Tübinger Schulleiter stärkt Minister Stoch im Streit mit der FAZ den Rücken – „Vorwürfe sind absoluter Quatsch“

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TÜBINGEN. Ein angeblich verheerendes Gutachten über Baden-Württembergs Gemeinschaftsschulen am Beispiel einer Tübinger Schule sorgt weiter für erhitzte Gemüter. Der Leiter besagter Einrichtung meldet sich zu Wort – dem Kultusministerium dürfte das gefallen.

Im Streit über ein Gutachten zu einer Gemeinschaftsschule in Tübingen schlägt der dortige Schulleiter scharfe Töne an. «Wir fühlen uns verraten und in der Öffentlichkeit an einen Pranger gestellt, an den wir nicht gehören», sagte der Leiter der Geschwister-Scholl-Gemeinschaftsschule, Joachim Friedrichsdorf. Der interne und nicht repräsentative Bericht sei mit unlauteren Mitteln an die Öffentlichkeit gekommen, dabei handele es sich um «bewusste Diffamierung».

Hintergrund seiner Empörung ist die Auseinandersetzung zwischen der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) und dem Kultusministerium Baden-Württemberg, das Ministerium hatte unlängst Klage eingereicht gegen die Zeitung. Die FAZ hatte der baden-württembergischen Gemeinschaftsschule – einem Prestigeprojekt von Grün-Rot – in einem Artikel ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Zeitung bezog sich dabei auf eben jenes Gutachten über die Lehre an der Tübinger Schule, demzufolge sich dort die zentrale Idee des individuellen Lernens als ineffektiv herausgestellt habe. Zudem fehle den Lehrern der Überblick über den Leistungsstand der Schüler und die Bewertungen der Schüler seien fragwürdig.

Hat seinen Gesetzentwurf fertig: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch. Foto: SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg
Klagt gegen die FAZ: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch. Foto: SPD-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg

Schulleiter Friedrichsdorf brachte das auf die Palme. «Dass das Individuelle Lernen ineffektiv sei, steht so im Bericht nicht drin, sondern das ist eine Interpretation der betreffenden Journalistin», sagte er. «De facto ist diese Behauptung durch die Leistungsergebnisse widerlegt.» Die ersten Klassen, die an der zentralen Realschulabschlussprüfung teilgenommen hätten, zeigten deutlich bessere Ergebnisse als in der ehemaligen Realschule.

Insgesamt seien die Beobachtungen des internen Zwischenberichts «überhaupt nicht repräsentativ», da an der Schule nur zwei von 24 Gruppen beobachtet worden seien. Die Ergebnisse seien also weder für die Gemeinschaftsschule in Tübingen noch für Baden-Württemberg aussagekräftig, sagt Friedrichsdorf.

In Gemeinschaftsschulen werden seit 2012 Kinder aller Leistungsstufen unterrichtet. Die Einführung der Schulform wird an zehn Schulen im Südwesten wissenschaftlich begleitet, darunter die Geschwister-Scholl-Gemeinschaftsschule. Das Abschlussgutachten mit den gebündelten Ergebnissen von allen zehn Studien soll nach Angaben des Kultusministeriums Anfang kommenden Jahres veröffentlicht werden.

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In dem FAZ-Artikel hatte es geheißen, das Ministerium habe die kritische Untersuchung zu der Tübinger Gemeinschaftsschule unter Verschluss gehalten. Das Ministerium bestritt das. Da dem Ministerium die besagte Untersuchung nicht bekannt sei, habe es diese auch nicht unter Verschluss halten können, erklärte ein Ministeriumssprecher. Die FAZ wies die Vorwürfe des Ministeriums zurück.

Schulleiter Friedrichsdorf gab Kultusminister Andreas Stoch (SPD) in dem Rechtsstreit Rückendeckung: «Wenn die FAZ behauptet, dass das Kultusministerium die Beobachtungsstudie unter Verschluss gehalten hat, ist das absoluter Quatsch», sagte er. Das Gutachten, so Friedrichsdorf, sei nur «ein interner Zwischenbericht» für die Schulen gewesen. Stoch habe davon keine Kenntnis gehabt.

Politiker, deren Parteien im Stuttgarter Landtag in der Opposition sind, nahmen den Streit als Anlass zur Kritik an der Regierung. Der Vorsitzende des CDU-Bezirksverbands Württemberg-Hohenzollern, der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß, stellte Minister Stoch ein «Armutszeugnis» in der Sache aus: Das Gutachten habe «die Landesregierung ins Mark getroffen und gleichzeitig unsere schlimmsten Erwartungen zum verheerenden Bildungskurs der Landesregierung bestätigt». Kritik kam auch von der FDP. Die Klage vom Kultusminister Stoch sei absurd, sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke. dpa

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6 Kommentare
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drd
8 Jahre zuvor

Der erste abschlussjahrgang sei besser als an der rs? Wahrscheinlich hat ein zauberer due arbeiten korrigiert. Wenn alles so super ist warum erfährt die öffentlichkeit nichts über die dva ergebnisse der gms? Ich weiss aus erfahrung dass es immer schwieriger wird die realschüler zu passablen abschlussergebnissen zu führen. Aber gut wenn man sie sich nur alles selber beibringen lassen muss dann fahre ich meine anstrengungen zurück.

Pälzer
8 Jahre zuvor

Gibt es in BW landesweite Vergleichsarbeiten? Dann wird man ja in einigen Jahren sichere Daten haben … erst nach der Wahl? schade.

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Gibt es VERA 8 in Baden-Württemberg? Das wäre zumindest ein Satz von Daten, die allerdings beliebig manipulierbar sind.

Die Schüler in der Theorie nicht auf die Arbeit vorbereitet werden, es ist ja ein Lernstand. Daher wird er auch nicht bewertet und darf nicht in die Zeugnisnote einfließen. In der Praxis ist wochenlanges Teaching to the Test keine Ausnahme. Wenn Schüler den Test also als das einschätzen würden, was er wert ist, würden sie 90 Minuten lang nichts tun und ein leeres Heft abgeben. Das würde den Lehrern auch die Note vollkommen irrelevante Korrektur verkürzen.

Bei der Korrektur muss man sich für richtig oder falsch entscheiden, Teilpunkte gibt es nicht. Bei „Zwischenfällen“ kann man folglich richtig (weil nicht ganz falsch) oder falsch (weil nicht ganz richtig) eintragen. Hierbei kann man auch manipulieren ohne Ende.

Mississippi
8 Jahre zuvor

Sichere Daten? Ts…

dickebank
8 Jahre zuvor
Antwortet  Mississippi

Der Tod ist gewiss, nur nicht die Stunde. (Mors certa, hora incerta.)
So viel zu sicheren Daten – womit ja die Validität gemein sein dürfte.

GriasDi
8 Jahre zuvor

Was soll der Schulleiter auch sonst sagen. Vielleicht haben ja auch potenzielle Gymnasiasten an der Realschul-Abschlussprüfung teilgenommen, die in einem gegliederten Schulsystem nicht an dieser Prüfung teilgenommen hätten.