platze dann irgendwann der Knoten“ und sie absolvierten dann beispielsweise sogar als Tischer, Maler und Lackierer oder als Gärtner eine Vollausbildung.
Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

Danke für den guten und ausführlichen Kommentar.