Eltern stöhnen auf: Neuer Kita-Streik würde uns an die Grenzen bringen

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BERLIN. Eltern von Kleinkindern müssen sich darauf einstellen, bald wieder vor verschlossenen Kita-Türen zu stehen. Nachdem am Wochenende Verdi-Chef Frank Bsirke im Tarifstreit für Erzieher und Sozialarbeiter die Schlichtung für gescheitert und neue Streiks angedroht hatte, zeigten sich nun die Arbeitgeber hart – sie wollen keine weiteren Zugeständnisse machen. „Ich sehe keine Luft nach oben“, sagte der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, der „Passauer Neuen Presse“. Ein neuer Streik in den Kitas wird nach Ansicht des Elternbeirats Nordrhein-Westfalen bei den Eltern auf wenig Verständnis stoßen.

Die Kita-Beschäftigten haben schon vier Wochen lang gestreikt - Managergehälter gibt's trotzdem nicht. Foto: GEW
Die Kita-Beschäftigten haben schon vier Wochen lang gestreikt – Managergehälter gibt’s trotzdem nicht. Foto: GEW

Bsirske forderte nach einem Treffen mit rund 300 Verdi-Streikdelegierten aus ganz Deutschland die kommunalen Arbeitgeber auf, noch einmal kräftig nachzulegen, um Streiks zu verhindern. Die nächsten Verhandlungen sind am Donnerstag im hessischen Offenbach. Knapp 70 Prozent der Verdi-Mitglieder hatten in einer Befragung den Schlichterspruch von Ende Juni abgelehnt, der zwischen 2 und 4,5 Prozent mehr Geld vorsieht. „Das ist ein absolut klares Signal an die eigene Gewerkschaft und auch an die Arbeitgeber“, sagte Bsirske. „Der Streik wird fortgesetzt. Die Schlichtung ist gescheitert.“ Er will der Bundestarifkommission, die am Dienstag in Frankfurt am Main das weitere Vorgehen berät, eine entsprechende Empfehlung geben. „Eine Befriedung auf dieser Grundlage ist nicht möglich. Die Arbeitgeberseite ist gut beraten, das Signal ernst zu nehmen.“

Wenn die Arbeitgeber zu „substanziellen Zugeständnissen“ bereit seien, könne ein Streik noch vermieden werden, sagte Bsirske. Er kündigte „unkonventionelle Streikformen“ an. Bereits im Frühsommer waren über Wochen in vielen Bundesländern Kindertagesstätten und Horte bestreikt worden. Auch bei den ebenfalls von dem Tarifstreit betroffenen Gewerkschaften GEW und Beamtenbund fiel der Schlichterspruch durch.

Bei der GEW stimmten ebenfalls fast 70 Prozent der Mitglieder gegen eine Annahme der Schlichtung, allerdings wurde nach Angaben der Gewerkschaft die nötige Mehrheit für eine Fortsetzung des unbefristeten Streiks verfehlt. „Die Mitglieder stellen mit ihrem Votum fest: In der Einigungsempfehlung spiegelt sich die Aufwertung des gesamten Sozial- und Erziehungsdienst nicht so wider, wie sie das nach vier Wochen Streik erwartet haben“, erklärte Andreas Gehrke, für Tarifpolitik verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied. „Die Beschäftigten sind angesichts der Ignoranz der Arbeitgeber, die ihnen weiterhin eine angemessene Aufwertung verweigern, wütend und enttäuscht.“

Gehrke betonte, dass die dringend notwendige gesellschaftliche und politische Debatte über die Aufwertung der Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst durch die seit Februar laufende Tarifrunde endlich ins Rollen gekommen sei. „Das ist eine positive Entwicklung. Jetzt muss aber endlich auch der Bund handeln und durch ein Kita-Qualitätsgesetz für bessere Betreuungsschlüssel und gute Arbeitsbedingungen sorgen. Zudem muss er sich stärker an der Finanzierung der frühkindlichen Bildung beteiligen als bisher. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld gekippt hat, sind für dieses Engagement zusätzliche Mittel frei geworden.“

Der VKA weist die Forderung nach Zugeständnissen zurück. „Schon dieser Schlichterspruch geht bei vielen Städten und Gemeinden an die Schmerzgrenze und sieht deutliche Verbesserungen für die Betroffenen vor“, erklärte der kommunale Arbeitgeberverband. Es müsse eine Überforderung der Kommunen vermieden werden. „Genau das droht jetzt, wenn erneut „draufgesattelt“ wird“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg in Berlin. «Noch mehr Geld würde auch das Gehaltsgefüge im öffentlichen Dienst der Kommunen sprengen.» Dann wollten etwa auch die Feuerwehrleute mehr Geld. «Ich befürchte, dass es wieder zu Streiks in vielen Kitas kommt», sagte Landsberg.

Der Städte- und Gemeindebund warnte insbesondere vor neuen flächendeckenden Streiks, die zulasten der Eltern und Kinder gehen würden. Gerade vor dem Hintergrund der ständig steigenden Flüchtlingszahlen bestehe kaum Verwaltungskapazität, auch derartige Streikfolgen aufzufangen und Alternativen zu entwickeln.

Der Ende Juni von dem früheren sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) und dem einstigen Hannoveraner Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD) vorgeschlagene Schlichterspruch liegt relativ weit von den Vorstellungen der Gewerkschaften entfernt. Diese hatten eine deutliche Aufwertung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst durch bessere Eingruppierungen gefordert. Die Gewerkschaftsvertreter stimmten dem Schlichterspruch zwar zu, mussten aber erkennen, dass es an ihrer Basis Widerstand gibt. „Es herrscht große Enttäuschung in den Betrieben“, berichtete eine Streikdelegierte aus einer nordrhein-westfälischen Kita am Wochenende in Fulda. „Es gibt Ärger und Wut und totales Unverständnis, wie man nach so einem Arbeitskampf mit so einem Ergebnis aus der Schlichtung gehen kann“, sagte die 54-Jährige.

Ein neuer Streik in den Kitas wird nach Ansicht des Elternbeirats Nordrhein-Westfalen bei den Eltern auf wenig Unterstützung stoßen. „Das Verständnis für die Forderungen der Erzieher ist da, aber mit einem neuen Streik nimmt es ab“, sagte Attila Gümüs, Vizechef des Landeselternbeirates NRW, der „Welt“. Nach vier Wochen Streik sei der Urlaub der Eltern aufgebraucht. „Wenn sich der Konflikt jetzt noch einmal zuspitzt, wäre das für die Eltern extrem hart – vor allem, da das neue Kita-Jahr bereits begonnen hat und damit die Eingewöhnung der neuen Kinder ansteht.“ News4teachers / mit Material der dpa

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