Als Kultusminister nie vor peinlichen Aktionen gefeit: Gerhard Mayer-Vorfelder ist tot

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STUTTGART. Gerhard Mayer-Vorfelder hat gerne polarisiert. «Ich bin fast täglich im Schützengraben gestanden, um mich herum sind die Giftpfeile geschwirrt», sagte der Machtmensch und Multifunktionär einmal über seine tagtäglichen Kämpfe. Gestern ist der ehemalige Kultusminister von Baden-Württemberg und Fußball-Funktionär gestorben.

Gerhard Mayer-Vorfelder war Kultusminister von Baden-Württemberg: Foto: Memorino / Wikimedia Commons(CC BY-SA 3.0)
Gerhard Mayer-Vorfelder war Kultusminister von Baden-Württemberg: Foto: Memorino / Wikimedia Commons(CC BY-SA 3.0)

Egal ob als Präsident des Bundesligisten VfB Stuttgart und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) oder als CDU-Minister im Ländle – Mayer-Vorfelder kannte sich mit extremem Gegenwind aus. Und der Jongleur der Macht verstand es blendend, sich jahrelang in den diversen Spitzenpositionen zu halten. Taktisches Gespür, glänzende Vernetzung, immenses Stehvermögen – das waren nur drei Zutaten, die der knallharte und auch kompromisslose Konservative einsetzte. «Ich war immer der, der ich war – mit allen guten und weniger guten Seiten», beschrieb der Mann mit dem knackigen Markenkürzel «MV» sich selbst. «Ich bin ein Stück stolz darauf, dass ich mich in all den Jahren nicht habe verbiegen lassen.»

„Wann immer ich ihn auf dem Stuttgarter Bahnhof oder dem Frankfurter Flughafen sehe, erzählt er mir: Ich hab’ doch in Nürtingen auf’m Landratsamt angfangen. Immer.“ Das hat Harald Schmidt einmal über Mayer-Vorfelder erzählt – und ironisch-respektvoll ergänzt: „Ich mag ihn ja sehr, weil er einer ist, der nicht gleich die Nerven verliert. Mein Lieblingsfoto von ihm ist das, als er 2004 bei der (verlorenen, d. R.) EM in Portugal am Pool sitzt – mit blauem Anzug und braunen Schuhen. Da war mindestens Weltuntergang, die Queen hätte in solch einem Fall zurücktreten müssen, aber er war ganz entspannt und wusste: Es geht vorbei.“

Nicht ganz so lässig, wie er als DFB-Präsident das Ausscheiden der deutschen Mannschaft hinnahm, hatte er zuvor als Kultusminister von Baden-Württemberg gewirkt. Meyer-Vorfelder war als Politiker, vor allem was den Umgang mit der deutschen Geschichte betraf, nie vor peinlichen Aktionen gefeit: Er ließ trotz empörter Proteste Unterrichtseinheiten wie „Christentum, Judentum und Antisemitismus“ aus den Lehrplänen streichen, verstieg sich in abenteuerlichen Nazi-Vergleichen („Die Chaoten in Wackersdorf springen schlimmer herum als die SA jemals“) und pflegte sein Image als Rechtsaußen der Union („Hans Filbinger war kein Nationalsozialist.“). Sein bildungspolitisches Vermächtnis: Er verbannte als erster Kultusminister die Mengenlehre aus der Grundschule. News4teachers / mit Material der dpa

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