Flüchtlingskinder: Philologenverbandschef will Pensionäre zurück in die Schulen holen

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KÖLN/DÜSSELDORF. Mit bis zu 40.000 Flüchtlingskindern an Schulen rechnet das NRW-Schulministerium in diesem Jahr. Mit einem Nachtragshaushalt will das Land daher 2600 neue Lehrstellen einrichten. Philologenverbandschef Peter Silbernagel will daneben auch Pensionäre an Schulen zurückholen.

Nordrhein-Westfalen will angesichts der deutlich steigenden Zahl von Flüchtlingskindern zusätzliche Lehrer einstellen. «Wir werden in einem Nachtragshaushalt weitere 2600 Stellen schaffen», kündigte Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) im WDR-Hörfunk an. Zusätzliche Lehrkräfte an den Schulen seien notwendig, damit die Kinder «von Anfang an eine große Chance auf Integration haben».

Nach Meinung von NRW-Philologenverbandschef Peter Silbernagel sollen neben zusätzlichen Lehrern auch Pensionäre die Integration von Flüchtlingskindern an den Schulen unterstützen. Foto: News4teachers.
Nach Meinung von NRW-Philologenverbandschef Peter Silbernagel sollen neben zusätzlichen Lehrern auch Pensionäre die Integration von Flüchtlingskindern an den Schulen unterstützen. Foto: News4teachers.

Unter den 2625 Stellen, die mit dem dritten Nachtragshaushalt Anfang Oktober kommen sollen, seien 900 sogenannte Integrationsstellen speziell für die deutsche Sprachförderung, teilte das Ministerium in Düsseldorf weiter mit.

Löhrmann rechnet damit, dass die Zahl der Flüchtlingskinder, die eine Schule in NRW besuchen werden, auf rund 40 000 steigt. «Das klingt dann erst mal ganz viel, aber im Verhältnis zu 2,5 Millionen Schülern, die in unseren Schulen sind, relativiert sich auch solch eine Zahl.» Flüchtlingskinder bis 18 Jahren unterliegen der Schulpflicht, sobald sie aus Erstaufnahme-Einrichtungen oder Notunterkünften an die Kommunen weitergeleitet werden. Diese Pflicht gilt auch bei abgelehnten Asylanträgen.

Woher sollen die Lehrer kommen? Laut Schulministerium werden für die 900 Integrationsstellen Lehrkräfte gesucht, die über die Qualifikation «Deutsch als Zweitsprache» verfügen oder sich verpflichten, diese zügig zu erwerben. Die anderen der 2625 Stellen sollten mit den üblichen Lehrkräften besetzt werden – es gebe einige, die noch eine Stelle suchten. Außerdem bilde NRW jedes Jahr 9000 Referendare aus – deutlich mehr, als das Land in der Regel einstellen könne, wie eine Sprecherin erläuterte.

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Der Landesvorsitzende des Philologenverbandes, Peter Silbernagel, forderte in der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» (WAZ): «Wir müssen neben zusätzlichen Lehrern auch Pensionäre zurück in die Schulen holen.» Udo Beckmann, Chef der Gewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), verlangte mit Blick auf die auch für die nächsten Jahre erwarteten hohen Flüchtlingszahlen eine nachhaltige Einstellungsstrategie. «Die Politik von der Hand in den Mund reicht nicht mehr.» Es fehlten auch Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter.

Mit dem Nachtragshaushalt müssen nach Angaben der Staatskanzlei für Flüchtlingsaufgaben insgesamt rund 700 Millionen Euro zusätzlich eingeplant werden. Die rot-grüne Landesregierung hält die vom Bund angekündigte Hilfe zur Versorgung der Flüchtlinge von drei Milliarden Euro für Länder und Kommunen ab 2016 für unzureichend. Von dem Geld würden rund 600 Millionen Euro auf NRW entfallen.

Für die Kommunen wird die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zur immer größeren finanziellen Belastung. Am Freitagvormittag trafen sich Vertreter des Städtetags NRW und des Städte- und Gemeindebundes zu einem Gespräch mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Dabei ging es neben den aktuell wachsenden Herausforderungen auch um die Flüchtlingsproblematik in mittel- und langfristiger Hinsicht.

In der Nacht zu Freitag kamen weitere 1400 Flüchtlinge in Sonderbussen und Sonderzügen aus München an. Die Busse steuerten direkt die Notaufnahmen in verschiedenen NRW-Städten an. Der Sonderzug kam am Düsseldorfer Flughafen an, wo Helfer am frühen Morgen rund 450 Menschen in Empfang nahmen, davon kamen fünf leicht erkrankt in ein Krankenhaus. Für Freitagabend wurden in Dortmund zwei weitere Sonderzüge mit Flüchtlingen erwartet. Schon am Donnerstag hatten 1500 Menschen auf normalem Weg die Erstaufnahmen in NRW erreicht. (dpa)

zum Bericht: Flüchtlingskinder: GEW fordert mehr Lehrer – und schlägt notfalls Einsatz von Pensionären vor

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6 Kommentare
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alexander
8 Jahre zuvor

„… Pensionäre zurück in die Schulen…“… bei allem Respekt, aber dieses Konzept klingt so ein bisschen nach pädagogischem Volkssturm…

Pälzer
8 Jahre zuvor
Antwortet  alexander

Ich finde es unangemessen, wenn Sie meine pensionierten Kollegen mit Nazi-Vokabeln belegen.
Vermutlich hat Herr Silbernagel auch nicht an eine Zwangsrekrutierung, sondern eher an die Bereitstellung eines Budgets gedacht, damit freiwillige „Reaktivierte“ bezahlt werden können. Mir fallen mehrere gute Bekannte ein, kürzlich pensioniert oder noch in der „Ruhephase der Altersteilzeit“, deren Lebenserfahrung, wachen Geist und klaren Kopf diese Aufgabe wohl reizen könnte.

dickebank
8 Jahre zuvor

Und seit wann ist die Bezeichnung paramilitärischer Einheiten mit „Volkssturm“ eine Erfindung der NSDAP?

Pälzer
8 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Ich habe natürlich nicht so umfassende historische Kenntnisse wie Sie; ich weiß nur, dass die Nazis ihre letzten militärischen Aufgebote aus Minderjährigen und alten Männern in der Endzeit des 2. Weltkrieges so nannten. Könnten Sie uns einfach aufklären, wann und durch wen dieser Begriff zum ersten Mal verwendet wurde?

realo
8 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Wie können Sie die umfassenden Kenntnisse nur auf den historischen Bereich beschränken?
wikipedia gibt Ihnen zwar Recht bei der Zuordnung des Volkssturms zur Endphase des Nazi-Regimes, aber dickebank weiß da sicherlich mehr. Bin gespannt auf die Beantwortung Ihrer Frage.

sinus
8 Jahre zuvor

Interessanterweise könnte Frau Löhrmann ein paar 1.000 Lehrer mehr zur Verfügung haben, ohne in den nächsten Jahren auch nur einen Euro mehr ausgeben zu müssen (ok, übertrieben, einige zusätzliche Stunden kämen für die Änderung der Lehrpläne zusammen). G9 ermöglichen, ob komplett oder per Wahlfreiheit, und dann auch die Gesamtwochenstunden für Haupt- und Realschulen anpassen. Wenn das in den nächsten Monaten in Gang gesetzt wird, stehen nach den Sommerferien 2016 ziemlich viele Lehrerstunden zur Verfügung.