Umfrage: Deutsche fordern mehr Geld für die Schulen – für die Lehrer aber nicht

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BERLIN. Reformmüde? In Sachen Schulpolitik sind es die Deutschen keineswegs: In vielen Bildungsbereichen weist die Bevölkerung eine „hohe Reformbereitschaft“ auf. Zu diesem Ergebnis kommt das ifo Bildungsbarometer, eine große repräsentative Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo), das jetzt in Berlin vorgestellt wurde. Dabei zeigten sich klare Vorstellungen der Bürger zur Bildung: mehr Geld für Kitas und Schulen, mehr Einheitlichkeit und eine entscheidende Funktion der Noten. Für aktuelle bildungspolitische Streitthemen gibt es dagegen keine klaren Mehrheiten.

Quelle: ifo Bildungsbarometer 2015
Quelle: ifo Bildungsbarometer 2015

Wie zufrieden sind die Bürger mit den deutschen Schulen?

So lala. Zwei Prozent der Bevölkerung beurteilen die allgemeinbildenden Schulen in Deutschland mit der Note 1, rund jeder Vierte mit 2. 54 Prozent finden die Schulen befriedigend – Note 3. Knapp jeder Fünfte beurteilt die Schulen nur mit den schlechten Wertungen 4 bis 6. Allerdings: Geht es um die konkrete Schule vor Ort, fällt die Bewertung besser aus.

Wie sieht’s bei bildungspolitischen Reizthemen aus – etwa der Inklusion?

Bei den aktuell umstrittenen schul- und bildungspolitischen Themen Inklusion und Abiturientenquote gibt es keine klaren Mehrheiten. 40 Prozent der Bürger meinen, dass es mehr gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung geben sollte – 17 Prozent meinen: weniger. Die relative Mehrheit ist mit dem erreichten Stand zufrieden. Ähnlich das Meinungsbild bei der Frage, ob wir mehr Abiturienten brauchen. 33 Prozent meinen: Es gibt jetzt schon zu viele – 16 Prozent meinen: Es gibt zu wenige. Die Mehrheit (51 Prozent) meint: Passt so, wie’s ist.

Was halten die Menschen von Ganztagsschulen?

Ganztagsschulen werden grundsätzlich unterstützt – allerdings ist die Länge des Schultags entscheidend für die Quote der Zustimmung. Bei der Frage, ob Deutschland zu einem System der Ganztagsschule bis 15 Uhr wechseln sollte, zeigen sich 61 Prozent sehr oder eher dafür. Bei 16 Uhr sind es 56 Prozent, bei 17 Uhr sind 47 Prozent dafür – 43 Prozent aber dagegen.

Was halten die Bürger von bundesweit vergleichbaren Prüfungen?

Viel. Beim Abitur würden das stattliche 86 Prozent befürworten. Mit 85 beziehungsweise 82 Prozent gibt es hier auch beim Realschul- und Hauptschulabschluss eindeutige Mehrheiten.

Welche Rolle sollen Noten beim Wechsel von der Grundschule in die weiterführende Schule spielen?

Dass in den meisten Bundesländern die Eltern darüber entscheiden können, ist gemäß der Umfrage nicht im Sinne einer Mehrheit der Bürger. Denn 64 Prozent sind dafür, dass Schulnoten über die weiterführende Schulart entscheiden. Nicht erhoben wurde allerdings die Frage, ob die Eltern das auch bei eigener Betroffenheit (also bei schlechten Noten ihres eigenen Kindes) auch noch für gut halten würden.

Was wünschen sich die Menschen für die Kitas?

Drei Viertel (77 Prozent) sind dafür, dass der Staat die Kindergartengebühren aus Steuergeldern finanziert, damit anders als heute alle Kinder ab vier Jahren kostenfrei in den Kindergarten gehen können. Eine satte Mehrheit von 79 Prozent der Bundesbürger sind auch für steigende Gehälter der Erzieherinnen – und unterstützen so die Position der Gewerkschaften im immer noch ungelösten Kita-Tarifkonflikt. Allerdings wurden sie befragt, bevor die Gewerkschaften das Schlichtungsergebnis ablehnten.

Und was soll in den Kitas passieren?

