Bosch-Forschungscampus eröffnet: Politik erfreut über deutsches «Stanford»

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RENNINGEN. Auf einer grünen Wiese im Umland von Stuttgart soll es künftig funkeln vor Geistesblitzen: Der Technologiekonzern Bosch hat einen Forschungscampus eröffnet. Die Politik klatscht Beifall.

Schon beim Anblick aus weiter Ferne ist klar: Auf Altbekanntes und Routine setzt man beim neuen Bosch-Forschungscampus beileibe nicht. Das Hochhaus im Zentrum der Anlage in Renningen (Kreis Böblingen) sieht aus als seien riesige Glas-Bauklötze unpräzise aufeinandergestapelt worden. Was für viele Beobachter architektonisches Neuland ist, soll auch für den Technologiekonzern ein Schritt auf neuem Parkett sein: Nach Darstellung von Bosch-Chef Volkmar Denner ist der Campus eine deutsche Version der US-Eliteuni Stanford: ein kreatives Miteinander von Forschern völlig unterschiedlicher Disziplinen.

Zur Eröffnungsfeier der 310 Millionen Euro teuren Anlage mit 14 Gebäuden kam am Mittwoch Politikprominenz aus dem nahen Stuttgart und dem fernen Berlin: Ministerpräsident Winfried Kretschmann schwärmte von einem «Flaggschiff» und einem «eindrucksvollen Bekenntnis für den Standort Baden-Württemberg». «Sie sehen mich deswegen als glücklichen Ministerpräsidenten vor sich stehen.» Als Rednerin nach ihm setzte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Kretschmanns Lobeslied in Richtung Bosch-Führungsriege artig fort: «Was Sie hier geschaffen haben, ist gut für Baden-Württemberg, ist gut für Deutschland.»

Damit wandelt Bosch gewissermaßen auf dem Investitionspfad, auf dem auch andere Firmen aus der Region in den vergangenen Jahren Akzente gesetzt hatten: Der Sportwagenbauer Porsche hatte 2011 beispielsweise 150 Millionen Euro in die Erweiterung seines Forschungs- und Entwicklungszentrums in Weissach (Kreis Böblingen) gesteckt. Und der Autokonzern Daimler hatte im Frühjahr 2015 angekündigt, bis Ende dieses Jahrzehnts noch einmal 600 Millionen Euro in den Entwicklungsbereich am Standort Sindelfingen zu investieren.

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Bei der Bosch-Eröffnung am Mittwoch führten Konzernlenker Denner und sein Forschungs-Ressortleiter Michael Bolle sichtlich beschwingt die beiden Politikergäste über das Gelände und präsentierten hierbei die Ergebnisse bereits vollbrachter Geistesblitze: Ein Fahrzeug fuhr dank Autopilot-Funktion quasi von selbst über einen Parkplatz und zurück, ein Agrarroboter namens Bonirob zeigte sein Potenzial zur umweltschonenden Unkrautvernichtung und präzisen Saatgut-Analyse.

Der Bonirob ist die Entwicklung eines firmeneigenen Startups, der Roboter könnte 2018 auf den Markt kommen. Es ist ein Paradebeispiel, wie es künftig laufen soll in Boschs Hochglanz-Forschungsschuppen: Die 1700 Wissenschaftler – ob Biologen, Chemiker, Physiker oder Ingenieure – tüfteln an eigenen, fächerübergreifenden Projekten. Statt wie bisher an drei verschiedenen Standorten im Raum Stuttgart werden die Bosch-Forschungsaktivitäten in Renningen gebündelt. Das soll die Kommunikation der Abteilungen fördern und dem noch nicht so ganz überwundenen Silodenken endlich den Garaus machen.

Tüftler verschiedener Fachrichtungen sollen sich zusammensetzen und an einem Strang ziehen, um eine Idee weiterzuentwickeln. Ist man hierbei verhältnismäßig weit, werden firmeneigene Startups gegründet, bei denen der Mut zum Risiko eine große Rolle spielt. «Wir wollen, dass die Forscher nicht nur gute Ideen haben, sondern sie sollen auch Unternehmer sein», erklärt Bosch-Chef Denner die angepeilte Kursrichtung. Der für Forschung zuständige Geschäftsleiter Bolle berichtet von künftigen Innovationen, die als Resultat aus der fächerübergreifenden Zusammenarbeit entspringen werden.

Denner beklagte gleichzeitig hierzulande einen Mangel an Wagemut und eine Angst vor dem Scheitern. «Dieses Land braucht mehr Start-up-Mentalität gerade im wissenschaftlichen Nachwuchs, und dazu müssen die Universitäten mehr vermitteln als eine hochsozialisierte Examensvorbereitung.» Der Denner-Sorgenfalten bezüglich des mangelnden Unternehmergeistes in Deutschland wollte Bundeskanzlerin Merkel nicht widersprechen. «Es fehlt vielleicht ab und an an diesem unternehmerischen Geist, der nicht so traditionell Teil der Bildung war wie dies in anderen Teilen der Welt ist», sagte Merkel. Wolf von Dewitz, dpa

 

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