Frieda, das kleine Wunder – Europas jüngstes Frühchen hat sich gut entwickelt

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FULDA. Wie geht’s Frieda? Das Mädchen wurde 2010 als Europas jüngstes Frühchen geboren – nach nur 21 Wochen und fünf Tagen Schwangerschaft. Solchen extrem unreifen Kindern drohen Komplikationen. Aber Frieda stellt alle Prognosen auf den Kopf. Am Samstag wird sie fünf.

Die Frühchen-Medizin macht große Fortschritte. Foto: Aneta Meszko / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Die Frühchen-Medizin macht große Fortschritte. Foto: Aneta Meszko / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Geburtstag wird für Frieda immer besonders groß gefeiert. Vielleicht wegen der Freude der Familie über das gerettete Leben des kleinen Mädchens. Dass Frieda ihren mittlerweile fünften Geburtstag am 7. November überhaupt erleben darf, grenzt nach Einschätzung von Ärzten und Experten an ein medizinisches Wunder. Frieda ist Europas jüngstes Frühchen. Sie kam im Jahr 2010 im Klinikum Fulda viel zu früh zur Welt, bereits nach 21 Wochen und fünf Tagen. Eine normale Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Als sie entbunden wurde, war Frieda nur 26 Zentimeter groß und wog 460 Gramm.

Normalerweise haben solch extrem unreifen Neugeborenen fast keine Überlebenschance – und später auch keine gute Perspektive. Aber Frieda ist ein Phänomen. Sie stellt Prognosen auf den Kopf. «Sie hat sich toll entwickelt. Wir sind sehr glücklich darüber. Die Erleichterung ist riesengroß», sagt Friedas Mutter Yvonne (38).

Und Frieda? Die freut sich auf ihren Geburtstag am Samstag mit vielen Freunden, auf einen «Schokoladenkuchen mit Smarties». «Ich wünsche mir ein Puppenhaus», sagt sie mit zarter Stimme. Zierlich wirkt sie noch immer. Sie ist nur einen knappen Meter groß und 12,5 Kilo schwer. Doch das kleine Mädchen strahlt. Sie ist fröhlich und kontaktfreudig. Wenn Sie mit ihrer Mutter «Mensch ärgere Dich nicht» spielt, ist sie engagiert und zielstrebig. Wenn sie malt, wirkt sie konzentriert und ganz bei sich.

Die Dankbarkeit, dass sich ihr Kind aufgrund der Frühgeburt nicht zu einem Pflegefall entwickelt hat, ist der Mutter anzumerken. Denn nicht selten tragen extrem unreife Frühchen dauerhafte Schäden davon – wenn sie überhaupt überleben. Lunge, Darm, aber auch Gehör und Netzhaut können geschädigt sein. Es drohen Hirnblutungen und bleibende Behinderungen.

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Frieda aber geht es gut. Sie besucht seit einem Jahr die Regelgruppe eines Kindergartens in der Nähe von Fulda. «Sie nimmt sogar am Kurs „English for Kids“ teil und ist sehr musikalisch. „Ihr Kinderlein, kommet“ singt sie das ganze Jahr», erzählt die Mutter schmunzelnd.
Doch ganz sorgenfrei ist Friedas Mutter nicht. Das Mädchen muss sich wegen Essstörungen manchmal übergeben. «Dann merkt sie nicht, wenn sie genug hat», erklärt die Mutter. «Auch die Motorik ist bei Frieda nicht so geschmeidig. Wenn sie hüpft oder rennt, sieht es etwas staksig aus. Und zum Fahrradfahren fehlt ihr noch die Kraft. Dafür ist sie kognitiv sehr weit, hat eine gute Auffassungsgabe.»

Der Direktor Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Fulda, Reinald Repp, teilt die Beobachtungen der Mutter. «Frieda ist ein kleines Wunder. Wir können sehr zufrieden sein. Körperlich hat sie zwar Nachholbedarf, aber es geht stetig bergauf. Sie ist altersgemäß entwickelt und hat keine großen Defizite, die über individuelle Besonderheiten hinausgehen. Bei Tests kann sie mit Normal-Geborenen mithalten. Sie ist an allem interessiert und spricht sehr gut.»
Ob sich Friedas erstaunlich positive Entwicklung fortsetzt, sei schwer zu sagen, erklärt Repp. Es gebe zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse über den Lebensweg von extrem unreifen Frühchen. «Aber derzeit bestehen keine Anzeichen, dass schwere Probleme zu erwarten sind. Sie hat eine gute Prognose, aber keine Garantie.»

Eine Prognose wagt auch Professor Wolfgang Göpel (Lübeck) in solchen Fällen nicht. Er ist Mitglied der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin und sagte: «Man kann die Entwicklung über viele Jahre oft nicht prognostizieren und keine verlässlichen Aussagen treffen, etwa über die Rahmenbedingungen für eine Schullaufbahn.»

Die Frühchen-Medizin verbessere sich in Deutschland stetig, sagt Repp. «Die Chancen für die Kinder werden jedes Jahr besser und die Komplikationen weniger.» Extrem junge Frühchen kommen in Deutschland immer mal wieder zur Welt. Die kleine Paulina Emily wurde 2011 in Greifswald in der 23. Schwangerschaftswoche mit 490 Gramm und 27 Zentimetern geboren. In Rostock kam im selben Jahr ein Frühchen in der 23. Schwangerschaftswoche mit 33 Zentimetern und 650 Gramm zur Welt. In Dortmund überlebte ein Frühchen mit einem Geburtsgewicht von lediglich 280 Gramm, etwas schwerer als ein Päckchen Butter.

Wenn Frieda am Samstag Geburtstag feiert, wird aber auch Trauer mitschwingen. Denn Friedas Zwillingsbruder schaffte es nicht. Kilian starb sechs Wochen nach der Entbindung an Herz- und Darmproblemen. Wer Kilian war – davon hat sich Frieda ihr eigenes Bild gemacht. Sie sagt, sie habe mit ihm in Mamas Bauch gekuschelt. Von Jörn Perske, dpa

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sofawolf
8 Jahre zuvor

Glückwunsch ! (y)