Die Kitas werden offenbar tatsächlich in erster Linie als Bildungseinrichtungen und nicht nur als Betreuungsangebote wahrgenommen. So plädieren fast 90 Prozent der Bürger (87 Prozent) für verbindliche (Bildungs-)Standards in frühkindlichen Einrichtungen. Immerhin ein Viertel spricht sich dafür aus, dass Erzieherinnen ein Studium absolvieren sollten. Unter den Eltern ist der Wunsch nach einer akademischen Ausbildung von Erzieherinnen erkennbar größer: 35 Prozent sind dafür.

Wie stehen die Menschen zum Betreuungsgeld?

Mit 57 Prozent zu 34 Prozent lehnen es die Bundesbürger zum Zeitpunkt der Befragung ab. Mittlerweile hat das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld gekippt – Studienautor Ludger Wößmann wertet das Ergebnis als Hinweis darauf, dass eine verfassungskonforme Wiedereinführung keine Mehrheit fände.

Welchen Bereich halten die Menschen für besonders unterfinanziert?

Vier von fünf Befragten (78 Prozent) sind der Meinung, in ihrem Bundesland sollten die staatlichen Ausgaben für Schulen steigen. Könnte es nur ein Bereich sein, nennen die Befragten am häufigsten die weiterführenden Schulen (41 Prozent), Grundschulen (30 Prozent), gefolgt von Kitas (15 Prozent). Abgeschlagen sind dagegen Berufs- und Hochschulen (9 bzw. 6 Prozent). Ein Teil der Befragten wurde informiert, dass laut Studien Ausgaben im frühkindlichen Bereich einen stärkeren positiven Einfluss haben als Ausgaben in späteren Bildungsbereichen. Hier steigt der Anteil der Befürworter von zusätzlichen Ausgaben im frühkindlichen Bereich auf 31 Prozent.

Wofür soll in den Schulen mehr ausgegeben werden?

Unter den drei möglichen Antworten – Schulklassen verkleinern, Lehrergehälter erhöhen oder neue Schulbücher, Computer und andere Lehrmittel an¬schaffen – spricht sich die Mehrheit der Bevölkerung (57 Prozent) für kleinere Schulklassen aus. Etwas mehr als ein Drittel (36 Prozent) entscheidet sich für zusätzliche Lehrmittel, lediglich sieben Prozent finden, dass Lehrergehälter erhöht werden sollten.

Woher soll das Geld für mehr Bildung kommen?

Das fragten die Forscher in diesem Jahr nicht – eine Vorgängerstudie aus dem vergangenen Jahr zeigt allerdings, dass der Ruf nach mehr Ausgaben leiser wird, wenn es den eigenen Geldbeutel betrifft: Nur ein Viertel fand damals, dass Steuern für die Finanzierung von Schulen steigen sollten.

Sind alle zufrieden mit der Abschaffung der Studiengebühren?

Keineswegs. In den vergangenen Jahren wurden Studiengebühren an öffentlichen Universitäten und Hochschulen in Deutschland kontrovers diskutiert. Die Einführung von Gebühren von bis zu 500 Euro pro Semester in sieben deutschen Bundesländern ab dem Jahr 2005 wurde von Studierendenprotesten und Widerstand aus der Bevölkerung begleitet, was schlie߬lich zur Wiederabschaffung in allen Bundesländern führte – der Widerstand schien einhellig zu sein. Es zeigt sich jedoch, dass es in der Bevölkerung keine absolute Mehrheit für die Abschaffung von Studiengebühren gibt: Während sich 44 Prozent der Befragten dafür aussprechen, dass Studierende, die an einer Universität oder Hochschu¬le in Deutschland studieren, einen Teil der Studienkosten durch Studiengebühren tragen, sind 46 Prozent dagegen.

Wie wichtig ist die Schul- und Bildungspolitik für die Wahlentscheidung?

Sie kann tatsächlich Wahlen entscheiden. Fast drei Viertel (73 Prozent) der Bürger geben an, dass für sie die Schul- und Bildungspolitik bei Landtagswahlen eine „sehr wichtige“ oder „eher wichtige“ Rolle spielt. News4teachers / mit Material der dpa

Hier lässt sich die komplette Studie herunterladen.

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